Kündigung des Mietvertrages

Wie wirkt sich die Neuregelung in der Praxis auf die ordentliche Kündigung des Mieters oder Vermieters aus?

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Kündigungsfristen bei Wohnraum
Im Gegensatz zur außerordentlichen Kündigung, bei der meist die gesetzlichen Kündigungsfristen nicht eingehalten werden müssen, ist bei der ordentlichen Kündigung grundsätzlich eine Kündigungsfrist zu beachten. Unter der Kündigungsfrist versteht man den Zeitraum, der zwischen dem "Kündigungstag" und dem "Kündigungstermin" liegt. Unter dem "Kündigungstag" ist derjenige Tag zu verstehen, zu dessen Ablauf die Kündigung spätestens zugegangen sein muss. Der "Kündigungstermin" bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis endet; am folgenden Tag muss die Mietsache zurückgegeben werden. Sowohl nach dem alten Mietrecht vor dem 1.9.2001 als auch nach dem neuen Mietrecht werden den Vertragsparteien gesetzliche Kündigungsfristen vorgegeben.

Rechtslage vor der Mietrechtsreform
Nach der Rechtslage vor der Mietrechtsreform waren die gesetzlichen Kündigungsfristen symmetrisch. Die Kündigungsfrist betrug 3 Monate abzüglich 3 Werktage. Nach 5-, 8- und 10jähriger Mietdauer verlängerte sich die Kündigungsfrist für beide Parteien jeweils um 3 Monate bis zur Höchstfrist von 12 Monaten.
Viele Mietverträge aus dieser Zeit haben diese in § 565 Absatz 2 BGB (alte Fassung / a.F.) enthaltenen symmetrisch gestaffelten Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß übernommen. Gelegentlich wurde einfach auf die Gesetzeslage verwiesen, selten aber eine eigene Regelung getroffen, unabhängig von § 566 BGB a.F.

Rechtslage nach der Mietrechtsreform
Die Mietrechtsreform, die ab 1.9.2001 gilt, orientiert sich für die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfristen nach wie vor an der Dauer des Mietverhältnisses, führt aber nun asymmetrische Kündigungsfristen ein. Die Kündigungsfrist für den Mieter beträgt immer 3 Monate abzüglich 3 Werktage, währenddessen beim Vermieter diese Grundkündigungsfrist sich je nach Dauer des Mietverhältnisses nach 5 und 8 Jahren um jeweils 3 Monate bis zur Höchstfrist von 9 Monaten verlängert.

Problematisch war nach der Mietrechtsreform die Frage der Wirksamkeit von Vereinbarungen über Kündigungsfristen in Mietverträgen, die vor dem 1.9.2001 abgeschlossen wurden(1). Ursache allen Übels war eine handwerklich äußerst schlechte Leistung des Gesetzgebers. Die unglückliche Formulierung der Überleitungsvorschrift in Artikel 229 § 3 Abs. 10 EGBGB lautete:
"§ 573c Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist nicht anzuwenden, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden sind."

Gewollt war nach Auffassung des Gesetzgebers eigentlich, dass der Mieter aus Gründen der Mobilität grundsätzlich mit der kurzen Kündigungsfrist von 3 Monaten das Mietverhältnis beenden kann, sofern die Parteien dies nicht individuell anders vereinbart hatten. Der Wortlaut der Überleitungsvorschrift spricht schlampig lediglich von "Vereinbarungen". Der Gesetzgeber führte im Rahmen der Begründung des damaligen Gesetzentwurfes ein Novum in das Deutsche Recht ein, nämlich das Vorliegen von "unechten" und "echten" Vereinbarungen. Eine derartige Unterscheidung gibt es nicht. Es gibt zwar Individualvereinbarungen oder Formularvereinbarungen, beides sind aber Vereinbarungen. Die unglückliche Formulierung führte zu Kontroversen in Literatur und Rechtsprechung.

