Kündigungsgrund Müll?

Lagert ein Mieter in seiner Wohnung Müll, der zu einer Geruchsbelästigung der Mitmieter führt, ist dies noch kein Grund für eine fristlose Kündigung. Die sei erst gerechtfertigt, wenn die "Müllsammlung" die Mietsache selbst beeinträchtigt und zu einer dauerhaften Belästigung der Mitbewohner führt.

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Bild: Frank Wagner/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 15. 2. 1992 mietete der Beklagte von
der Klägerin eine 2-Zimmer-Wohnung in Frankfurt am Main in .... Die
Nettomiete beträgt derzeit 284,84 Euro.

Im Jahre 2000 fand in der Wohnanlage des Beklagten eine turnusmäßige
Begehung aller Wohnungen zur Feststellung des Zustandes statt. Der Beklagte
gewährte keinen Zutritt, der Klägerin fiel ein unangenehmer
Geruch vor der Wohnungstür des Beklagten auf. Im September 2001 beschwerten
sich Nachbarn des Beklagten über den unangenehmen Geruch vor der
Wohnung des Beklagten und im davor liegenden Bereich des Treppenhauses.
Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 13. 9. 2001 einen Besichtigungstermin
für den 19. 9. 2001 an. An dem Besichtigungstermin öffnete der
Beklagte die Tür nur etwa zur Hälfte und ließ die Mitarbeiter
der Klägerin nicht eintreten. Durch die Tür konnten die Mitarbeiter
der Klägerin jedoch erkennen, dass der Fußboden erheblich verschmutzt
war, dass sich Unrat, Altpapier und Sperrmüll in großen Haufen
schon im Eingangsbereich stapelten. Wegen der gestapelten Gegenstände
war es dem Beklagten auch nicht möglich, die Tür weiter zu öffnen.
Der Wohnung des Beklagten entströmte ein unangenehmer Gestank.

Der Beklagte leidet seit 14 Jahren an Blasenkrebs und dadurch bedingt
an Mattigkeit. Er hat eine umfangreiche Privatbibliothek, mit der er u.a.
die Fensterbretter vollgestellt hat.

Die Klägerin forderte den Beklagten mündlich im Rahmen des
Besuches und nochmals mit Schreiben vom 24. 9. 2001 auf, die Wohnung zu
entrümpeln und zu reinigen und zu einem neuen Termin am 9. 10. 2001
Zutritt zur Wohnung zu gewähren.

Da der Beklagte den Termin kurzfristig absagte und keine der geforderten
Arbeiten durchführte, mahnte ihn die Klägerin mit Schreiben
vom 31. 10. 2001 ab. Der neue Besichtigungstermin vom 4. 12. 2001 wurde
vom Beklagten nicht wahrgenommen. Der Beklagte gewährte weder der
Firma ... zur jährlichen Wartung der Gastherme noch der Firma ...
zum Ablesen des Wasserzählers Zutritt.

Mit Schreiben vom 10. 1. 2002 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis
fristlos, hilfsweise ordentlich.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte würde die Wohnung nie
lüften, da nach den regelmäßigen Beobachtungen des Hausmeisters
die Fenster und Rollläden stets völlig geschlossen sind, was
man auch am vor den Fenstern liegenden Laub und Schmutz erkennen könne.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die ... gelegene
Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Diele, Küche, Bad mit WC, Kellerabteil
und Dachbodenanteil zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, es bestehe eine Dauerlüftung, weil im Fenster
zur Straße oben eine Vorhangstange eingeklemmt sei, die das Fenster
stets etwas gekippt lasse. Dieses Fenster kippe er nachts öfter ganz.
In der Küche sei über dem Fenster eine Zwangsentlüftung.

Aus den Entscheidungsgründen

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung
und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß
§ 546 Abs. 1 BGB.

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die fristlose
Kündigung vom 10. 1. 2002 nicht beendet worden.

Die Klägerin war aufgrund des Verhaltens des Beklagten nicht berechtigt,
das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2
BGB oder gemäß § 569 Abs. 2 BGB zu kündigen.

