Erbschaft- und Schenkungsteuerreform bei Immobilien

Die Hintergründe der Erbschaftsteuerreform sind bekannt: Der seitens des Bundesverfassungsgerichtes festgestellte Grundgesetzverstoß musste bis Ende 2008 geheilt werden, sonst ist die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen in 2009 Geschichte.

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Betrieb

Die Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuer bei Unternehmen wird hier weitestgehend außen vor gelassen werden, da die Immobilien im Vordergrund stehen sollen. Erwähnt seien aber Wohnungsunternehmen: Sie können nun unter die allgemeinen Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen fallen, wenn ein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb benötigt wird. Kriterium ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern. Darüber will der Gesetzgeber die Abgrenzung zur Vermögensverwaltung vollziehen, wobei weitere Details der Regelung noch im Verwaltungswege geklärt werden sollen. Klar sind hingegen die Steuersätze und Freibeträge.

Selbstgenutzte Wohnimmobilie

Die Schenkung (wohlgemerkt nur die Schenkung) einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie (Familienwohnheim) an den Ehegatten fällt schon aufgrund des bisherigen Rechtes ganz unter die sachliche Steuerbefreiung. Für die selbstgenutzte Wohnimmobilie wird nun auch beim Erwerb nach Todesfall eine neue Befreiung geschaffen.
Dann ist die Erbschaft der selbstgenutzten Wohnimmobilie für Ehegatten und Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftgesetzes steuerfrei, wenn das gemeinsame Heim vom überlebenden Ehegatten weiterhin genutzt wird. Der Wert und die Größe der Immobilie sind im Ehegattenerbfall vollkommen irrelevant, so dass auch die selbstgenutzte Immobilie am Starnberger See erbschaftsteuerfrei bleibt.
Zwei Kernvoraussetzungen der Steuerbefreiung gibt es:
1. muss der Erblasser darin bis zum Tod gewohnt haben.
2. muss der überlebende Ehegatte das Familienwohnheim auch selbst weiterhin zu eigenen Wohnzwecken als Erstwohnsitz nutzen.
Sofern die Eigennutzung jedoch innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall durch Verkauf, Vermietung oder Einrichtung des Zweitwohnsitzes aufgegeben wird, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend. Hier soll es zwar weiterhin zu einer Ausnahmeregelung kommen, wenn der überlebende Ehegatte aus zwingendem Grund an einer weiteren Selbstnutzung gehindert ist. Dies wird z.B. im Fall des notwendigen Umzuges in ein Pflegeheim gegeben sein.
Strittig ist jedoch, ob auch Fälle gedeckelt werden können, in denen der überlebende Ehegatte schlicht das bisherige Familienwohnheim verlässt, um der Einsamkeit zu entfliehen, und zu seinen Kindern zieht.
Weiterhin besteht Einigung über eine Variation der sachlichen Steuerbefreiung: Der Erwerb des Familienwohnheimes durch Kinder oder Enkel, deren Eltern bereits verstorben sind, ist auch steuerfrei, soweit das übergegangene Familienwohnheim 200 qm Wohnfläche nicht übersteigt. Voraussetzung ist, dass die Kinder oder Enkel das Familienwohnheim zehn Jahre nach dem Erbfall zu eigenen Wohnzwecken nutzen, auch wenn dies vor der Erbschaft nicht der Fall gewesen ist. Es muss daher ein unverzüglicher Umzug der Kinder oder Enkel in die geerbte Immobilie erfolgen.
Die Steuerbefreiung bleibt auf 200 qm Wohnfläche begrenzt. Sofern eine größere Immobilie geerbt wird, ist die übersteigende Fläche zu versteuern. Folgerichtig müssten bei einer 400 qm großen Immobilie, die von zwei Kindern bewohnt wird, auch 400 qm steuerfrei sein - das wird der Fiskus aber anders sehen.

Steuerstundung?
Aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes muss das Bewertungsziel der Reform der Verkehrswert der Immobilie sein. Der Gesetzgeber will jedoch verhindern, dass die vermietete oder selbstgenutzte Immobilie verkauft werden muss, damit die nötige Liquidität zur Begleichung der Steuer erreicht wird. Um dies zu vermeiden, kann die entstandene Steuer auf Antrag hin maximal zehn Jahre gestundet werden. Sofern es sich um den Erwerb von Todes wegen handelt, erfolgt die Steuerstundung sogar zinslos.
Es ist in diesem Zusammenhang zu erwarten, dass eine Steuerstundung nur in Frage kommt, wenn kein weiteres Vermögen vorhanden ist, um die Steuerschuld zu begleichen, und im Schenkungsfalle auch nicht der Schenker herangezogen werden kann.
Zudem sieht der Gesetzesentwurf für Grundbesitz auch noch eine Verschonungsregel vor: Grundstücke die zu Wohnzwecken vermietet sind, sich im Inland, der EU oder dem Europäischen Wirtschaftsraum befinden und nicht zu einem begünstigten Betriebsvermögen gehören, sind mit 90 % ihres Wertes anzusetzen. Mit dieser Verschonung will der Gesetzgeber - sic! - „die Investitionsfähigkeit privater Eigentümer erhöhen“. Wohlgemerkt mit einer Entlastung von 10 %! Aber auch hier aufgepasst: Wenn die Immobilie innerhalb von 15 Jahren verkauft wird, fällt die Steuerbelastung rückwirkend weg.

