Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung

Arbeitswelt verändert sich auch für Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft

Der Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V. hat ein Thesenpapier veröffentlicht, das sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Immobilienunternehmen bis zum Jahre 2025 beschäftigt.

Nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes der Deutschen Immobilienwirtschaft sollte die Herausforderungen der Digitalisierung ernst genommen werden. Aber: Nicht jede neue Option muss sofort umgesetzt werden. FOTO: PIXABAY
Nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes der Deutschen Immobilienwirtschaft sollte die Herausforderungen der Digitalisierung ernst genommen werden. Aber: Nicht jede neue Option muss sofort umgesetzt werden. FOTO: PIXABAY

Digitalisierung ist nicht nur die Überführung analoger Größen und Informationen in digitale, für Computer lesbare Formen, um sie dann elektronisch zu speichern, zu verarbeiten oder auszuwerten. Der Themenbereich ist deutlich weiter. Er erfasst alle Fragen der Optimierung von Strukturen und Prozessen im Unternehmen. Der digitale Fortschritt wird also nicht nur die Technik, sondern auch die Arbeitswelt erheblich verändern.

Davon betroffen sind viele Bereiche in den Unternehmen von kulturellen Belangen bis hin zu Geschäftsmodellen (Beispiele s.u.). Hiervon bleiben auch die Unternehmen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – unabhängig von ihrer Größe – nicht unberührt.

1. Die fortschreitende Digitalisierung wird sich auf verschiedene Bereiche in den Unternehmen auswirken.

Auch wenn konkrete Vorhersagen zu den Veränderungen im Detail kaum möglich sind, so steht doch fest, dass Änderungen der Beschäftigung und Arbeitsplatzstrukturen unausweichlich sind. Zu beachten sind in diesem Kontext vor allem:
- geänderte Anforderungen externer Kunden an das Produkt Wohnen,
- Möglichkeiten, den Kunden zusätzliche Service und Dienstleistungen anzubieten,
- Anforderungen interner Kunden an andere Unternehmensbereiche (z.B. Reaktionszeiten),
- Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse im Unternehmen,
- Veränderungen in der Kommunikation/Interaktion innerhalb des Unternehmens und mit Externen,
- Integration in und Veränderung von Entscheidungsprozessen in Unternehmen,
- Auslagerung von Prozessen oder Eingliederung von Prozessen (z. B. Integration von Messdienstleistungen),
- erforderliche Kompetenzen der Beschäftigten.

2. Beispiele:

a) Prozessoptimierung
- digitaler Workflow, insbesondere digitale Vermietungs- und Personalprozesse
- komplett digitalisierte Prozesse (z.B. Buchhaltung, Vertragsmanagement)
- erhöhte Mobilität von Daten und Informationen, Zugriffsmöglichkeit von verschiedenen Orten (Cloud-Computing)
- Archivierung und Auswertung prozessbezogener Informationen
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- E-Learning
- Auslagerung der IT-Ausstattung (Software-as-a-Service)
- Einsatz von E-Collaboration-Plattformen

b) Kundenanforderung (extern und intern)
- digitale Wohnungsbesichtigung
- digitale Wohnungsschlüssel
- intelligente Haustechnik
- digitalisierter Mängelbeseitigungsprozess mit Auftragsverfolgung
- nachvollziehbare Nebenkostenberechnung „in Echtzeit“
- rechtssicherer Datenverkehr
- Hausmeister- und Handwerkersteuerung
- Home-Office-Fähigkeit
- perspektivisch Schnittstellen in das digitale Quartier

c) Service
- Portale für Kooperationen
- Paketstützpunkte
- Mieterportale
- digitales “Schwarzes Brett“
- Smart Home, Smart Cars, Smart Buying
- alles unterstützende IT-Systeme
- Nutzung von Kundendaten zur Steigerung der Servicequalität und Produktentwicklung (Big Data)

3. Notwendig ist daher eine Digitalisierungsstrategie als Kern der Unternehmensführung.

Zur Entwicklung einer solchen Strategie ist es notwendig, eine entsprechende Unternehmensphilosophie zu definieren. Nicht jede neue Option, die die Digitalisierung bietet, muss im Unternehmen (sofort) umgesetzt werden. Das betrifft einerseits die grundsätzliche Entscheidung der Umsetzung, andererseits den Zeitpunkt und den Umfang einer möglichen Umsetzung. Die Digitalisierungsstrategie muss daher insbesondere definieren, wie weit neue technische Möglichkeiten eingesetzt werden sollen und in welchem Umfang der persönliche Kontakt zwischen Mitarbeitern des Unternehmens zu externen und internen Kunden (anderen Mitarbeitern) erhalten bleiben soll.

