Das vorläufige Ende des Schweinezyklus

Die Bauwirtschaft ist eigentlich den konjunkturellen Schweinezyklus gewöhnt. Die Firmen kennen nur himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Seit sieben Jahren ist es anders. Seit 2010 steigen Aufträge und Umsätze Jahr für Jahr. Und alle Prognosen sagen, dass es in der überschaubaren Zukunft weiter bergauf gehen wird.

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Seit 2010 steigen Aufträge und Umsätze im Baugewerbe Jahr für Jahr. FOTO: PIXABAY
Seit 2010 steigen Aufträge und Umsätze im Baugewerbe Jahr für Jahr. FOTO: PIXABAY

Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie geht davon aus, dass 2018 das achte aufeinanderfolgende Jahr mit einem Umsatzplus im Bauhauptgewerbe sein werde. Auch das ausgehende Jahr sei uneingeschränkt positiv zu bewerten. Bis Juli 2017 verzeichneten die Betriebe des Bauhauptgewerbes ein Umsatzplus von 10,4 Prozent. Besonders positiv sei, dass von diesem Aufschwung alle Bausparten mit deutlichen Wachstumsraten profitierten. Mit 11,2 Prozent die größte Umsatzsteigerung verzeichnete von Januar bis Juli der Wohnungsbau, gefolgt vom Wirtschaftsbau (10,4 %) und vom Öffentlichen Bau (9,7 %). Auch die Aussichten seien positiv, denn verglichen mit dem Vorjahr erhöhten sich die Auftragseingänge im genannten Zeitraum um weitere 5,8 Prozent. Die Auftragsbestände erreichten zur Jahresmitte einen neuen Rekordwert von 42,5 Milliarden Euro. Das sei, so Michael Knipper, ein Plus von 17,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt.

Die Bauindustrie erwartet für 2018 ein gleichbleibendes Wachstumstempo und ein Umsatzplus von 5,5 Prozent. Trifft diese Entwicklung tatsächlich ein, dürfte die Bauwirtschaft mit rund 120 Milliarden Euro den höchsten Branchenumsatz seit 20 Jahren erzielen.

Erstaunlich: Noch kein Mangel an Arbeitskräften

Der Hauptverband der Bauindustrie erwartet im laufenden Jahr eine weitere Zunahme der Beschäftigung um zwei Prozent auf 796.000 Personen. Das wären 15.000 mehr als im Jahr 2016 und 91.000 bzw. 13 Prozent mehr als zum Tiefpunkt im Jahr 2009. Die Branche rechne damit, die Marke von 800.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen zu überschreiten. So viele Menschen waren zuletzt 2003 auf Baustellen in Deutschland beschäftigt.

Erstaunlich ist, dass Verbandsfunktionär Knipper seine Bilanz nicht mit Klagen über einen Fachkräftemangel verdunkelte. Noch könne die Branche die zunehmende Nachfrage nach Arbeitskräften aus der Arbeitslosenreserve, dem gewerblichen Nachwuchs, den Hochschulabsolventen und der Zuwanderung decken. Gegen den allgemeinen Trend konnten 2016 etwa 12.000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen werden, zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ausländischen Pass lag im September 2016 bei 116.000. Das seien 15.500 Baukräfte mehr gewesen als 2015. Seit Beginn des Bauaufschwungs habe sich deren Zahl mehr als Verdoppelt.

Expo Real spiegelt die Hochstimmung der Investoren

Derweil meldet auch die Münchner Investorenmesse Expo Real (4. bis 6. Oktober 2017) beste Stimmung und Rekordzahlen. 2003 Unternehmen, Städte und Regionen aus 35 Ländern haben ausgestellt – 13 Prozent mehr als 2016. Und mehr als 41.500 Messebesucher bedeuten ein Plus von etwa sechs Prozent. Der Immobilienboom werde vor allem durch die niedrigen Zinsen befeuert und eine Kehrtwende sei aktuell nicht in Sicht. Dies bestätigte auf der Messe auch Prof. Clemens Fuest vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung. „Zwar werde „die aktuelle wirtschaftliche Erholung in der Eurozone die Zinsen langsam ansteigen lassen, aber die hohe Verschuldung steht einer durchschlagenden und zügigen Zinswende entgegen“.

Statistiker registrieren deutliche Preissteigerungen

Ein kräftiger Wirtschaftsaufschwung bringt die Verknappung von Dienstleistungen und Waren mit sich. In der Folge steigen die Preise. Im Oktober meldete sich das Statistische Bundesamt zu Wort. Danach sind Preise für den Neubau von Wohngebäuden in Deutschland im August 2017 gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,1 Prozent gestiegen. Das sei der höchste Anstieg der Baupreise seit neun Jahren. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte, hatte die Preissteigerung im Mai 2017 im Jahresvergleich bei 2,8 Prozent gelegen. Vom Mai auf August 2017 erhöhten sich die Baupreise um 0,7 Prozent.
Der Blick auf einzelne Gewerke ergibt folgendes Bild: Die Preise für Rohbauarbeiten an Wohngebäuden stiegen von August 2016 bis August 2017 um drei Prozent (Erdarbeiten: +4,6 %, Klempnerarbeiten: +3,9 %; Gerüstarbeiten: +3,7 %).

Kritik an Konzentration auf teure Eigentumswohnungen

Kritiker des Baubooms verweisen unter anderem darauf, dass in Deutschland vor allem teure Eigentumswohnungen errichtet würden. Dieses Argument kommt sogar aus den eigenen Reihen. Dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte Projektentwickler Christoph Gröner erklärt, die Bauwirtschaft konzentriere sich auf das obere Fünftel der Bevölkerung, das fast jeden Preis zahlen könne. Die Branche verstehe es dagegen nicht, kostengünstig zu bauen. Dagegen verwahren sich Bau- und Wohnungswirtschaft mit Hinweis auf die zahlreichen staatlichen Bauvorschriften und den Mangel an bezahlbaren Baugrundstücken in den Ballungszentren.

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Zum Mangel an bezahlbaren Mietwohnungen äußerte sich auch Michael Knipper für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Er verwies darauf, dass sich der Quadratmeterpreis für baureifes Land in den Großstädten seit 2009 auf 700 Euro mehr als verdoppelt habe. Ein weiterer Bremsklotz beim Wohnungsbau bleibe die Energieeinsparverordnung 2016. Sie habe die Investitionskosten im Neubau nochmals um neun Prozent erhöht. Auf das Inkrafttreten der EnEV 2016 sei auch der Rückgang bei den Wohnungsbaugenehmigungen um 4 Prozent (Zeitraum Januar bis Juli 2017) zurückzuführen.

Ernüchternd sei auch der Blick auf den viel zu langsamen behördlichen Genehmigungsprozess. Es räche sich, dass in den Bauplanungsämtern der Kommunen seit Beginn der 1990er Jahre das Personal um rund ein Drittel reduziert worden sei.

Aber immerhin: Trotz dieser Hindernisse ist der Wohnungsbau die Sparte, die seit Jahren am stärksten zum Wachstum der Branche beitrage. „Wir werden die Zahl der Wohnungsfertigstellungen seit ihrem Tiefpunkt 2009 auf rund 320.000 Einheiten im laufenden Jahr verdoppeln.“

Autor: Thomas Engelbrecht

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