Bewertung von Grundvermögen

Die Nachbesserung für die Immobilienwirtschaft, die Begünstigungen für Familienwohnheime und die Stundungs- und Verschonungsregelungen sind sicherlich wichtige Punkte. Die wahre Musik spielt aber in der Bewertungsfrage der Immobilien. Während hier zunächst geplant war, die verschiedenen Bewertungsverfahren in einer Grundbesitzbewertungsverordnung zu regeln, hat man diesen Plan wieder fallen gelassen und die Einzelheiten zur Bewertung unmittelbar ins Bewertungsgesetz aufgenommen.
Es sind drei Methoden zu unterscheiden. Welches Verfahren dabei im Einzelfall zur Anwendung kommt ist kein Wunschkonzert, sondern bestimmt sich nach der Art der Immobilie.
1. So ist für Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser das Vergleichsverfahren maßgebend.
2. Sofern die gegenständliche Immobilie als Mietwohngrundstück, Geschäftsgrundstück oder gemischt genutztes Grundstück identifiziert werden kann, kommt das Ertragswertverfahren zum Tragen (auch wenn es eher schwer zu ertragen ist).
3. Das Sachwertverfahren ist bei sonstigen bebauten Grundstücken anzuwenden, und es bildet ein Auffangbecken für Immobilien, die eigentlich zu einer der anderen beiden Kategorien gehören, dort jedoch nicht bewertet werden können.

Vergleichswertverfahren

Beim Vergleichswertverfahren ist der Name Programm, denn hier soll die Bewertung anhand von Kaufpreisen für Immobilien ermittelt werden, die hinsichtlich der wertbeeinflussenden Faktoren mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend vergleichbar sind. In der Praxis wird hier wohl das kleine Wort „hinreichend“ zu erheblichen Problemen führen. Zwar versucht die Gesetzesbegründung, diese Praxisprobleme zu umschiffen, indem ausdrücklich erwähnt wird, dass keine absolute, sondern nur eine hinreichende Übereinstimmung gegeben sein muss - wenig hilfreich für die Praxis.
Grundlage für dieses Verfahren sollen die von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Vergleichspreise sein. Nachrangig können die Finanzbeamten jedoch auch auf im Amt vorliegende Unterlagen zu vergleichbaren Kauffällen zurückgreifen. Fehlen Preise, können Vergleichsfaktoren herangezogen werden.
Auch wenn das Verfahren zur Verwaltungsvereinfachung beitragen soll, ist es doch höchst zweifelhaft, ob dies tatsächlich erreicht wird. Vielmehr scheint es eher so, dass der Streit rund um die „hinreichende Vergleichbarkeit“ vorprogrammiert ist. Selbst wenn man als Beispiel eine Einfamilienhaussiedlung heranzieht, in der sämtliche Objekte wertidentisch sind, wird dies schon nach einigen Jahren keineswegs mehr der Fall sein.

Ertragswertverfahren

Es spielt bei Vermietungen die entscheidende Rolle.
Wie auch schon aus dem bisherigen Bewertungsverfahren bekannt, ist der Ausgangspunkt der Jahresrohertrag (Jahresmiete ohne Umlagen). Sofern eine Miete nicht vorhanden ist oder auch um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht (insbesondere Sachverhalte der verbilligten Vermietung an Angehörige), kommt die übliche Miete zum Ansatz. Unter üblicher Miete versteht man dabei wie bisher auch das, was normalerweise für Räumlichkeiten gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung gezahlt wird.
Der Jahresrohertrag wird in einem zweiten Schritt um die Bewirtschaftungskosten gekürzt, die sich entweder aus Erfahrungssätzen der Gutachterausschüsse ermitteln lassen oder in Ermangelung dieser pauschal aus Anlage 23 zum Bewertungsgesetz bestimmen. Die sich ergebende Summe nennt der Gesetzgeber Reinertrag des Grundstücks.
Wer an dieser Stelle glaubt, die Bewertung sei damit abgeschlossen, irrt. Denn nun ist noch die Bodenwertverzinsung bzw. der Liegenschaftszinssatz abzuziehen. Diesen erhält man wiederum entweder seitens der Gutachterausschüsse oder kann pauschale Prozentsätze in Abhängigkeit der Grundstücksart aus dem Gesetz entnehmen. Das Ergebnis ist der Gebäudereinertrag.
Der Gebäudereinertrag ist mit dem sich aus Anlage 21 zum Bewertungsgesetz ergebenden Vervielfältiger zu kapitalisieren. Maßgebend dafür sind zum einen der Liegenschaftszinssatz und zum anderen die Restnutzungsdauer, für deren Ermittlung (man höre und staune) wiederum auf eine Anlage des Bewertungsgesetzes (Nr. 22) zurückgegriffen werden muss. Das Ergebnis heißt Gebäudeertragswert.
Zum bewertungstechnischen Glück fehlt nur noch der Bodenwert, der sich aus der Multiplikation von Grundstückfläche und Bodenrichtwert ergibt und in Addition mit dem Gebäudeertragswert den Grundbesitzwert bildet. Sooo einfach kann Bewertung sein!

