Assistenzsysteme machen soziale Isolation erträglicher

Neun Wohnungsunternehmen aus mehreren europäischen Staaten haben testweise 150 Pilothaushalte mit Assistenzsystemen ausgestattet und die Mieter nach den Erfahrungen befragt. Die Ergebnisse des EU-geför­derten Projektes „I-stay@home“ liegen jetzt vor. Generell lässt sich festhalten: AAL-Systeme steigern die Lebensqualität der älteren Menschen.

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Assistenzfunktionen lassen sich über ein Tablet einschalten: Schon heute nutzen viele Senioren das Internet im Alltag. FOTO: I-stay@home
Assistenzfunktionen lassen sich über ein Tablet einschalten: Schon heute nutzen viele Senioren das Internet im Alltag. FOTO: I-stay@home

Wohnungs- und Immobilienunterneh­men werden im Zuge des demogra­fischen Wandels mit der Herausfor­derung konfrontiert, auch älteren Mietern ein langes selbständiges Leben in den eige­nen vier Wänden zu ermöglichen. Neueste AAL-Systeme sollen die Branche dabei un­terstützen. I-stay@home, ein von der Euro­päischen Union gefördertes Verbundvorha­ben unter Beteiligung von 13 europäischen Partnern, testete IT-gestützte Lösungen in der Praxis. Die Ergebnisse des vierjährigen Forschungsprojekts wurden auf einer Ab­schlusskonferenz in Brüssel präsentiert.

Für das Forschungsprojekt „I-stay@home“ gewannen die Partner zunächst 185 ihrer älteren oder behinderten Mieter aus Groß­britannien, Frankreich, Belgien, Deutsch­land und den Niederlanden. Zeitgleich recherchierte die Forschungsge­meinschaft nach vielversprechenden tech­nischen Assistenzsystemen aus nordwest­europäischen Ländern und evaluierte sie unter Berücksichtigung der Punkte „Sicher­heit“, „Gesundheit“ und „Energiever­brauch“. Die Top-20-Produkte wurden dann in Test-Wohnungen integriert und dem Pra­xistest unterzogen.

Mieter testen AAL-Systeme
Insgesamt wurden 150 Pilothaushalte von neun verschiedenen Wohnungsunterneh­men in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und England für die Dauer von sechs Monaten mit Produkten der Kategorien „Hausautomation“, „Kom­munikation“, „Sicherheit“, „Telemedizin“ und „Assistenz“ ausgestattet. Darunter Produkte wie Notrufarmbanduhren oder elektronische Herdüberwachung. Zudem wurden vor und nach der Testphase Inter­views mit den Mietern durchgeführt.

„Über die Hälfte der Teilnehmer sagte wäh­rend des Projektverlaufs aus, dass die Nut­zung der ISAH-Technologie dazu beigetragen habe, ihre Lebensqualität positiv zu beein­flussen und sie mit der ISAH-Technologie zu­frieden bis sehr zufrieden seien“, sagt Prof. Dr. Viktor Grinewitschus, Forschungsleiter von I-stay@home und Inhaber der Techem-Stiftungsprofessur für Energiefragen der Im­mobilienwirtschaft an der EBZ Business School. Der Forschungsleiter verfügt über einen großen Erfahrungsschatz in den The­menbereichen „Intelligentes Wohnen“ als auch „Vernetzung von Wohnungswirtschaft und Technik“.

Grinewitschus hatte bereits als Leiter des Fraunhofer-inHaus-Zentrums mehr als zehn Jahre lang Anwender beim Ein­satz der intelligenten Haustechnik beraten. Besonders für Menschen mit „einigen“ und „wenigen“ Freunden, die tendenziell sozial isoliert leben, stellten die AAL-Systeme eine Steigerung der Lebensqualität dar. Gleiches gilt für kinderlose Mieter. Rund 70 % der befragten Teilnehmer wären dazu bereit, für die von Seiten der Wohnungsunternehmen zur Verfügung gestellten Technologien zu zahlen. Die durchschnittliche Zahlungsbe­reitschaft liegt dabei bei einer einmaligen Investition von rund 172,00 € bzw. einer monatlichen Rate von 15,00 €.

Zukunftsweisende Erkenntnisse für die Branche
Es konnte bewiesen werden, dass die Zu­friedenheit der Mieter nicht nur davon ab­hängig ist, ob neue Technologien die per­sönliche Unabhängigkeit fördern, sondern auf der anderen Seite der vom Wohnungs­unternehmen erbrachte Service, also das „Kümmern“, eine immanente Rolle spielt. Diese Investitionen lohnen sich, denn Mie­ter, die besonders zufrieden mit der ISAH-Technology sind, tendieren dazu, den Ser­vice des Wohnungsunternehmens ebenfalls mit gut bis sehr gut zu bewerten. So trägt der Service des Wohnungsunternehmens zur persönlichen Zufriedenheit bei.

Eine übersichtliche Aufstellung der Betriebskosten bietet dieses Formular, aber auch umfangreiche Beispiele für weitere Kosten, die auf den Mieter im Mietvertrag umgelegt werden dürfen. Dies sind im Geschäftsraummietvertrag mehr Betriebskostenarten als im Wohnraum...

„Das Projekt beantwortete viele ungeklärte Fragen und gibt den Wohnungsunterneh­men Sicherheit, dass AAL-Systeme bei den älteren Mietern gut ankommen. Nun müs­sen die Systeme weiter in die Praxis getra­gen werden, denn unsere Befragung ergab auch, dass potenzielle Nutzer und Woh­nungsunternehmen die Systeme nicht ken­nen und ihren Nutzen daher nur schwer einschätzen können. Zudem müssen Finan­zierungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Ko­operation mit Krankenkassen, Pflegeversi­cherungen und Wohnungsunternehmen ge­funden werden“, so Prof. Grinewitschus.

„Ein nächster Schritt wird nun der Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis sein. So werden wir unsere Erfahrungen in einem konkreten, praxisbezogenen Bera­tungskonzept zusammenfassen und zu­künftig Hersteller, Wohnungsunternehmen und letztendlich auch Nutzer bei der Reali­sierung von Assistenzlösungen unterstüt­zen“, erklärt Friederike Külpmann.

Hintergrund
Im Jahre 2011 schlossen sich neben der EBZ Business School, Bochum, und dem isen École d’Ingenieurs als weiterer Hochschule neun Wohnungsunternehmen aus fünf eu­ropäischen Ländern zusammen, um den Einsatz intelligenter Geräte für die Unter­stützung von älteren Mietern zu erforschen und Lösungen kostengünstig und effizient umzusetzen. Darunter auch die Joseph-Stif­tung und die Rheinwohnungsbau GmbH aus Deutschland. Als technische Partner betei­ligten sich Aareon France SAS, Foundation Smart Homes, Intent Technologies sowie die SOPHIA living network GmbH.

Autorin: Margarethe Danisch, EBZ - Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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