Aus den Entscheidungsgründen
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) schlossen
am 11. August des Streitjahres (1992) mit ihrem Vermieter einen
Mietaufhebungsvertrag. Danach endete das seit 1987 bestehende, mit
einer Frist von einem Vierteljahr kündbare Mietverhältnis
zum 31. Oktober 1992. Die Kläger sollten bei Übergabe
der geräumten Wohnung bis zum 1. November 1992 eine einmalige
Abfindung in Höhe von 25.000 DM erhalten. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt – FA-) unterwarf die im
Streitjahr ausgezahlte Abfindung als sonstige Einkünfte i.S.
von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung.
Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen
Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996,
654 veröffentlichten Urteil stattgegeben.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 22 Nr. 3
EStG.
Das FA beantragt, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, die Abfindung sei als Entschädigung
für die Aufgabe eines vermögenswerten Rechts nicht steuerbar.
- Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§
2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie
weder zu andere Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch
zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG
gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen
und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände.
- Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes
Tun, Unterlassen oder Dulden, dass Gegenstand eines entgeltlichen
Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird;
ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche
Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür
erbracht wird, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz
endgültig aufgegeben wird. Ob eine Zahlung als Entgelt für
eine sonstige Leistung oder für die endgültige Aufgabe
eines Vermögenswerts in seiner Substanz zu qualifizieren
ist, richtet sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der zugrundeliegenden
Leistungen. Entscheidend ist dabei nicht, wie die Parteien diese
Leistungen benannt, sondern was sie nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen
Verhältnisse wirklich gewollt und tatsächlich bewirkt
haben. Um eine nichtsteuerbare Entschädigung für die
Aufgabe eines Vermögenswerts im Bereich der Vermögensumschichtung
handelt es sich, wenn die wirtschaftliche Gesamtbeurteilung ergibt,
dass der Vorgang dem Bild des Ausgleichs für eine Minderung
des Vermögenswerts in seiner Substanz entspricht. - Das FG hat unter Anwendung der im Urteil in BFHE 120, 182, BStBl.
II 1977, 28 aufgestellten Rechtsgrundsätze zutreffend entschieden,
der vorliegend zu beurteilende Vertrag begründe kein nach
§ 22 Nr. 3 EStG steuerbares Nutzungsverhältnis, weil der
Rechtsvorgang unter Würdigung aller Umstände als veräußerungsähnlicher
Vorgang dem (Normal-)Bild einer Vermögensumschichtung entspricht.
Das durch einen Mietvertrag begründete Besitzrecht des Wohnungsmieters
ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die eine Nutzungs-
und Verfügungsbefugnis zum Inhalt hat. Auch die durch die
Mieterschutzvorschriften (z.B. § 556a und 564b BGB) geschaffene
Position des Wohnungsmieters hat Vermögenswert. Der Senat
kann offen lassen, ob die in diesem Zusammenhang in einem Aufhebungsvertrag
für die vorzeitige Freigabe der Mietsache versprochenen Zahlungen
(sog. Abfindungen) des Vermieters an den Mieter der Wohnung bürgerlich-rechtlich
grundsätzlich zulässig sind oder nicht. Im Streitfall
hat Immobilien Vermieten nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen
und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl.
§ 118 Abs. 2 FGO) an die Kläger eine Abfindung gezahlt. Die
Würdigung des FG, nach dem Mietaufhebungsvertrag sei diese
im Rahmen eines veräußerungsähnlichen Vorgangs
für die vorzeitige Aufgabe der sich aus dem Mietvertrag ergebenden
(vermögenswerten) Rechte der Kläger gezahlt worden,
ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Vermieter
für das fristgerechte Räumen der Wohnung gezahlte Abfindung
ist nicht – wie das FA meint – lediglich Entgelt für
die von den Klägern eingegangene Räumungsverpflichtung
und die entgangene Nutzungsmöglichkeit. Soweit mit ihr nicht
pauschal durch den Wohnungswechsel erfahrungsgemäß
anfallende Mehrkosten ersetzt werden sollten, wozu das FG jedoch
keine Feststellungen getroffen hat, erklärt sich die Bereitschaft
des Vermieters zu dieser Leistung – unabhängig von der
bürgerlich-rechtlichen Durchsetzbarkeit einer solchen Vereinbarung
– nur aus dem (beim Empfang der Abfindung bereits vollzogenen)
Verzicht der Kläger auf Ausübung der ihnen durch den
Wohnungsmietvertrag zugewachsenen (vermögenswerten) Rechtsposition.
Eine hierfür dem Mieter der Wohnung gezahlte Abfindung unterliegt
nicht der Besteuerung nach § 22 nr. 3 EStG.
Gericht: BFH München
Aktenzeichen: IX R 89/95
Redaktion (allg.)
◂ Heft-Navigation ▸