Fehlender Keller

Ein Einfamilienhaus, das keinen Keller hat, ist deswegen noch kein Objekt mit Mängeln, dessen Gebäudewert dadurch entsprechend sinkt.

Der Kläger hatte auf seinem bisher unbebauten Grundstück ein Haus errichtet, wodurch das Grundstück für die Steuer neu bewertet werden musste. Mit dem Ergebnis war er jedoch nicht einverstanden. Unter Hinweis auf den fehlenden Keller versuchte er, einen Abschlag vom Gebäude- und Grundstückswert durchzusetzen. Das Bewertungsgesetz sieht zwar unter bestimmten Umständen tatsächlich Ermäßigungen vor, ein fehlender Keller gehört aber nicht dazu.

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Bild: Frank Wagner/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) haben 1992 ein unbebautes Grundstück erworben und anschließend darauf ein frei finanziertes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 135,75 qm erstellt. Das Haus weist ein Erdgeschoss sowie ein ausgebautes Dachgeschoss auf und ist nicht unterkellert. Die Heizung befindet sich im Spitzboden. In die Wohnfläche des Erdgeschosses ist ein Hauswirtschaftsraum eingegangen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm mit Bescheid vom 10. Januar 1996 eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1995 vor. Den dabei festgestellten Einheitswert erhöhte es durch Einspruchsentscheidung vom 13. April 2000 auf … DM. Diesem Einheitswert lag eine Jahresrohmiete von … DM zugrunde, die auf dem Ansatz einer pauschalen Kostenmiete von 5,35 DM/qm für Gebäude der Ausstattungsgruppe V beruhte. Bei einem Vervielfältiger von 11,8 ergab sich daraus ein Grundstückswert von … DM, der mit einem Anteil von … DM auf das Gebäude entfiel. Wegen einer Garage erhöhte sich der Grundstückswert um 3 540 DM. Die pauschale Kostenmiete von 5,35 DM/qm, die unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. November 1998 II R 79/96 (BFHE 187, 104, BStBl II 1999, 10) sowie vom 4. März 1999 II R 106/97 (BFHE 188, 425, BStBl II 1999, 519) ermittelt worden war, lag unter dem Mietspiegelwert des FA für freifinanzierten nicht preisgebundenen Wohnraum.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgten die Kläger ihr Begehren, das Grundstück einer niedrigeren Ausstattungsgruppe zuzuordnen, weiter. Dem entsprach das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 567 veröffentlichten Urteil nicht. Es bestätigte vielmehr die vom FA zugrunde gelegte Ausstattungsgruppe und stellte sodann fest, dass der an die Kostenmiete anknüpfende Mietspiegelwert im Streitfall zu einer niedrigeren Monatsmiete führt, als sich aus den älteren Mietspiegeln ergeben hätte, die vorgaben, an tatsächliche Mieten anzuknüpfen.
Das FG hielt den angefochtenen Feststellungsbescheid jedoch insoweit für rechtswidrig, als der Umstand unberücksichtigt geblieben ist, dass das Gebäude nicht unterkellert ist. Diesem Umstand sei gemäß § 82 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch einen Abschlag vom Gebäudewert in Höhe von 23,5 v.H. Rechnung zu tragen. Ausgehend vom Gebäudewertanteil einschließlich desjenigen für die Garage von 2 874 DM gelangte es auf diese Weise zu einer Ermäßigung des Einheitswerts von … DM. Den Vomhundertsatz von 23,5 hatte es der Bewertungskartei 1965 der Oberfinanzdirektion Hannover (§ 82 BewG Karte 4a) entnommen. Dort wird die Höhe der Abschläge wegen behebbarer Baumängel und Bauschäden angegeben, wobei nach der Wertigkeit der mangelhaften oder schadhaften Bauteile differenziert wird. Danach soll dem Keller in einem eingeschossigen Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss eine Wertigkeit von 23,5 zukommen. Nach Ansicht des FG kann einem mangelhaften Keller keine höhere Bedeutung zukommen als einem fehlenden.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 82 Abs. 1 BewG.
Es wendet sich gegen die Ermäßigung des Einheitswerts wegen des Nichtvorhandenseins eines Kellers. Die Aufzählung der wertmindernden Umstände in § 82 Abs. 1 Satz 2 BewG sei zwar nicht abschließend; sie lasse aber erkennen, dass an andere Ermäßigungsgründe gedacht sei als an das Nichtvorhandensein eines Kellers.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger sind der Revision entgegengetreten:

