Eine Mieterabfindung ist nicht steuerpflichtig

Leere Wohnungen verkaufen sich meist deutlich besser als vermietete Objekte. So zahlte ein Vermieter für die Beendigung des Mietvertrages an seinen Mieter eine Abfindung von 25.000 DM. Das Finanzamt war der Meinung, der Mieter müsse diesen Betrag als sonstige Einkünfte versteuern. Die Richter des Bundesfinanzhofes sahen jedoch einen Vermögenswert, der durch die Mieterschutzvorschriften geschaffene Position des Mieters entstanden ist. Die Aufgabe eines Vermögenswertes sei in einem solchen Fall nicht steuerpflichtig.Tipp: Auch der Vermieter kann in solchen Fällen die Abfindungen in der Regel steuerlich nicht absetzen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Wohnung nach Auszug des Mieters verkauft werden soll und der Eigentümer einen etwaigen Gewinn nicht versteuern müsste.

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Bild: Frank Wagner/stock.adobe.com
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Aus den Entscheidungsgründen

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) schlossen
am 11. August des Streitjahres (1992) mit ihrem Vermieter einen
Mietaufhebungsvertrag. Danach endete das seit 1987 bestehende, mit
einer Frist von einem Vierteljahr kündbare Mietverhältnis
zum 31. Oktober 1992. Die Kläger sollten bei Übergabe
der geräumten Wohnung bis zum 1. November 1992 eine einmalige
Abfindung in Höhe von 25.000 DM erhalten. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt – FA-) unterwarf die im
Streitjahr ausgezahlte Abfindung als sonstige Einkünfte i.S.
von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen
Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996,
654 veröffentlichten Urteil stattgegeben.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 22 Nr. 3
EStG.

Das FA beantragt, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und
die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO).

Das FG hat zu Recht entschieden, die Abfindung sei als Entschädigung
für die Aufgabe eines vermögenswerten Rechts nicht steuerbar.

  1. Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§
    2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie
    weder zu andere Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch
    zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG
    gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen
    und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände.
  1. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes
    Tun, Unterlassen oder Dulden, dass Gegenstand eines entgeltlichen
    Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird;
    ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche
    Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür
    erbracht wird, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz
    endgültig aufgegeben wird. Ob eine Zahlung als Entgelt für
    eine sonstige Leistung oder für die endgültige Aufgabe
    eines Vermögenswerts in seiner Substanz zu qualifizieren
    ist, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der zugrundeliegenden
    Leistungen. Entscheidend ist dabei nicht, wie die Parteien diese
    Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen
    Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt
    haben. Um eine nichtsteuerbare Entschädigung für die
    Aufgabe eines Vermögenswerts im Bereich der Vermögensumschichtung
    handelt es sich, wenn die wirtschaftliche Gesamtbeurteilung ergibt,
    dass der Vorgang dem Bild des Ausgleichs für eine Minderung
    des Vermögenswerts in seiner Substanz entspricht.
  2. Das FG hat unter Anwendung der im Urteil in BFHE 120, 182, BStBl.
    II 1977, 28 aufgestellten Rechtsgrundsätze zutreffend entschieden,
    der vorliegend zu beurteilende Vertrag begründe kein nach
    § 22 Nr. 3 EStG steuerbares Nutzungsverhältnis, weil der
    Rechtsvorgang unter Würdigung aller Umstände als veräußerungsähnlicher
    Vorgang dem (Normal-)Bild einer Vermögensumschichtung entspricht.
    Das durch einen Mietvertrag begründete Besitzrecht des Wohnungsmieters
    ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die eine Nutzungs-
    und Verfügungsbefugnis zum Inhalt hat. Auch die durch die
    Mieterschutzvorschriften (z.B. § 556a und 564b BGB) geschaffene
    Position des Wohnungsmieters hat Vermögenswert. Der Senat
    kann offen lassen, ob die in diesem Zusammenhang in einem Aufhebungsvertrag
    für die vorzeitige Freigabe der Mietsache versprochenen Zahlungen
    (sog. Abfindungen) des Vermieters an den Mieter der Wohnung bürgerlich-rechtlich
    grundsätzlich zulässig sind oder nicht. Im Streitfall
    hat Immobilien Vermieten nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen
    und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl.
    § 118 Abs. 2 FGO) an die Kläger eine Abfindung gezahlt. Die
    Würdigung des FG, nach dem Mietaufhebungsvertrag sei diese
    im Rahmen eines veräußerungsähnlichen Vorgangs
    für die vorzeitige Aufgabe der sich aus dem Mietvertrag ergebenden
    (vermögenswerten) Rechte der Kläger gezahlt worden,
    ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Vermieter
    für das fristgerechte Räumen der Wohnung gezahlte Abfindung
    ist nicht – wie das FA meint – lediglich Entgelt für
    die von den Klägern eingegangene Räumungsverpflichtung
    und die entgangene Nutzungsmöglichkeit. Soweit mit ihr nicht
    pauschal durch den Wohnungswechsel erfahrungsgemäß
    anfallende Mehrkosten ersetzt werden sollten, wozu das FG jedoch
    keine Feststellungen getroffen hat, erklärt sich die Bereitschaft
    des Vermieters zu dieser Leistung – unabhängig von der
    bürgerlich-rechtlichen Durchsetzbarkeit einer solchen Vereinbarung
    – nur aus dem (beim Empfang der Abfindung bereits vollzogenen)
    Verzicht der Kläger auf Ausübung der ihnen durch den
    Wohnungsmietvertrag zugewachsenen (vermögenswerten) Rechtsposition.
    Eine hierfür dem Mieter der Wohnung gezahlte Abfindung unterliegt
    nicht der Besteuerung nach § 22 nr. 3 EStG.

Gericht: BFH München
Aktenzeichen: IX R 89/95

Redaktion (allg.)

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