Entscheidungen rund um die Ausschlussfrist

Der BGH und die Instanzgerichte sind in vielen Bereichen damit beschäftigt, „Licht ins Dunkel der Mietrechtsreform vom 1. September 2001“ zu bringen. Obwohl Jahre vergangen sind, gibt es immer noch Probleme, die höchstrichterlich geklärt werden müssen.

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Hierzu zählen auch Fragen rund um die Ausschlussfrist, insbesondere ob diese bei der Geschäftsraummiete anwendbar ist bzw. welchen Umfang diese Frist hat.

Grundlagen
Vielen ist bekannt, dass mit der Mietrechtsreform durch § 556 Abs. 3 Satz 2, 3 BGB eine dem § 20 Abs. 3 Satz 4 NMV entsprechende neue Abrechnungsfrist bei der Wohnraummiete für Betriebskosten eingeführt wurde, wonach der Vermieter nach Ablauf einer Jahresfrist keine Nachforderungen mehr vom Mieter erheben und mit diesen auch nicht die Aufrechnung erklären kann.
Der Fall des Ausschlusses der Nachforderung ist zu trennen von dem Fall, dass der Mieter keine Vorauszahlungen geleistet hat. Aufgrund einer nach Ablauf der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB erteilten Betriebskostenabrechnung kann der Vermieter Betriebskosten bis zur Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen des Mieters auch dann verlangen, wenn der Mieter diese Vorauszahlungen nicht erbracht hat und es sich insoweit nicht um Nachfor-derungen im Sinne der Vorschrift handelt. Auf ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht wegen unterbliebener Betriebskostenabrechnungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. (BGH ZMR 2008, 38)
Andernfalls würde das Unterlassen der fristgerechten Betriebskostenabrechnung zum völli-gen Verlust des Aufwendungsersatzanspruches des Vermieters führen. (BGH ZMR 2008, 38, BGH ZMR 2005, 439)

Problem
Abrechnungsfristen im Geschäftsraumrecht: Im Gegensatz zur Wohnraummiete sind bei der Geschäftsraummiete die Umlage- und Abrechnungsmodalitäten gesetzlich nicht geregelt. Die einschlägige Vorschrift in § 578 Abs. 2 BGB verweist nicht auf die Ausschlussfrist des Wohnraummietrechts in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB. Dieses Schweigen wird unterschiedlich gedeutet:
Meinung 1
Die Ausschlussfrist gilt analog.
(AG Wiesbaden NZM 2006, 140; LG Darmstadt InfoM 2009, 330)
Argument ist die Rechtssicherheit, die insbesondere im Geschäftsraummietrecht entsprechend Anwendung finden sollte.
Meinung 2
Die Ausschlussfrist gilt nicht entsprechend.
(OLG Köln ZMR 2007, 115 KG; ZMR 2007, 449 ;OLG Düsseldorf GuT 2007, 301; LG Nürnberg/Fürth InfoM 2008, 70)

Entscheidung
Der BGH urteilte: § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der für die Wohnraummiete den Ausschluss von Betriebskostennachforderungen anordnet, die der Vermieter später als 12 Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraums verlangt, ist auf die Geschäftsraummiete nicht analog anwendbar. Die Nichterwähnung dieser Problematik in den Geset-zesmaterialien stellt keine planwidrige Gesetzeslücke dar, die im Wege der Analogie ge-schlossen werden müsste. Der Gesetzgeber habe durch „gezielte Auswahl“ der auf die Ge-schäftsraummiete anwendbaren Vorschriften deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Ausschlussfrist für Geschäftsraummiete nicht gelten soll. (BGH IMR 2010, 90)

Problem
Es stellt sich die Frage, ob und welche Abrechnungsfristen bei der Geschäftsraummiete gelten. Ebenfalls stellt sich die Nachfolgefrage, welche Folgen eine etwaige Fristversäumung im Geschäftsraummietrecht hat.

Entscheidung
Soll der Vermieter von Geschäftsraum über Nebenkosten lt. Vertrag einmal jährlich abrech-nen, wird lediglich der Abrechnungszeitraum auf das Kalenderjahr festgelegt, jedoch keine Frist vereinbart, innerhalb derer der Vermieter nach Ablauf des Abrechnungszeitraums die Abrechnung erteilen soll.
Der Vermieter von Geschäftsraum ist zur Abrechnung über die Nebenkosten, auf die der Mie-ter die Vorauszahlung geleistet hat, innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet. Die Frist endet regelmäßig zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums. Bei der Bestimmung der angemessenen Frist dem Interesse der Mietvertragsparteien an einer alsbaldigen Klarheit über die ständig neu entstehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten Rechnung zu tragen. Außerdem ist darauf abzustellen, welchen Zeitraum der Vermieter benötigt, um die Abrechnung zu erteilen. Dafür ist von Bedeutung, wann ihm die Abrechnungsunterlagen vorliegen.
Folge des Ablaufs der angemessenen Frist ist nur, dass der Mieter den Vermieter auf Ertei-lung der Abrechnung in Anspruch nehmen kann und keine weiteren Nebenkostenvorauszah-lungen mehr erbringen muss. (BGH IMR 2010, 91)