Rechtslage nach Schuldrechtsreform
Die kurz darauf folgende Schuldrechtsreform ab 1.1.2002, die eine Übergangsregelung für Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch das Mietverhältnis gehört, enthielt zusätzliche Probleme. Dort gab es eine weitere Überleitungsvorschrift, nämlich Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Nach dieser Vorschrift sollte das BGB in der Fassung vom 1.1.2002 auch für Dauerschuldverhältnisse ab 1.1.2003 gelten. In der Literatur wurde vielfach vertreten, dass durch diese Überleitungsvorschrift eine Verdrängung der Überleitungsvorschrift des Mietrechtsreformgesetzes stattgefunden habe mit der Folge, dass die Rechtslage nach der Mietrechtsreform mit asymmetrischen Fristen gelte. Der Mieter könne also mit der kurzen 3monatigen Frist kündigen(2).

Rechtslage nach Rechtssprechung des BGH
Der BGH löste sämtliche Streitfragen beginnend ab 2003 bis ins Jahre 2005 hinein und hat in mehreren Entscheidungen mit deutlichen Argumenten die vertraglichen Altfristen in Mietverträgen vor dem 1.9.2001 erhalten und dem Gesetzgeber, vor allem aber dem Rechtsausschuss, handwerklich schlechte Arbeiten attestiert(3).
Den Entscheidungen des BGH war gemeinsam, dass die Wiederholung der alten Kündigungsfristen bzw. die sinngemäße Wiederholung zur Weitergeltung der alten symmetrischen Fristen führt(4). Die Rechtsprechung ließ es sogar genügen, wenn in einem Formularmietvertrag lediglich in den Fußnoten eine Wiedergabe der alten Fristen nach § 565 BGB a.F. erfolgt ist(5).
Den Schlusspunkt setzte der BGH mit seiner Entscheidung, wonach auch die Schuldrechtsreform keinerlei Einfluss auf die Fortgeltung der Altkündigungsfristen hat. Das Gericht führte aus, dass der Grundsatz, dass im Fall der Unvereinbarkeit zweier Rechtsnamen das später erlassene dem früheren Gesetz vorgeht, hier nicht gilt, wenn das ältere Gesetz eine speziellere Regelung trifft und die Auslegung ergibt, dass das später erlassene Gesetz keine das ältere Gesetz verdrängende Regelung treffen sollte. Der BGH sah in Artikel 229 § 3 Abs. 10 EGBGB der Mietrechtsreform die speziellere Regelung gegenüber Artikel 229 § 5 Satz 2 EGBGB(6). Folge war, dass die Altfristen auch nach dem 1.1.2003 gelten.

Reparaturgesetz
Neufassung des Artikels 229 § 3 Abs. 10 EGBGB

Nachdem der Gesetzgeber mit seinem Ansinnen gescheitert ist, kamen Stimmen auf, die missglückte Regelung zu reparieren. Kraft Gesetz soll nun das Ziel erreicht werden, dass die dreimonatige Kündigungsfrist für Vermieter auch für vor dem 1.9.2001 geschlossene Verträge gilt. Folge der Rechtsprechung war nämlich, dass praktisch in allen Altmietverträgen aufgrund entsprechender wörtlicher oder sinngemäßer Vereinbarungen die alten längeren Kündigungsfristen weiter galten. In Artikel 229 § 3 Abs. 10 wurde folgender zusätzlicher Satz angefügt:
"Für Kündigungen, die ab dem 1. Juni 2005 zugehen, gilt dies nicht, wenn die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 1. September 2001 geltenden Fassung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden sind."
Diese Änderung der Überleitungsvorschrift trat zum 1. Juni 2005 in Kraft. Der Gesetzgeber besserte im Wortlaut nach und hob die unsinnige Differenzierung zwischen "unechten" und "echten" Vereinbarungen auf. Das hat zur Folge, dass nun die Rechtslage nach der Mietrechtsreform auch für Mietverträge vor dem 1.9.2001 gilt, wenn:

  • die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB
  • durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart worden sind und
  • die Kündigung ab dem 1. Juni 2005 zugeht.

