Wie sag ich’s meinem Mieter?

Klare Ansprachen helfen Konflikte zu vermeiden: Die Hausordnung sollte Gegenstand des Mietvertrages sein und bei Vertragsabschluss kommuniziert werden.

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Rhetoriktrainer Peter Flume: "Hausordnung kurz, und verständlich formulieren", Foto: Peter Flume
Rhetoriktrainer Peter Flume: "Hausordnung kurz, und verständlich formulieren", Foto: Peter Flume

Wenn er die Restmülltonne immer wieder Tage vor der Leerung randvoll mit Verpackungsmüll vorfindet, steigt der Adrenalinpegel von Mieter Immo Föhrer: „Manchmal platzt mir dann einfach der Kragen“. Er sieht nicht ein, seinen Müll in der Wohnung oder im Keller zwischenzulagern oder höhere Müllgebühren zu bezahlen, weil seine Mitbewohner ihren Müll nicht trennen. Die Mülltrennung ist nicht der einzige Konfliktpunkt in Mehrfamilienhäusern. Schuhe und Gegenstände im Treppenhaus, laute Fernseher, Hausmusik oder Berge muffiger Klamotten in der gemeinsamen Waschküche – wo Menschen zusammenleben, gibt es Konflikte.

Hausordnungen können das Streitpotenzial mit klaren Regeln reduzieren

Das funktioniert aber nur, wenn sie wahr- und ernstgenommen werden. „Jede Vorschrift, deren Nutzen nicht erklärt wird, erweckt den Anschein unnötiger Gängelung“, warnt Rhetoriktrainer Peter Flume. Das Gefühl, im Privaten reglementiert zu werden, kann zu einer skeptischen Distanz oder sogar Abwehrhaltung führen.

„Vermieter und Verwalter müssen es schaffen, die Vorschriften so zu kommunizieren, dass jeder Bewohner sie als hilfreichen Rahmen des Zusammenwohnens in einem Haus wahrnimmt,“ sagt der 47-Jährige und rät, Hausordnungen kurz zu halten und in leicht verständlichen Sätzen abzufassen. Grafiken können den Text auflockern. Sie regen an zum Lesen. Nicht die Regeln an sich, sondern ihr Nutzen für die Gemeinschaft sollte den Schwerpunkt der Hausordnung bilden.

Den Nutzen der Hausordnung betonen

Erläuternde Sätze zum Zusammenleben im Haus und besondere Gepflogenheiten hält der Kommunikationsexperte schon beim Abschluss des Mietvertrags für unverzichtbar. „Gerade weil Hausordnungen kurz sein sollen, ist der Abschluss des Mietvertrags ein günstiger Zeitpunkt, mit weiter gehenden Erläuterungen den Nutzen der Regelungen zu vermitteln.“ Das sei einfacher, als zu einem späteren Zeitpunkt das Gespräch auf die Hausordnung zu lenken.

Spricht man sie gleich an, wird dem zukünftigen Bewohner klar, dass die Regelungen nicht nur formaler Papierkram im Zusammenhang mit dem Mietvertrag sind. Zudem bietet sich die Gelegenheit, unverfänglich auf einzelne Punkte hinzuweisen, die dem Vermieter besonders am Herzen liegen oder in der Vergangenheit Probleme gemacht haben. Wird erst längere Zeit nach dem Einzug über die Hausordnung gesprochen, drohen Missverständnisse: Mieter könnten das als diffuse Kritik an ihrem Verhalten interpretieren.

Bei Streit gemeinsame Ziele betonen

Kommt es zu Konflikten zwischen Bewohnern, empfiehlt Flume das klärende Gespräch auf Augenhöhe unter dem dämpfenden Einfluss eines Mediators. Große Wohnungsunternehmen setzen z. B. Sozialarbeiter für diese Aufgabe ein. Hausverwalter sollten sich überlegen, ob sie ein Mediatoren-Training besuchen. Alternativ könnte er eine Person seines Vertrauens aus dem Verwaltungsbeirat für die Gesprächsmoderation vorschlagen.