Aus den Entscheidungsgründen

II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Tatsache, dass das zu bewertende Gebäude nicht unterkellert ist, rechtfertigt keine Ermäßigung des Grundstückswerts nach § 82 Abs. 1 BewG.
1.Bei der Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren ist der Grundstückswert gemäß § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete zu ermitteln und sodann ggf. nach Maßgabe der §§ 81 und 82 BewG zu ermäßigen und zu erhöhen. Mangelt es bei einem freifinanzierten Einfamilienhaus --etwa wegen einer Eigennutzung des Grundstücks-- an einer für das Objekt zu zahlenden Miete (Sollmiete) i.S. des § 79 Abs. 1 BewG, ist gemäß Abs. 2 der Vorschrift die übliche Miete für freifinanzierten Wohnraum im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen. Die übliche Miete ist gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung am 1. Januar 1964 regelmäßig gezahlt wurde. Scheitert eine derartige Schätzung daran, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden sind, und fehlt es auch an der Möglichkeit, die übliche Miete aus den Mieten anderer Grundstücksgruppen abzuleiten, weil eine bestimmte Gruppe von Grundstücken mit anderen Grundstücksgruppen nicht oder nicht hinreichend vergleichbar ist, und stehen deshalb keine anderen Schätzungsgrundlagen zur Verfügung, darf das FA bei der Aufstellung der sog. Mietspiegel als letztes Hilfsmittel auf eine Rahmenmiete zurückgreifen, die auf der Grundlage durchschnittlicher Grundstücks- und Baukosten aus den regelmäßigen Kapital- und Bewirtschaftungskosten hergeleitet wird --sog. Kostenmiete-- (BFH-Urteile in BFHE 187, 104, BStBl II 1999, 10, sowie in BFHE 188, 425, BStBl II 1999, 519). Dabei ist ein Kostenfaktor von 7 v.H. zugrunde zu legen.
Wurde bei der Festlegung des Mietspiegelwerts für bestimmte Grundstücksarten als letztes Hilfsmittel auf die Kostenmiete zurückgegriffen, weil andere Schätzungsgrundlagen nicht zur Verfügung standen, ist bei der Feststellung des Einheitswerts für diese Grundstücksgruppen der so abgeleitete Mietspiegelwert maßgebend. Außergewöhnliche Umstände, die im Einzelfall zu einer abweichenden (niedrigeren) Kostenmiete führen --wie z.B. niedrigere Baukosten, günstigere Zinskonditionen oder geringere Unterhaltungskosten--, bleiben unberücksichtigt (so BFH-Urteil in BFHE 188, 425, BStBl II 1999, 519, 521). Daher ist es für die Ermittlung der Kostenmiete unerheblich, dass die Baukosten eines Hauses ohne Keller niedriger sind als diejenigen eines Hauses mit Keller, wobei der Unterschiedsbetrag ohnehin nicht mit den vollen Kosten eines Kellers angesetzt werden könnte, da diesen Kosten die Aufwendungen für die Fundamentierung sowie die Isolierung des Erdgeschossbodens gegenüberzustellen sind.
Das Nichtvorhandensein eines Kellers führt auch nicht nach § 82 Abs. 1 BewG zu einer Ermäßigung des mit Hilfe der Kostenmiete ermittelten Grundstückswerts. Zwar ist dieser Umstand weder im Vervielfältiger noch in der Kostenmiete berücksichtigt; der fehlende Keller stellt jedoch keinen Umstand dar, der den in § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BewG aufgeführten Umständen vergleichbar wäre (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Juni 1974 III R 62/73, BFHE 112, 569, BStBl II 1974, 670, unter 2.). Er beeinträchtigt weder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Grundstücks, noch zwingt er zu Aufwendungen auf das Grundstück. Daher kann das Nichtvorhandensein eines Kellers auch nicht einem Baumangel oder Bauschaden eines Kellers gleichgestellt werden. Baumängel oder -schäden müssen zur Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Grundstücks beseitigt werden und verursachen somit Kosten. Ein nicht unterkellertes Haus ist dagegen ohne weitere Aufwendungen zu benutzen. Weitere Ermäßigungen über die §§ 81 und 82 BewG hinaus sieht das Gesetz nicht vor. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war sie aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Voraussetzungen für den Ansatz einer Kostenmiete anstelle der üblichen Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG sind gegeben. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG scheiterte eine Schätzung der üblichen Miete i.S. des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG im Vergleichswertverfahren daran, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Objekte nicht vorhanden sind und auch die Möglichkeit fehlte, die gesuchte Miete aus den Mieten anderer, aber mit der hier betroffenen Grundstücksgruppe vergleichbarer Grundstücksgruppen abzuleiten. Eine Ermäßigung des Grundstückswerts nach § 81 BewG ist im Streitfall gewährt worden; ein weiterer Ermäßigungstatbestand ist nicht erfüllt. Die Ausführungen des FG, wonach das streitgegenständliche Gebäude der Ausstattungsgruppe V zuzuordnen ist, lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

Gericht: BFH München
Aktenzeichen: II R 72/06

Redaktion (allg.)

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