Hochwasser: Mietminderung

Werden Keller und Wohnung im Winter regelmäßig überflutet, ohne dass dies auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, so kann der Mieter die Miete ganzjährig um 5 % mindern.

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Bild: vegefox.com/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

keine Angaben

Aus den Entscheidungsgründen

Die Klage ist unbegründet. Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Mietzinszahlung in Höhe von noch insgesamt 350,-- DM für die Monate März bis Juli 1995 aus 535 BGB zu. Zwar weisen die Kläger mit ihrer Anschlussberufung zutreffend darauf hin, dass sie mit ihrer Klage den nicht gezahlten Mietzins für die Monate März bis Juli 1995 (5 x 100 DM) geltend gemacht und bereits in ihrer Klageschrift klargestellt haben, dass sie die Minderung für Februar 1995 akzeptieren. Da das Amtsgericht für die Monate März, April und Mai 1995 eine Minderung von je 50 DM angenommen und ab Juni keine Minderung mehr zuerkannt hat, ergibt sich rechnerisch statt des ausgeurteilten Betrages von 250 DM ein Rückstand von insgesamt 350 DM.
Diesen können die Kläger von der Beklagten jedoch nicht verlangen, da die Beklagte auch für die Monate Juni und Juli 1995 zu einer Minderung von monatlich 50 DM berechtigt war und der restliche Rückstand in Höhe von 250 DM durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen ist.
Der Beklagten steht ein Minderungsrecht in Höhe von monatlich 50 DM aus § 537 BGB zu, da der zu ihrer Wohnung gehörende Kellerraum wegen der latenten Hochwassergefahr nur eingeschränkt nutzbar ist. Das Bestehen einer Gefahrenlage kann ohne Eintritt der konkreten Schadenssituation einen Mangel darstellen, wenn sich die Gefahrenlage als solche bereits gebrauchsmindernd auswirkt. Davon ist vorliegend auszugehen. Das Haus liegt im Hochwassergebiet und es ist aufgrund dieser Lage und des Zustandes des Hauses jedenfalls in den Wintermonaten damit zu rechnen, dass Wasser in die unteren Räumlichkeiten eindringt. Entgegen dem Vorbringen der Kläger kann vorliegend auch nicht mehr von einem außergewöhnlichen Schadenseintritt aufgrund ungewöhnlicher Witterungsverhältnisse ausgegangen werden. Aus der zur Akte gereichten Informationsbroschüre der Stadt Rotenburg ergibt sich, dass in den Monaten Dezember bis Januar regelmäßig mit Hochwasserständen zu rechnen ist, deren Ursachen (Schneeschmelze, stärkere Regenfälle, Wärmeeinbrüche) durchaus keine ungewöhnlichen Ereignisse darstellen. Da nach dem eigenen Vorbringen der Kläger in der Zeit vom 12.1.1993 bis 24.1.1995 insgesamt dreimal Wasser in den Keller eingedrungen ist, kann nur festgestellt werden, dass die durchgeführten Sicherungsmaßnahmen offenbar nicht ausreichend sind, um den Keller gegen das Eindringen des Hochwassers zu schützen. Nach der Rechtsprechung des BGH müssen die Mieträume jedoch so beschaffen sein, dass sie unter gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen gegen Eindringen des Wassers geschützt sind. Lediglich dann, wenn der Wassereintritt auf außergewöhnlicher Witterungslage beruht, ist kein Fehler der Mietsache anzunehmen. Davon kann jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht ausgegangen werden.
Obwohl das Hochwasser üblicherweise nur in den Wintermonaten zu erwarten ist, rechtfertigt sich eine ganzjährige Minderung, da nicht erwartet werden kann, dass der Mieter zweimal im Jahr seinen Keller aus- bzw. umräumt. Allerdings ist die Gebrauchstauglichkeit nicht durchgehend völlig aufgehoben, da - worauf die Kläger zutreffend hinweisen - die zu lagernden Gegenstände auf Regalen gelagert werden können. In Anbetracht der üblichen Kosten für die Anmietung einer Garage von monatlich 60 DM und des Umstandes, dass ein Kellerraum für den Wohngebrauch eine größere Bedeutung besitzt, erscheint im Verhältnis zu dem von der Beklagten zu entrichtenden monatlichen Kaltmietzins von 1.094 DM eine durchgehende Minderung von 50 DM monatlich angemessen, so dass ein Restanspruch von 250 DM verbleibt.
Dieser ist allerdings durch die hilfsweise Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 538 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BGB erloschen. Ausweislich der zur Akte gereichten Rechnung, die von den Klägern nicht bestritten worden ist, musste nach dem Wassereintritt im Januar 1993 die Waschmaschine der Beklagten repariert werden, wofür sie Kosten in Höhe von unstreitig 589 DM aufgewendet hat, die sie hilfsweise gegenüber einem etwaigen Restmietzinsanspruch der Kläger zur Aufrechnung gestellt hat.
Die Widerklage hat nach den vorstehenden Ausführungen Erfolg, soweit mit ihr noch 89 DM aus der Reparaturkostenrechnung betreffend die Waschmaschinenreparatur geltend gemacht werden. Im übrigen hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die geltend gemachten Gegenstände überhaupt bei einem Wassereintritt beschädigt oder gar unbrauchbar geworden seien und welchen Wert sie zu diesem Zeitpunkt noch besaßen. Die Kläger haben bereits in erster Instanz zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich nach den zur Akte gereichten Rechnungen überwiegend um mehr als 10 Jahre alte Gegenstände handelt, und zudem bestritten, dass die aufgelisteten Gegenstände überhaupt durch einen Wassereintritt beeinträchtigt worden seien. Die Beklagte hat in zweiter Instanz insoweit nur pauschal auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug genommen, ohne zur Entstehung des Schadens sowie zu den Wiederbeschaffungswerten Stellung zu nehmen. Ihrem Beweisantritt zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts der aufgelisteten Gegenstände war nicht nachzugehen, da es bereits an einem Beweisantritt für die Beschädigung der Gegenstände fehlt.
Nach alledem war der Berufung der Beklagten stattzugeben, soweit sie Klageabweisung und widerklagend einen Betrag von 89 DM geltend gemacht hat.

Gericht: LG Kassel
Aktenzeichen: 1 S 128/96
Urteil vom: 05.08.1996

Redaktion (allg.)

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