Es ist somit von Fall zu Fall zu entscheiden, ob eine neue Möglichkeit zur Prozessmodifizierung oder eine neue Kundenanforderung technisch umgesetzt wird. Sowohl das “Ob“ der Umsetzung als auch das „Wann“ und das „Wieviel“ wird regelmäßig von Unternehmen zu Unternehmen differieren. Dabei spielt die Größe des Unternehmens, aber auch die Unternehmensphilosophie eine maßgebliche Rolle.
Für jedes Unternehmen besteht jedoch die Notwendigkeit, die Nutzung neuer Digitalisierungsoptionen kontinuierlich zu analysieren.

Das erfordert:
- Beobachtung der technischen Entwicklungen,
- Analyse von Best Practice-Beispielen,
- Bewertung der Leistungspotenziale der vorhandenen Informationsinfrastruktur (z.B. Stärken-Schwächen-Analyse),
- Bewertung der Leistungs- und Erfolgspotenziale der technischen Entwicklungen im Hinblick auf die unternehmerischen Ziele und Strategien,
- Ableitung des Umsetzungsbedarfs im eigenen Unternehmen und entsprechende unternehmerische Entscheidung,
- ggf. Maßnahmen und Budget für Umsetzung, unter Berücksichtigung von Prozessen, Technologien und Personal.
Diese Prozesse sind in die Unternehmensorganisation zu implementieren. Dazu ist jedenfalls – unabhängig von der Größe des Unternehmens – Folgendes vorzunehmen:
- Definierung der für den Umgang mit der zunehmenden Digitalisierung zuständigen Stelle im Unternehmen (geeignete/r Mitarbeiter (in/nen), entsprechendes Anforderungsprofil auf der Stelle mit Definition der konkreten Aufgaben),
- Definierung von Schnittstellen zwischen diesen/m Mitarbeiter (in/nen) und Entscheidungsträgern,
- ggf. Beauftragung eines beratend tätig werdenden internen oder weiteren externen Dienstleisters,
- Definierung der Entscheidungsträger (in kleinen und mittleren Unternehmen regelmäßig die Geschäftsleitung, in großen Unternehmen ggf. für nicht grundlegende Maßnahmen die Bereichsleitungen),
- Controlling (Umsetzung, Zielerreichung, Kosten, Budgeteinhaltung) der Digitalisierungsprozesse.

Auf Seite 2 lesen Sie die Abschnitte: Auswirkungen für die Beschäftigten; Unternehmen müssen ein Wissensmanagement  implementieren; Aus- Und Weiterbildung; Rechtlicher Handlungsbedarf.

4. Auswirkungen für die Beschäftigten

Die fortschreitende Digitalisierung führt zu ständigen Veränderungsprozessen im Unternehmen. Im Fokus der Unternehmen sollte daher stehen, den Beschäftigten vorhandene Berührungsängste und Vorbehalte zu nehmen.

Von besonderer Bedeutung sind dabei Fragen des „Change-Managements“. Den Beschäftigten muss verdeutlicht werden, dass Änderungen der Prozesse und Arbeitsinhalte einerseits unausweichlich sind, andererseits für ihre Tätigkeiten neue Chancen bieten und diese bereichern können. Die Mitarbeiter sollten in Veränderungsprozesse so früh wie möglich eingebunden werden, mit dem erkennbaren Ziel die Arbeitsplätze zu sichern und an veränderte Anforderungen anzupassen. Gesundheitliche Aspekte der Arbeit mit digitalen Medien sind zu berücksichtigen und transparent zu kommunizieren.

Die Beschäftigten sind für neue Aufgaben, die sich aus der Digitalisierung ergeben, aus- und weiterzubilden. Es sollte darauf geachtet werden, dass neue IT-Systeme möglichst anwenderfreundlich und aus sich heraus verständlich sind. Hier gilt es, bedarfsgerechte Schulungsprogramme zu implementieren, die die unterschiedliche technische Affinität von Beschäftigtengruppen berücksichtigen (z.B. Generation Y versus ältere Jahrgänge).