Am besten ist es, wenn die streitenden Parteien ohne Verweis auf die Hausordnung oder Einbeziehung des Vermieters miteinander nach einer Lösung des Problems suchen. Dabei sei es wichtig, das gemeinsame Ziel ins Zentrum zu stellen: Jeder möchte ein Zuhause in angenehmer Umgebung ohne Stress und ohne Streit. Diese Gemeinsamkeit zu betonen, kann einem Konflikt schon Schärfe nehmen und erleichtert es, einvernehmliche Lösungen zu finden.

Einzelne Bewohner können sich bei Streitigkeiten auf die Hausordnung als gemeinsamen, ordnenden Rahmen berufen. Die Bestimmungen durchsetzen kann jedoch nur der Vermieter im Rahmen des Mietverhältnisses. Voraussetzung ist hier, dass die Regelungen der Hausordnung rechtskonform sind. Auf in der Hausordnung aufgeführte Verpflichtungen für Mieter wie etwa das Schneeräumen und die damit einhergehende Haftpflicht darf sich ein Vermieter nur berufen, wenn die Hausordnung wirksamer Bestandteil des Mietvertrags ist oder der Mieter ihr zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich zugestimmt hat.

An wechselnden Stellen aushängen

Es genügt also nicht, die Hausordnung im Flur auszuhängen. Dennoch sieht Flume das Aushängen der Hausordnung als sinnvolle Ergänzung zur vertraglichen Vereinbarung. Er rät sogar dazu, das an wechselnden Stellen zu tun, also die Hausordnung nach drei Monaten statt in der Nähe der Briefkästen an der Tür der Waschküche aufzuhängen oder einem anderen, regelmäßig von allen frequentierten Ort. So werde die Aufmerksamkeit dafür wach gehalten: Jeder wird an seinen Beitrag zur funktionierenden Gemeinschaft erinnert.

Service der IVV immobilien vermiete & verwalten: Die Muster-Hausordnung

Es gibt kein Gesetz, das Vermieter verpflichtet, eine Hausordnung aufzustellen. Aus diesem Grund gibt es auch keine einheitlichen Formulare. Die Zeitschrift IVV immobilien vermieten & verwalten bietet eine Muster-Hausordnung zum kostenlosen Download an (PDF). Damit interessierte Hausverwaltungen diese an ihre Bedürfniss und an ihr Look & Feel anpassen können, bieten wir das Dokument auch in der Word-Fassung an. Bitte melden Sie sich bei Interesse an ivv-magazin.redaktion@hussberlin, Betreff "Muster-Hausordnung".

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Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter rät der Kommunikationsprofi davon ab, gleich mit der Hausordnung zu winken, wenn etwas nicht so läuft wie gewünscht. Auch hier sei der Königsweg das klärende Gespräch, in dem beide Seiten ihr Interesse an einem funktionierenden Mietverhältnis einbringen und auf der Suche nach gemeinsamen Lösungen um Verständnis für ihre Positionen werben. Sind die Fronten zu verhärtet, empfiehlt Flume, einen parteilosen Mediator als hilfreiche Alternative einzuschalten. Eine Lösung, mit der die Berliner degewo gute Erfahrungen macht. „Mit Kündigung zu drohen, um die Einhaltung der Hausordnung zu erzwingen, ist für alle Beteiligten die schlechteste Lösung, weil sie das Miteinander nachhaltig schädigt.“

Stimmen aus der Praxis

Bernhard Bohne, BIG Hausverwaltung, Herrsching: „Wer den Nachbarn bei der Hausverwaltung anschwärzt, ohne vorher im direkten Kontakt nach einer Lösung gesucht zu haben, verkompliziert die Situation“, bestätigt Bernhard Bohne, Geschäftsführer der BIG Hausverwaltung aus Herrsching am Ammersee Flumes Empfehlungen. BIG-Mitarbeiter verweisen bei Konflikten zwischen Mietern immer wieder auf das direkte, persönliche Gespräch. Das in Herrsching am Ammersee ansässige Unternehmen verwaltet mit 18 Mitarbeitern 3.000 Wohneinheiten in München und Umgebung und erwirtschaftet dabei 1 Mio. Euro Umsatz. Beim Abschluss von Mietverträgen hängt Bohne die Hausordnung an den Mietvertrag. Allerdings weist er nicht besonders darauf hin. Für Mieter mit ausländischen Wurzeln hält BIG Hausordnungen in arabischer, englischer, griechischer, russischer, spanischer und türkischer Sprache bereit. „Dann kann niemand sagen, er hätte nicht verstanden, was da drin steht und gemeinschaftsunverträgliches Verhalten mit Sprachproblemen entschuldigen.“ Die Übersetzungen werden durchweg positiv aufgenommen, erlebt der 49-Jährige. Fremdsprachige Mieter fühlen sich willkommen und wertgeschätzt, wenn jemand sich die Mühe macht, die Hausordnung in ihre Muttersprache zu übersetzen. Mit einem Augenzwinkern weist er auf eine Besonderheit hin: BIG hat die Hausordnung auch in einer bayrischen und einer plattdeutschen Version, um innerdeutschen ‚Migranten‘ das Verständnis zu erleichtern.