In der Praxis bedeutet es, dass nach wie vor jede Kündigung zunächst anhand des Mietvertrages zu überprüfen ist. Liegt keinerlei Vereinbarung über Kündigungsfristen vor oder wird bloß allgemein auf die Gesetzeslage verwiesen, dann gilt, was bislang ohnehin unstreitig ist, die Rechtslage nach der Mietrechtsreform mit den asymmetrischen Kündigungsfristen.
Liegen Vereinbarungen über Kündigungsfristen in diesen Mietverträgen vor dem 1.9.2001 vor, muss zunächst überprüft werden, ob sie mit § 565 BGB identisch, sei es wortwörtlich oder sinngemäß, sind.
Liegt keine Identität vor, greift der nun angefügte Zusatz der Überleitungsvorschrift nicht. Die Vereinbarung geht der Rechtslage nach der Mietrechtsreform vor, sofern die abweichende Vereinbarung wirksam ist.
Liegt dagegen eine wörtliche oder sinngemäße Identität mit § 565 BGB a.F. in der Vereinbarung vor, ist danach zu differenzieren, ob es sich bei der Vereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder aber um eine Individualvereinbarung handelt.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 305 Abs. 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt.
Individualvereinbarungen liegen vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind, wobei die vorgeschlagene Regelung ernsthaft zur Disposition gestellt werden muss(7).
Im Regelfall wird eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliegen, da es gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Mietvertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schrift sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Praktisch wird der Beweis nur geführt werden können, wenn entsprechende Vorkorrespondenz vorhanden ist oder ein entsprechendes Verhandlungsprotokoll. Handschriftlich hinzugefügte Bemerkungen genügen noch nicht für die Annahme einer Individualvereinbarung.
Der Zusatz der Überleitungsvorschrift gilt nur, wenn die Kündigung ab 1. Juni 2005 zugeht. Ist beispielsweise die Kündigung des Mieters am 31.5.2005 dem Vermieter zugegangen und enthält der alte Mietvertrag vor der Mietrechtsreform noch wörtlich oder sinngemäß die Kündigungsfristen des § 565 BGB a.F., dann gelten die Altkündigungsfristen fort. Das Inkrafttreten ändert nichts an der in Lauf gesetzten Kündigungsfrist.
Allerdings bleibt es dem Mieter unbenommen, die Kündigung ab 1.6.2005 zu wiederholen, um so zu einer Abkürzung des Mietverhältnisses zu gelangen. Kündigt dieser Mieter nochmals, und zwar nach dem 1.6.2005, fällt die Kündigung unter das Reparaturgesetz - Konsequenz: die kurze Kündigungsfrist gilt.

Beispiele
Drei Fallgruppen charakterisieren in den vier Beispielen die Auswirkungen des Reparaturgesetzes bei Wohnraummietverträgen:

Häuser, in denen Wohnungen sind, können einer einzelnen Person oder einer einzelnen Gesellschaft gehören. Es gibt jedoch auch Häuser, die in Wohnungseigentum aufgeteilt sind und bei denen jede einzelne Wohnung einem einzelnen Eigentümer gehört - diese Wohnung...

Beispiel 1
Ein Mietvertrag vom 1. Januar 1990 enthält eine Individualvereinbarung, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit läuft und sich die Kündigungsfrist von 3 Monaten nach Ablauf von 5, 8 und 10 Jahren um jeweils 3 Monate verlängert. Die Kündigung des Mieters geht am 3. Juli 2005 zu und enthält einen Fristablauf zum 30. September 2005.
Lösung
Die Kündigung wirkt erst zum 30. Juni 2006, da die Überleitungsvorschrift nicht greift, weil die längeren Kündigungsfristen individualvertraglich vereinbart wurden.