In den Unternehmen ist hierzu ein Wissensmanagement zu implementieren

Die Personalverantwortlichen müssen als zentrale Schnittstelle zwischen Unternehmensleitung, Fachvorgesetzten und Mitarbeitern die Notwendigkeit der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung kontinuierlich prüfen und umsetzen. Da die Halbwertszeit von Wissen im Zuge der Digitalisierung abnehmen wird, ist insoweit eher auf das Angebot flexibler Schulungsprogramme zurückzugreifen. Dazu eignen sich insbesondere E-Learning-Angebote, da diese schnell und ortsunabhängig abrufbar sind. Die notwendigen Kompetenzen sind sicherzustellen und für die nachhaltige Nutzung im Unternehmen – z.B. im Zuge eines strategischen Nachfolgemanagements – zu dokumentieren.

In diesem Kontext kommt den Akademien als Dienstleister der Unternehmen große Bedeutung zu. Um eine zielgerichtete Aus- und Weiterbildung zu gewährleisten, ist eine enge inhaltliche Abstimmung zwischen Unternehmen und Akademien unerlässlich. Die Unternehmen müssen den Akademien rechtzeitig ihren Aus- und Weiterbildungsbedarf mitteilen, die Akademien ihrerseits schnell auf geänderten Bedarf reagieren und flexible Lernangebote unterbreiten.

Unerlässlich für ein funktionierendes Wissensmanagement ist schließlich ein Aus- und Weiterbildungscontrolling. Es muss stets geprüft werden, ob die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zielführend gewesen sind.
Flexible Beschäftigungs- und Arbeitsformen werden zunehmen und aktiv von Beschäftigten eingefordert werden. Hierzu gehören unter anderem die Möglichkeit von Home-Office-Tätigkeiten, Crowd-Working, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Sabbatical-Modellen. Angebote flexiblen Arbeitens sind bedarfsorientiert zu entwickeln und in Betriebsvereinbarungen zu regeln.

5. Rechtlicher Handlungsbedarf

Viele Änderungen, die die Digitalisierung mit sich bringen wird, stoßen derzeit noch an rechtliche Grenzen. Das betrifft z.B. Fragen der Arbeitszeit, des Arbeitsschutzes, des Datenschutzes und der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Die Digitalisierung führt oftmals zu einer Verlagerung von Arbeit aus dem physischen Unternehmensgebäude heraus in den privaten Bereich des Arbeitnehmers (z.B. Home-Office). Zudem ist zu erwarten, dass Beschäftigte zukünftig auch private Sachmittel (z.B. Smartphone, Tablet) zur Erledigung von Arbeitsaufgaben nutzen werden (Stichwort: Bring your own device!). Dies berührt steuerrechtliche Aspekte sowie Fragen des Datenschutzes, die nach einer Regelung verlangen.

Der Gesetzgeber ist gefordert, durch Flexibilisierung von gesetzlichen Regelungen die Möglichkeiten zu schaffen, die die Digitalisierung zur Optimierung von Prozessen und Leistungen bietet. Die Flexibilisierung von gesetzlichen Regelungen hat in Deutschland bis heute jedoch keine Tradition. Insofern ist ein Umdenken dringend notwendig.

Das vom Bundesarbeitsministerium (BMAS) dazu vorgelegte Weißbuch “Arbeiten 4.0“ (siehe Homepage des BMAS) ist angesichts der zu erwartenden Entwicklungen inhaltlich unzureichend. Insbesondere das Arbeitsrecht (tägliche/wöchentliche Höchstarbeitszeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen), der Datenschutz (Entbürokratisierung) und das Betriebsverfassungsrecht (Beschleunigung von Beteiligungsverfahren) bedürfen dringend der Anpassung an die aktuellen und zukünftigen Gegebenheiten.

Weiterlesen:
Wohnungsunternehmen sehen ihr Geschäftsmodell nicht gefährdet
Fachkräftemangel verschärft sich
KfW fördert Digitalisierungsvorhaben
Große Wohnungsunternehmen unter der Modernisierungs-Lupe

DOSSIER der Fachzeitschrift IVV immobilien vermieten & verwalten: Digitalisierung - Themen, Termine, Tricks & Tipps


 

 

 

Weiterführende Links:
http://www.agv-online.de

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