Ertragswertverfahren in Zahlen

Wie die Berechnung zeigt, ergibt sich im Ertragswertverfahren ein für die Erbschaft- und Schenkungsteuer maßgeblicher Wert von 1,35 Millionen €. Zugegeben, für sich allein ist die Zahl wenig aussagekräftig. Das ändert sich jedoch, wenn man die Steuerwertberechnung aufgrund des bisherigen Rechts vergleichend durchführt. Nach dem bisherigen Recht würde für dieselbe Immobilie nämlich nur ein Steuerwert von 1.125.000 € herauskommen. Bezogen auf unsere Beispielsimmobilie ergibt das neue Bewertungsverfahren einen Wert, der insgesamt 232.680 € über dem bisherigen liegt. Vergleicht man diese Differenz nun mit der Erhöhung der persönlichen Freibeträge, wird deutlich, dass nur die Freibetragserhöhung bei den eingetragenen Lebenspartnerschaften ausreichen würde, um die höhere Bewertung aufzufangen.
Selbst die deutlichen Freibetragserhöhungen zwischen Ehegatten (Erhöhung 193.000 €) und für Kinder (Erhöhung 195.000 €) würden nicht ausreichen.

Das Sachwertverfahren

Ausgangspunkt des Sachwertverfahrens sind die Regelherstellungskosten der Immobilie. Wo man diese herbekommt? Ganz einfach, man ermittelt die Brutto-Grundfläche des Gebäudes und multipliziert diese mit den individuellen Regelherstellungskosten aus Anlage 24 des Bewertungsgesetzes. Das Produkt: Gebäuderegelherstellungswert. Von ihm kann man über die Ermittlung der Restnutzungsdauer mittels Anlage 22 eine Alterswertminderung zum Abzug bringen und erhält so den Gebäudesachwert, der in Addition mit dem Bodenwert den vorläufigen Sachwert darstellt.
Anzumerken ist jedoch, dass nach Abzug der Alterswertminderung der Gebäudesachwert mindestens 40 % des Gebäudeherstellungskostenwertes betragen muss.
Im letzten Schritt ist schließlich „nur“ noch der vorläufige Sachwert mit einer Wertzahl zu multiplizieren, die entweder über die Gutachterausschüsse zur Verfügung gestellt wird oder in Abhängigkeit vom vorläufigen Sachwert und dem Bodenrichtwert aus Anlage 25 zum Bewertungsgesetz zu entnehmen ist. Mit dem erreichten Produkt ist das Sachwertverfahren „vollbracht“.

Beispielsrechnung Sachwertverfahren
Die nebenstehende Beispielsrechnung endet mit einem Steuerwert von 303.750 €. Bei Bewertung der Immobilie im bisherigen Recht würde sich hingegen nur ein Steuerwert von 207.000 € ergeben.
Hinweis:
Der Fairness halber muss angemerkt sein, dass sich dieser Wert unter Annahme einer üblichen Miete von 14.400 € pro Jahr ergibt, da diese Angabe im bisherigen Recht ein notwendiger Ausgangspunkt war, während das Sachwertverfahren eine übliche Miete nicht benötigt.
Auch im Sachwertverfahren gelangt die neue Bewertung zu einem deutlich höheren Wert. Die um 96.750 € höhere Bewertung wird zwar von der Freibetragserhöhung bei nahen Angehörigen aufgefangen, die Freibetragserhöhung bei den übrigen Personen der Steuerklasse I und III sowie der gesamten Steuerklasse II kann dies jedoch nicht auffangen, zumal die Bewertungserhöhung im Beispiel fast 50 % beträgt.

Fazit

Die Bewertungsverfahren zeigen, dass hier ein bürokratisches Monster noch nicht absehbarer Ausmaße geschaffen wurde. Dabei ist es durchaus vorstellbar, dass die komplexen und mit Sicherheit teilweise zu haarsträubenden Ergebnissen führenden Bewertungsverfahren in der täglichen Praxis häufig von einem Gutachten ersetzt werden, da dieses einen niedrigeren Wert ausweist. Über eine Öffnungsklausel steht diese Möglichkeit dem Steuerpflichtigen bei jedem Verfahren zu.
Dennoch ist dies kein Beitrag zur Steuervereinfachung, denn im Bewertungsfall muss zuerst das jeweilige Verfahren angewendet werden. Wenn man dann zu dem Schluss kommt, dass der so ermittelte Steuerwert zu hoch ist, muss ein Gutachter bemüht werden. All dies kostet Zeit, Geld und wahrscheinlich auch Nerven.


Die dargelegten Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen aufbereitet, jedoch ohne jede Gewähr, da aufgrund
der Dynamik des Rechtes eine Haftung nur im Rahmen einer Individualberatung übernommen werden kann.

Stb.Iser@Steuerempfehlung.de
 

Weiterführende Links:
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Redaktion (allg.)

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