Lutz Ackermann, degewo, Berlin: 72.000 Wohnungen betreut die Berliner degewo, 67.000 davon sind Eigenbestand. Etwa 5.000 Wohnungen verwaltet die Tochtergesellschaft gewobe im Auftrag von deren Besitzern. „Wir hängen die Hausordnung nicht aus“, beschreibt Pressesprecher Lutz Ackermann das Handling des Themas, „sie ist Bestandteil des Mietvertrags.“ Das Unternehmen setzt mit 1.000 Mitarbeitern 16,6 Mio. Euro jährlich um. Bei Unstimmigkeiten finden Mieter Ansprechpartner in fünf dezentralen Kundenzentren. Viermal im Jahr erscheint „stadtleben“, das Mietermagazin der degewo. Es greift Themen auf, die sich aus dem Zusammenleben unterschiedlicher Menschen ergeben, und leistet damit einen Beitrag zu mehr Verständnis und „Wir-Gefühl“. Die Rubrik „Ratgeber“, beantwortet Fragen rund ums Wohnen und informiert Mieter z. B. darüber, wie bewusste Mülltrennung oder sparsamer Umgang mit Energie die Betriebskosten senken kann. Ackermann geht davon aus, dass die Regeln der Hausordnung auf diesem Weg eher Gehör finden: „Unsere Mieterzeitschrift ist fester Bestandteil der Kommunikation über den organisatorischen Rahmen des Zusammenlebens in Mehrfamilienhäusern und Wohnanlagen.“

Andreas Möck, Die Immobilienverwalter, Ludwigsburg: Es sind überwiegend Eigentumswohnungen, die Die Immobilienverwalter in Ludwigsburg verwalten. „Schließen wir die Mietverträge, ist die von der jeweiligen Wohnungseigentümergemeinschaft verabschiedete Hausordnung Bestandteil des Mietvertrags“, berichtet Inhaber Andreas Möck. Seine Mitarbeiter sprechen in solchen Fällen Vertrag und Hausordnung mit den Mietern durch. 3.000 Wohneinheiten in 200 Liegenschaften betreut der 43-Jährige mit 12 Mitarbeitern. Müssen Hausordnungen infolge aktueller Gerichtsurteile geändert werden, informiert Möck die Eigentümer und legt der Versammlung entsprechende Beschlussvorlagen vor. Seine Objektbetreuer sorgen dafür, dass die von der Eigentümergemeinschaft verabschiedeten Hausordnungen je an zentraler Stelle in den Häusern aushängen. Problematisch findet er, wenn einzelne Eigentümer ihre Wohnung vermieten und dabei statt der jeweils vereinbarten Hausordnung den Standard-Mietvertrag von Haus und Grund mit der entsprechenden Hausordnung abschließen. Kommt es zu Streitigkeiten, etwa wenn Bewohner die Ruhezeiten nicht einhalten, schaltet sich der Verwaltungsprofi erst dann schlichtend ein, wenn sich ein Bewohner hilfesuchend an ihn wendet. „Allerdings mache ich das nur auf schriftliche Beschwerden mit Unterschrift. Will jemand nicht, dass er genannt wird, verfolge ich die Sache nicht weiter.“ Halten Bewohner die Regeln der Hausordnung dauerhaft nicht ein, setzt Möck das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung.

Autor: Leonhard Fromm, Freier Journalist

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Redaktion (allg.)

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