Verbrauchswerte richtig schätzen, wenn Messdaten fehlen

Nicht immer können Messgeräte abgelesen werden. Wenn am Ende der Abrechnungsperiode Werte fehlen, müssen Vermieter oder Abrechnungsdienstleister den Verbrauch der Nutzer schätzen. Wie das funktioniert und was erlaubt ist und was nicht, wird hier erklärt.

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Verweigert der Mieter den Ablesern den Zugang zur Wohnung, darf der Verbrauch geschätzt werden. FOTO: MINOL
Verweigert der Mieter den Ablesern den Zugang zur Wohnung, darf der Verbrauch geschätzt werden. FOTO: MINOL

Korrekte Ablesewerte sind die Voraussetzung für eine präzise Verbrauchsabrechnung. Deshalb sind Schätzungen nur im Notfall zulässig – etwa wenn die Messgeräte defekt sind, die Bewohner auch beim zweiten Ableseversuch nicht vor Ort sind oder wenn sie den Ablesern den Zugang zur Wohnung verweigern. Die rechtliche Grundlage für Schätzungen ist eindeutig: Kann der anteilige Wärme- oder Wasserverbrauch eines Nutzers nicht ordnungsgemäß erfasst werden, muss der Gebäudeeigentümer – oder der zuständige Abrechnungsdienstleister – die Werte mit einer angemessenen Methode schätzen. So sieht es die Heizkostenverordnung, § 9a, vor.

Bis zu 25 Prozent der Gesamtmietfläche eines Gebäudes können geschätzt werden. Überschreitet die Schätzquote diesen Grenzwert, muss das gesamte Gebäude für alle Bewohner nach Quadratmetern abgerechnet werden.

Wie wird geschätzt?
In der Heizkostenverordnung sind drei Schätzmethoden verankert. Letztendlich entscheidet der Vermieter oder der Messdienstleister, welches Verfahren er je nach Situation anwendet.

  • Schätzung nach Vorjahresverbrauch: Diese Methode kommt dem realen Verbrauch am nächsten, indem sie den prozentualen Vorjahresanteil – nicht den absoluten Vorjahreswert – bei der Kalkulation einsetzt: Verzeichnete ein Heizkörper in der vorangegangenen Abrechnungsperiode 1,2 Prozent der gesamten Verbrauchseinheiten des Gebäudes, hat er auch bei der Schätzung für die aktuelle Abrechnungsperiode einen Anteil von 1,2 Prozent. Allerdings hat das Verfahren eine Einschränkung: Es wird nur bei der ersten Schätzung angewendet. Sonst könnten Nutzer theoretisch einmal besonders sparen, um in den Folgejahren eine niedrige Schätzung zu erzielen.
  • Schätzung nach vergleichbaren Räumen: Diese Methode kommt zum Einsatz, wenn die Schätzung nach Vorjahreswerten nicht geeignet ist, etwa bei Neubauten oder bei einem Nutzerwechsel. Fehlen zum Beispiel die Ablesewerte eines Schlafzimmer-Heizkörpers, gilt der Durchschnittsverbrauch der anderen Schlafzimmer-Heizkörper des Gebäudes als Schätzgrundlage. Voraussetzung für dieses Verfahren ist, dass es mindestens zwei weitere vergleichbare Räume im Gebäude gibt.
  • Schätzung nach Durchschnittsverbrauch: Sind die ersten beiden Verfahren nicht anwendbar, kann der Verbrauch der gesamten Wohnung nach dem Durchschnittsverbrauch des Gebäudes geschätzt werden. Liegt zum Beispiel der durchschnittliche Wärmeverbrauch eines Gebäudes bei 80 Kilowattstunden pro Quadratmeter, wird derselbe Wert auch für die zu schätzende Wohnung angesetzt. Eine Variante hiervon ist die Schätzung einzelner Geräte nach dem Durchschnittsverbrauch der abgelesenen Geräte aus derselben Wohnung.

Abgesehen von den drei Schätzmethoden, die die Heizkostenverordnung vorsieht, nutzen viele Vermieter und Abrechnungsdienstleister Hochrechnungen – laut Bundesgerichtshof ebenfalls ein zulässiges Verfahren. Sinnvoll sind Hochrechnungen vor allem, wenn Messgeräte verspätet eingebaut wurden und nur ein verkürzter Zeitraum erfasst ist: etwa ein Warmwasserverbrauch nur für acht statt zwölf Monate gemessen werden konnte. Die fehlenden vier Monate werden dann auf Basis der vorhandenen Werte berechnet.
Wie sind die Schätzwerte in der Abrechnung anzugeben?
Die Erfahrungen zeigen, dass die meisten Wohnungseigentümer und Mieter geschätzte Werte akzeptieren und keine detaillierten Informationen zu den Berechnungen verlangen. Das würde die Abrechnung nur komplizierter machen. Im Allgemeinen reicht es deshalb vollkommen aus, in der Abrechnung kurz auf die Schätzung und das angewandte Verfahren hinzuweisen. Bei Bedarf liefern Abrechnungsdienstleister in der Regel eine detaillierte Aufstellung nach.

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Gleichen sich die Schätzwerte im Folgejahr wieder aus?
Bei Messgeräten mit fortlaufender Anzeige wie Wasser- oder Wärmezähler wird der Schätzwert aus dem Vorjahr mit der Ablesung im darauffolgenden Jahr ausgeglichen. Anders bei Geräten, die nach Ablauf der Abrechnungsperiode wieder bei null anfangen: Sie geben für jedes Jahr einen eigenständigen Messwert an, deshalb werden keine Schätzdifferenzen aus dem Vorjahr abgezogen oder addiert. Das gilt zum Beispiel für elektronische Heizkostenverteiler mit Stichtagablesung. Bei Verdunstern ist ein Ausgleich aus technischen Gründen nicht möglich: Die festgeschriebene Zusatzmenge an Messflüssigkeit, welche die Kaltverdunstung im Sommer kompensiert, ist für ein Jahr vorgesehen und bei längerem Verbleib aufgebraucht. Wird sie dann nicht wieder aufgefüllt, ist der Verbrauch im darauffolgenden Jahr unverhältnismäßig hoch. In solchen Fällen wird der Verbrauch für beide Abrechnungszeiträume geschätzt.

Welche Rechte und Pflichten haben Mieter und Vermieter?
Grundsätzlich müssen Mieter die Ablesung ihrer Messgeräte ermöglichen. Für Eigentümer und Vermieter gibt es jedoch keine standardisierten gesetzlichen Sanktionsmaßnahmen, mit denen sie die Ablesung durchsetzen könnten. Als letzter Schritt bleibt ihnen nur, per Gericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Einige Vermieter wollen säumige Mieter zudem mit Schätzzuschlägen abstrafen. Dafür gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage. Umgekehrt haben Mieter, etwa bei einem Geräteausfall, kein Kürzungsrecht bei geschätzten Abrechnungen. Schließlich sind die Schätzmethoden in der Heizkostenverordnung gesetzlich festgelegt.

Autor: Frank Peters, Pressesprecher der Firma Minol Messtechnik

vbn

Redaktion (allg.)

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