Beispiel 2
Die Vereinbarung aus Beispiel 1 wurde formularvertraglich geschlossen. Die Kündigung des Mieters geht am 3. Juli 2005 mit einer Kündigungsfrist zum Ablauf des 30. September 2005 dem Vermieter zu.
Lösung
Die Kündigung des Mieters wirkt zum 30. September 2005. Die geänderte Überleitungsvorschrift ist einschlägig, weil die längeren Kündigungsfristen formularvertraglich vereinbart worden sind und die Kündigung nach dem 01.06.2005 zuging.

Beispiel 3
Im Beispiel 3 liegt eine identische formularmäßige Vereinbarung wie in Beispiel 2 vor. Die Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarf geht dem Mieter am 3. Juli 2005 zu und enthält einen Fristablauf zum 30. September 2005.
Lösung
Die Kündigung des Vermieters wirkt erst zum 30. Juni 2006. Zwar liegt eine formularmäßige Vereinbarung vor, die eine Vereinbarung der Altfristen enthält, § 573c Abs. 4 BGB. Diese gilt aber nur zugunsten des Mieters. Die Vorschrift schließt lediglich zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarungen aus, nicht aber die alten längeren gesetzlichen Kündigungsfristen.

Beispiel 4
Ein am 1. Januar 1990 abgeschlossener Mietvertrag enthält eine formularmäßige Vereinbarung eines Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit, dass mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden kann.  Die Kündigung des Mieters geht am 3. Juli 2005 dem Vermieter zu mit einem Ablauf der Kündigungsfrist zum 30. September 2005.
Lösung
Die Kündigung wirkt erst zum 31. Dezember 2005. Die Überleitungsvorschrift greift nicht, obwohl eine formularmäßige Vereinbarung vorliegt und die Kündigung ab 1. Juni 2005 zuging. Grund hierfür ist, dass keine mit § 565 BGB a.F. identische Kündigungsfrist vereinbart ist, was Voraussetzung für die anzuwendende Überleitungsvorschrift wäre. Die getroffene Vereinbarung bleibt weiterhin gültig(8).

Fazit
Im Ergebnis wird die neue Überleitungsvorschrift dazu führen, dass in zahlreichen Fällen die 3monatige Kündigungsfrist für Mieter bei praktisch allen Altmietverträgen gelten wird. Ausgenommen hiervon sind lediglich Individualvereinbarungen und formularmäßig von den alten Kündigungsfristen abweichende Vertragsgestaltungen. Der erste Ausnahmefall dürfte Seltenheitswert haben, der zweite Ausnahmefall wird die Frage aufwerfen, inwieweit die abweichende Vereinbarung wirksam ist. Eine weitere Bedeutung wird die Überleitungsvorschrift in den Fällen erhalten, in denen die Altkündigungsfristen in Formularzeitmietverträgen mit Verlängerungsklauseln enthalten sind.

(1) sehr ausführlich zu den Problemen mit entsprechenden Fallbeispielen: Stangl, Intensivkurs Mietrecht für Vermieter, HUSS-Medien 2005, Seiten 177 ff
(2) Schmidt-Kessel NJW 2003, 3748 f; Claas WuM 2004, 86; Drasdo NJW-Spezial 2005, 2; AG Bückeburg NJW 2004, 1807; a.A. LG Duisburg NJW 2004, 3135; LG Itzehohe WuM 2003, 329; Palandt/Weidenkaff § 573 BGB Rn 3
(3) siehe ausführlich mit den entschiedenen Klauseln: Stangl, Intensivkurs Mietrecht für Vermieter, HUSS-Medien 2005, Seite 158
(4) BGH Urteil v. 18.06.2003 VIII ZR 240/02; BGH Urteil v. 18.06.2003 VIII ZR 324/02 und 355/02; BGH Urteil v. 18.06.2003 VIII ZR 339/02
(5) BGH Urteil v. 10.03.2004 VIII ZR 64/03
(6) BGH Urteil v. 06.04.2005 VIII ZR 155/04
(7) näher dazu Stangl, Intensivkurs Mietrecht für Vermieter, HUSS-Medien 2005, Seite 21 f mit weiteren Details
(8) siehe OLG Zweibrücken WuM 1990, 8

Redaktion (allg.)

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