Trinkwasserverordnung zwingt Vermieter zum Handeln

Seit fast drei Monaten ist die neue Trinkwasserverordnung in Kraft. Damit schwingt der Gesetzgeber die ganz große Keule gegen winzige Stäbchenbakterien - die Legionellen. Die Verordnung nimmt erstmals alle Vermieter, Verwalter und WEGs für die Qualität des Trinkwassers in die Pflicht. Eigentümer haben eine Bringschuld, auch wenn die zuständigen Gesundheitsämter wegen Überlastung nicht reagieren. Wir erklären Hintergründe und zeigen, wie Sie die Verordnung umsetzen müssen.

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Nicht selten wird aus dem Spaß unter der Dusche bitterer Ernst: abgestandenes Wasser kann Legionellen mit sich bringen. Eingeatmet, können die Bakterien zu Lungenentzündung führen. Foto: Fotolia
Nicht selten wird aus dem Spaß unter der Dusche bitterer Ernst: abgestandenes Wasser kann Legionellen mit sich bringen. Eingeatmet, können die Bakterien zu Lungenentzündung führen. Foto: Fotolia

Wie groß ist das Problem der Legionellen?
Nach Schätzung des Umweltbundesamtes erkranken in Deutschland jedes Jahr 20.000 bis 32.000 Menschen an einer Lungenentzündung, die durch Legionellen hervorgerufen wird. Bis zu 15 % der Fälle enden tödlich. Hinzu komme die zehn- bis 100-fache Fallzahl von Pontiac-Fieber, das einen milderen Verlauf habe und auch durch Legionellen verursacht werde. Die Krankheit wird nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Gefährlich wird es, wenn die Bakterien unter der Dusche verwirbelt und eingeatmet werden.

Wie entstehen Legionellen-Kolonien?
Legionellen kommen überall auf der Welt im Süßwasser, auch in Grundwasser, in kleinen Mengen vor. Gefährlich werden die beweglichen Stäbchenbakterien für den Menschen, wenn sie sich explosionsartig vermehren.Die Trinkwasserverordnung definiert daher erstmals einen Grenzwert, der nicht überschritten werde darf: er beträgt 100 koloniebildende Einheiten in 100 ml Wasser. Nach der Stellungnahme des Umweltbundesamtes können falsch konstruierte oder falsch betriebene Trinkwasser-Installationssystemedie gefährliche Vermehrung von Legionellen entscheidend begünstigen. Das kann z. B. passieren, wenn Wasser tagelang in Leitungen bei Temperaturen zwischen 25 und 55 °C steht. Endständige Leitungen, die selten oder gar nicht genutzt werden, können so eine Brutstätte für Legionellen bilden. Ein Risiko stellen aber auch längerfristig leerstehende Wohnungen dar. Als fatal kann sich übertriebenes Energiesparen auswirken, wenn nämlich Warmwasserspeicher nicht auf 60 °C aufgeheizt werden. Bei dieser Temperatur sterben Legionellen ab.

Wer ist von der Verordnung betroffen?
Nach der alten Fassung der Trinkwasserverordnung mussten nur öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten oder Krankenhäuser auf diese Bakterien untersucht werden. Seit dem 01.11.2011 haben nun auch gewerbliche Vermieter die Pflicht, einmal jährlich eine Legionellenuntersuchung machen zu lassen, wenn der Warmwasserspeicher mehr als 400 l fasst oder Warmwasserleitungen mehr als 3 l Volumen zwischen Speicher und Wasserhahn aufweisen. Damit fallen praktisch alle vermieteten Mehrfamilienhäuser unter die Verordnung.

Was ist zu tun?

1. Anzeigepflicht des Vermieters:
Im ersten Schritt müssen Vermieter, Verwalter und WEGs ihre Trinkwasserinstallationen dem zuständigen örtlichen Gesundheitsamt anzeigen. Die Gesundheitsämter melden sich nicht selbst bei Immobilienverantwortlichen. Auch wenn Sie nichts „vom Amt“ hören, weil die Mitarbeiter in Tausenden von „Anzeigen für Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ ersticken, sollten Sie die Sache nicht aussitzen. Ausbleibende Anzeigen können als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit Bußgeld belegt werden.

2.Jährliche Legionellenuntersuchung:
Vermieter müssen ihre Anlagen ohne Aufforderung durch das Gesundheitsamt einmal pro Jahr auf Legionellen untersuchen lassen. Nur zertifizierte Labore dürfen die Wasserproben entnehmen und analysieren. Alternativ dürfen auch zertifizierte Heizungs- und Sanitärbetriebe die Wasserproben entnehmen und müssen diese sodann unverzüglich zur Analyse an ein zugelassenes Labor schicken. Das Analyseergebnis muss zwei Wochen nach Abschluss der Untersuchung an das Gesundheitsamt gemeldet werden und ist zehn Jahre lang aufzubewahren. Selbstverständlich sind auch Mieter oder WEG-Eigentümer vom Ergebnis der Wasseruntersuchung zu informieren.

3. Installation von Zapfstellen:
Vermieter müssen dafür Sorge tragen, dass geeignete Probenahmestellen vorhanden sind. Diese müssen thermisch oder chemisch desinfizierbar sein. Unter Umständen entstehen Kosten, weil nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geeignete Probenahmestelle einzubauen sind. Warmwasserproben werden an mindestens drei Stellen entnommen: am Ein- und Ausgang des Warmwasserspeicherssowie an Steigsträngen mit weit vom Speicher entfernten Zapfstellen. Hier werden in der Regel Waschbecken beprobt. Die Kosten für die Installation zusätzlicher Armaturen wie auch die Kosten für die jährlich vorgeschriebenen Wasseruntersuchungen sind umlagefähig.
Das Gesundheitsamt kann das jährliche Untersuchungsintervall verlängern, wenn:

  • mindestens drei aufeinander folgende jährliche Untersuchungen keine Beanstandungen ergaben
  • die allgemein anerkannten Regeln der Technik bei Bau und Betrieb des Gesamtsystems der Installation eingehalten wurden und werden
  • die Anlage seit der letzten jährlichen Untersuchung nicht wesentlich verändert wurde. Dabei können auch Untersuchungsergebnisse berücksichtigt werden, die vor Inkrafttreten der neuen Trinkwasserverordnung am 01.11.2011 gewonnen wurden.

Kritiker der Trinkwasserverordnung gehen davon aus, dass Gesundheitsämter und Labore für lange Zeit vollkommen überlastet sein werden, weil Tausende Vermieter und Verwalter Millionen Installationssystem-Anzeigen und Analyseergebnisse einreichen. Die neue Verordnung nennt keinen genauen Termin für die Wasseranalyse, das heißt, ab Inkrafttreten hat man ein Jahr Zeit für die erste Untersuchung. Dennoch bleibt festzuhalten: Die Wohnungswirtschaft muss liefern - erst danach liegt der schwarze Peter bei den Behörden.

Nach der letzten Europarechtsreform hat auch das Widerrufsrecht des Mieters mehr an Bedeutung gewonnen, beispielsweise bei dem Abschluss eines Mietvertrages über eine zuvor nicht besichtigte Wohnung. Wird der Mieter in den einschlägigen Fällen nicht oder nicht...

Autor: Thomas Engelbrecht

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Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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