Kündigung des Mietverhältnisses: Wen der Gerichtsvollzieher aus der Wohnung werfen darf

Mit einer Räumungsklage können renitente Mieter zum Auszug gezwungen werden. Doch müssen der Ehepartner und die Kinder ebenfalls die Wohnung räumen?

BILD: PIXELIO/DENISE
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Will ein Vermieter seinen Mieter vor die Tür setzen, ist das alles andere als leicht. Er benötigt vielmehr ein berechtigtes Interesse bzw. einen wichtigen Grund, um das Mietverhältnis beenden zu können. Dazu gehört etwa der Eigenbedarf oder auch ein Mietrückstand von insgesamt mindestens zwei Monatsmieten. Weigert sich der Mieter jedoch, nach einer Kündigung auszuziehen, muss der Vermieter Räumungsklage einreichen – denn nur mit einem Räumungstitel kann der Gerichtsvollzieher den unwilligen Mieter zum Auszug zwingen. Doch muss dessen Ehepartner, Lebenspartner, Lebensgefährte, Kind oder Mitbewohner dann ebenfalls raus aus der Wohnung?

Grundsätzlich gilt: Aus dem Räumungstitel kann nur gegen die Personen vollstreckt werden, die darin namentlich benannt sind, vgl. § 750 I 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Das sollte auf jeden Fall derjenige sein, der im Mietvertrag als Vertragspartner des Vermieters vermerkt wurde.

Oftmals leben neben dem Mieter aber auch andere Personen in der Wohnung, etwa seine minderjährigen oder volljährigen Kinder, sein Ehepartner oder Lebensgefährte. Ob der gegen den Mieter erwirkte Räumungstitel auch ihnen gegenüber wirkt oder ob der Vermieter auch gegen sie einen Räumungsprozess führen muss, hängt jedoch von mehreren Faktoren und damit zumeist vom Einzelfall ab.

Ehepartner, Lebenspartner und nicht ehelicher Lebensgefährte
Der Ehepartner ist aufgrund des Gebots der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 1353 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stets als gleichberechtigter Mitbesitzer der Wohnung anzusehen (Bundesgerichtshof, Beschluss v. 25. 06. 2004, Az.: IX ZB 29/04). Gleiches gilt für den Lebenspartner des Mieters, vgl. §§ 1 I, 2 Lebenspartnerschaftsgesetz. Damit benötigt der Vermieter auch gegen den Ehepartner bzw. den Lebenspartner stets einen Räumungstitel. Ob der nicht eheliche Lebensgefährte Mitbesitzer ist, ist leider nicht so leicht zu bestimmen. Wurde etwa gegenüber dem Vermieter die Aufnahme des Lebensgefährten/der Lebensgefährtin in die Räumlichkeiten angezeigt oder hat er/sie sich unter der betreffenden Adresse bei der Gemeinde angemeldet, so ist wohl von einer Besitzerlangung auszugehen. Das bloße Einziehen mit „Sack und Pack“ genügt dagegen noch nicht, um Mitbesitz an der Mietwohnung zu begründen. Vielmehr muss nach außen erkennbar werden, dass der Partner neben dem Mieter Besitz an der Wohnung hat. Fehlt es am Mitbesitz der Wohnung, braucht es für den Lebensgefährten keinen eigenen Räumungstitel – er muss also zusammen mit seinem Partner ausziehen.

Minderjährige und volljährige Kinder
Lebt der Mieter zusammen mit seinen minderjährigen Kindern unter einem Dach, sind diese lediglich sog. Besitzdiener – niemals jedoch Mitbesitzer an der Wohnung. Zwar ist auch die kindliche Eigensphäre schützenswert – wären Minderjährige allerdings am Räumungsprozess als Mitbesitzer beteiligt, würden sie auch für die dabei entstehenden Kosten mithaften, was für sie nachteilig und damit unzulässig ist. Aus diesem Grund kann der Gerichtsvollzieher den Räumungstitel gegenüber dem ehemaligen Mieter samt seinen minderjährigen Kindern vollstrecken.

Gleiches gilt auch bei volljährigen Kindern, sofern sich bei Eintritt der Volljährigkeit die Besitzverhältnisse nicht ändern (BGH, Beschluss v. 19. 03. 2008, Az.: I ZB 56/07). Dies wäre z. B. der Fall, wenn das Kind in den Mietvertrag aufgenommen wird, innerhalb der Wohnung in einem abgeschlossenen Lebensbereich lebt oder auf andere Weise klar nach außen hin zum Ausdruck kommt, dass der Volljährige nunmehr Mitbesitzer der Wohnung ist.

Gerade Studenten oder Singles leben häufig in einer Wohngemeinschaft zusammen. Es ist in der Regel davon auszugehen, dass jedes WG-Mitglied Mitbesitzer an der Wohnung ist und die sog. Sachherrschaft darüber ausübt – unabhängig davon, wer den Mietvertrag unterschrieben hat und ob ein Untermietvertrag existiert –, sodass der Vermieter eine Zwangsräumung nur durchsetzen kann, wenn er einen Räumungstitel gegen alle WG-Mitglieder hat.

Räumung per einstweiliger Verfügung
Zusammenfassend kann der Vermieter also immense Probleme bekommen, wenn er nicht gegen alle Wohnungsbesitzer einen Räumungstitel vorweisen kann. Diese Personen darf der Gerichtsvollzieher nämlich nicht aus der Wohnung „werfen“. Im schlimmsten Fall lassen die Mitbesitzer den „zwangsgeräumten“ Mieter später sogar wieder in die Wohnung – für den Vermieter ändert sich dann nichts.
Er sollte daher rechtzeitig klären, wer in seiner Wohnung lebt, und gegen sämtliche Mitbesitzer einen Räumungstitel erstreiten. Hat er jedoch erst nach Erlangung des Räumungsurteils gegen einen Mieter und während seiner Zwangsräumung von Mitbesitzern erfahren, könnte ihm § 940a II ZPO weiterhelfen. Danach ist eine Zwangsräumung anderer Mitbesitzer der Wohnung per einstweiliger Verfügung – und damit ohne erneuten Räumungsprozess – möglich. Ferner muss gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegen und der Vermieter darf von dem Mitbesitz des Dritten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung über diesen Räumungstitel erfahren haben. Wenn der Vermieter also nur einen Räumungstitel gegen einen Mieter erstreitet, nicht aber auch gegen die ihm seit Langem bekannte Ehefrau, ist eine Zwangsräumung gegenüber der Frau nach § 940a ZPO nicht zulässig.

Übrigens: Hat der Vermieter gegenüber einem Mieter einen Räumungstitel erstritten, sollte er nicht versuchen, über § 940a ZPO die Zwangsräumung gegenüber sog. Besitzdienern – wie z. B. minderjährigen Kindern – durchzusetzen. Das zuständige Gericht würde einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisen und die Kosten dem Vermieter auferlegen (AG Hofgeismar, Urteil v. 18. 06. 2015, Az.: 40 C 243/15 (20)).

Autorin: Sandra Voigt, Assessorin und Redakteurin bei anwalt.de

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