Interview mit Andreas Ibel, Präsident des BFW

Digitalisierung: „Der Wandel ist ein Weg der kleinen Schritte“

Die Digitalisierung ist angeblich die große Triebfeder der Veränderung. Ständig gibt es Apelle zum Aufbruch. Andreas Ibel, Präsident des BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, zeigt sich im Interview mit der IVV realistisch: Der digitale Wandel erfolgt im Schritttempo.

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BFW-Präsident Andreas Ibel ist im Hauptberuf Geschäftsführer des Hamburger Projektentwicklungsunternehmens AIREA Immobilien GmbH. FOTO: BFW
BFW-Präsident Andreas Ibel ist im Hauptberuf Geschäftsführer des Hamburger Projektentwicklungsunternehmens AIREA Immobilien GmbH. FOTO: BFW

Findet der Wandel in den Unternehmen statt oder wird er von außen oktroyiert?

Wie in anderen Branchen auch findet die. digitale Veränderung in einigen Unternehmen statt, bei anderen steckt sie noch in den Kinderschuhen. Die einen sind offen, die anderen sehen ein Risiko. Wichtig finde ich, dass man in der Digitalisierung eher Chancen als Risiken sieht. Viele Dinge sind noch zu klären. Wie gehen wir mit dem Datenschutz um, Mitarbeiter müssen qualifiziert werden, und die Schnittstellen zu anderen Unternehmen sind ein Thema. Wir können uns dem Wandel nicht entziehen. Die Zeit des analogen und sektoralen Denkens ist vorbei.

Worüber hat das BFW-Digitalisierungsforum im März in Hamburg diskutiert? Was war neu?

Die Digitalisierung ist ein Prozess der kleinen Schritte. Es handelt sich um ein Best-Practice-Thema. Die Implementierung von Planungs-und Bauprozessen scheitert manchmal an den Kosten und der Software-Lösung, vor allem aber an Bauauflagen und den Verwaltungsverfahren. Theoretisch kann ich einen Bauantrag digital einreichen, in Praxis aber haben die Genehmigungsbehörden noch nicht die richtigen Rechner mit ausreichend Kapazitäten dafür.

Gibt es Erfahrungen zu den digitalen Investitionskosten?

Die Höhe der Kosten ist einer der Gründe für die abwartende Haltung vieler Unternehmen. Viele Investitionen amortisieren sich erst nach einer gewissen Zeit. Wenn es um die automatische Übertragung von Daten, das Einlesen oder die Buchung geht, erfolgt die Amortisation sehr zügig. Sehr schwer tun wir uns dagegen bei der Optimierung von Bauplanungsprozessen. Im Hochbau gibt es bislang kaum Planungen in Building Information Modeling (BIM).

Glauben Sie, dass digitale Werkzeuge das Bauen kostengünstiger machen können?

Architekten erstellen ihre Pläne heute selbstverständlich digital und schicken die Plandaten digital hin und her. Das ist natürlich eine große Veränderung. Aber die Verknüpfung mit Handwerksbetrieben und anderen Baubeteiligten − so weit sind wir eben noch nicht. Erschwerend wirkt, dass wir permanent neue Gesetze bekommen, die wir mit Genehmigungsbehörden abstimmen müssen, die in der Regel eben nicht digital arbeiten. Unter diesen Bedingungen wird Bauen durch den Einsatz digitaler Werkzeuge momentan noch nicht automatisch günstiger.

Ist das die große Hürde bei der Einführung von BIM?

Es arbeiten z.B. in Hamburg derzeit noch sehr wenige Unternehmen mit BIM und auch nicht in der vollständigen Tiefe als Managementwerkzeug. BIM gelingt zurzeit eher im Tiefbau. In der Projektentwicklung von Wohngebäuden ist BIM bislang eher eine Ausnahme. Man müsste vorher sehr genau wissen, was man baut. Aber in der Praxis ist es nach wie vor so, dass man in der Bauphase vieles ändert, und dann lohnt es sich eben doch noch nicht.

Dieser neuen Form der digitalen Kollaboration werden ja sagenhafte Vorteile zugeschrieben, wie etwa die Reduktion von Planungsfehlern und verlässliche Bauzeiten. Bestätigen sich diese Versprechen also in der Praxis nicht?

Man muss hier differenzieren. Für uns Bauträger und Projektentwickler ist BIM noch eher ein untergeordnetes Thema. Im Tiefbau ist die Situation anders. Wenn ein Un-ternehmen zum Beispiel die immer gleichen Brücken baut, lässt sich BIM viel einfacher und standardisierter einsetzen. Im Wohnungsbau dagegen haben wir es in jedem Bundesland mit unterschiedlichen Bauvorschriften für Gebäude zu tun. Zusätzlich ändern sich die EnEV-Vorschriften ständig.

Spielt die Ausstattung mit Smart Home Technik beim Verkauf hochwertiger Eigentumswohnungen eine messbare Rolle?

Bislang ist die Rolle noch sehr gering. Entscheidend sind die Lage, die Art der Wohnung und die Rendite. Viele Käufer sind skeptisch. Was passiert zum Beispiel bei Stromausfall?

Auf dem BFW-Digitalisierungsforum hat ein großer Verwalter berichtet, dass er jüngst neun Wohnanlagen in Betrieb genommen habe und nur in ein oder zwei Anlagen sei Smart Home Technik eingebaut worden. Wir müssen weiter daran arbeiten, die Skepsis vieler Nutzer aufzubrechen und die Vorteile nutzbar zu machen. Es gibt die Sorge, dass die Technik nicht funktioniert. Da sind wir als Projektentwickler lieber auf der sicheren Seite. Wir wollen solide Objekte verkaufen oder vermieten.

Wenn wir sehen, dass eine Technik dauerhaft sicher funktioniert, dann werden wir sie natürlich auch einbauen. Wer heute seine Heizung über das Smartphone regeln möchte, kann keinen großen Unsinn anstellen, aber wenn es um die Schließtechnik geht, werden die Menschen doch skeptisch und entscheiden sich noch immer für den herkömmlichen Haustürschlüssel.

Herr Ibel, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Thomas Engelbrecht.

► Die Langfassung des Interviews finden Sie in der Fachzeitschrift IVV immobilien vermieten & verwalten, Ausgabe 05/2017.
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VIDEO: IVV-Interview mit Alexander Rychter, Direktor des VdW Rheinland Westfalen: "Wir brauchen ein eigenständiges Bundesbauministerium."

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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