Praxiskommentar
Sowohl bei preisgebundenem Wohnraum als auch bei preisfreiem Wohnraum ist der Vermieter nun verpflichtet, innerhalb von 12 Monaten nach Ende der Abrechnungsperiode über die vom Mieter geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen abzurechnen. Wird die Frist vom Vermieter versäumt, verliert er nach §§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, 20 Abs. 3 Satz 4 NMV den Anspruch auf etwaige Nachforderungen. Selbst eine Aufrechnung gegen Forderungen des Mieters scheidet nach Fristablauf aus, da es sich um einen Fall der Ausschlussfrist und nicht der Verjährung handelt.
Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn der Vermieter die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hat. Hierbei gilt, dass der Vermieter Vorsatz und Fahrlässigkeit gemäß § 276 BGB zu vertreten hat. Für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB hat er wie für eigenes Verschulden einzustehen. Dabei wird die Rechtsprechung vermutlich kaum zwischen verschiedenen „Vermietertypen“ differenzieren, so dass nicht nur von der professionellen Hausverwaltung, sondern auch vom Laien bei der Erfüllung gesetzlicher Verpflich-tungen im Zweifel Rechtsrat einzuholen ist. (1)
Umstritten ist, ob Einwendungen des Wohnungsmieters gegen Betriebskostenabrechnungen für jedes Abrechnungsjahr neu geltend gemacht werden müssen.

Entscheidung
Der BGH erklärt, dass Einwendungen für jedes Abrechungsjahr neu geltend gemacht werden müssen, auch wenn es sich der Sache nach um die gleiche Einwendung handelt (hier Grundsteuer). Ziel des Gesetzes ist es, durch Fristablauf Klarheit über die Ansprüche aus der Betriebskostenabrechnung für ein bestimmtes Jahr zu erlangen. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn frühere Einwendungen für spätere Abrechnungen weiter gelten sollten. (BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az.: VIII ZR 185/09)

Problem
Umstritten war, ob es bei der Betriebskostenabrechnung schädlich ist, wenn die Erfassungszeiträume für die verschiedenen Kostenarten nicht übereinstimmen und zu welchem Zeitpunkt die Ausschlussfrist beginnt, wenn der Zeitraum für die Heizkostenerfassung früher endet als der Zeitraum für die übrigen Betriebskosten.

Entscheidung
Eine Betriebskostenabrechnung ist nicht formell unwirksam, wenn sie auch solche Kostenarten einbezieht (hier: Heizungs- und Warmwasserkosten), die nicht in dem Abrechnungszeit-raum für die übrigen Kostenarten entstanden sind (hier: Kalenderjahr), sondern in einem abweichenden Erfassungszeitraum (hier: Heizperiode vom 01.08. eines Kalenderjahres bis 31.07. des Folgejahres). Anders ist es, wenn sich der Vermieter verpflichtet hat, gesondert abzurechnen. (BGH InfoM 2008, 366)

Praxiskommentar 1
Der Vermieter ist nicht verpflichtet, die Verbrauchsabrechnung durch Schätzung oder durch zusätzliche Messgeräte auf das Kalenderjahr umzurechnen. Der Vermieter ist auch nicht zur getrennten Heizkostenabrechnung verpflichtet.
Die einjährige Ausschlussfrist beginnt auch dann erst mit dem Ende des Abrechnungszeitraums (hier: Kalenderjahr), wenn in der maßgeblichen Abrechnung solche Kosten eingestellt sind, für die ein anderer früher endender Verbrauchserfassungszeitraum gilt (hier: Heizperio-de 01.08. – 31.07.) [BGH InfoM 2008, 367]

Praxiskommentar 2
Die häufige in Mietverträgen anzutreffende Trennung der Vorauszahlungen für Heizung- und Warmwasserkosten von den übrigen Betriebskosten führt nicht zu einer Pflicht zur getrennten Abrechnung. Es kommt für den Beginn der Ausschlussfrist auf die Gesamtabrechnung an.

Fazit
Zusammengefasst zeigen die Entscheidungen, dass immer noch erheblicher Erklärungsbedarf im Zusammenhang mit der Ausschlussfrist besteht. Erfreulicherweise hat der BGH für den Vermieter geklärt, dass diese strenge Regelung bei der Geschäftsraummiete keine Anwendung findet. Dennoch bleibt eine Nichtabrechnung nicht gänzlich folgenlos. Es besteht hier Vertragsgestaltungsbedarf. Im Wohnraummietrecht greift die Ausschlussfrist mit ihrer „Fallbeilwirkung“. Nachforderungen des Vermieters sind abgeschnitten. Allgemein kann Vermietern empfohlen werden, Betriebskostenvorauszahlungen regelmäßig anzupassen, damit erst gar keine „Ausfallmöglichkeit“ eintritt. Dort, wo keine Nachforderung möglich ist, kann auch keine Nachforderung verloren gehen. Im Eigeninteresse sollte mög-lichst frühzeitig abgerechnet werden, alleine schon aus Liquiditätsgründen. Zudem zeichnet sich schnell ab, wer bei bestimmten Wirtschaftseinheiten ein „Problemmieter“ ist. Hier ist unbedingt auf rechtzeitigen Zugang zu achten.

Dr. Andres Stangl

Literatur
(1) Lützenkirchen, Zich, Vermieterstrategien zur Vermeidung der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 BGB, MietRB 2004, 120, 121

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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