Zwar hat der Beklagte durch sein Verhalten die ihm obliegende Sorgfalt
hinsichtlich der Wohnung vernachlässigt. Die Klägerin hat aber
nicht dargelegt, dass dadurch die Mietsache erheblich gefährdet wird.

Was Altpapier und Sperrmüll in der Wohnung betrifft, so ist es Sache
des Mieters, was und wo er in seiner Wohnung lagern möchte und inwieweit
er Ordnung einhalten möchte oder nicht. Eine Wohnung ist der engste
Lebensbereich des Mieters, hier hat Immobilien Vermieten nicht seine Ordnungsvorstellungen
durchzusetzen. Eine Grenze ist nur dort gesetzt, wo die Mietsache vernachlässigt
und dadurch erheblich gefährdet wird.

Der Beklagte ist daher verpflichtet, die Wohnung ausreichend zu lüften,
Immobilien Vermietenin Zutritt zu gewähren, Zutritt für die Wartung
der Gastherme und die Ablesung des Wasserzählers zu gewähren
und Ungezieferbefall zu verhindern.

Unangepasstes Wohnverhalten ist so lange hinzunehmen, wie seine Folgen
nicht nach außen dringen. Belästigungen durch Gerüche
und die Verursachung von Ungezieferbefall sind hingegen nicht mehr sozialüblich
(Lammel, Wohnraummietrecht, § 554 a BGB Rdnr. 23). Ungezieferbefall hat
die Klägerin nicht behauptet. Sie hat auch keine näheren Angaben
zur Art des gestapelten Unrats und Sperrmülls gemacht, so dass sich
nicht abschätzen lässt, ob tatsächlich die Gefahr von Ungezieferbefall
gegeben ist. Ungeziefer wird nicht von jeder Art Sperrmüll angezogen.

Der von der Wohnung ausgehende Geruch ist von der Klägerin nicht
hinzunehmen. Ein Verstoß gegen die Regeln des Zusammenlebens reicht
allein für die Kündigung aber nicht aus, vielmehr muss dadurch
der Hausfrieden nachhaltig gestört werden. Die Verstöße
müssen also eine Intensität und Dauer angenommen haben, die
die Toleranzschwelle bei weitem überschreiten. Ein Anhaltspunkt hierfür
ist die Mietminderung durch andere Mieter (Lammel, Wohnraummietrecht,
§ 554 a BGB Rdnr. 25). Hierzu trägt die Klägerin nur vor, dass
sich im September 2001 Nachbarn über den unangenehmen Geruch vor
der Wohnung des Beklagten und im Treppenhaus beschwert hätten. Eine
nachhaltige Störung des Hausfriedens lässt sich darauf nicht
ablesen.

Eine unzureichende Lüftung birgt die Gefahr einer Schimmelbildung
in der Wohnung. Dies hängt aber von den Umständen des Einzelfalles
ab, insbesondere von der Baualtersklasse der Liegenschaft, der Bausubstanz
und normalen Zuglufterscheinungen. Hierzu ist von der Klägerin nichts
vorgetragen worden. Der unangenehme Geruch deutet nicht unbedingt auf
Schimmelbildung hin, er kann seine Ursache einfach nur in der mangelnden
Lüftung haben. Eine konkrete Gefährdung der Mietsache ist auch
aus diesem Gesichtspunkt daher nicht zu erkennen.

Wie bereits dargelegt, ist der Beklagte verpflichtet, die Gastherme warten
zu lassen und den Wasserzähler ablesen zu lassen. Eine Weigerung
berechtigt die Klägerin aber nicht zur fristlosen Kündigung.
Die Klägerin kann vielmehr ihr Zutrittsrecht gerichtlich durchsetzen.
Auf diesem Wege könnte die Klägerin auch ihr Besichtigungsrecht
durchsetzen, um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß der Wohndung
durch das Wohnverhalten des Beklagten Schäden drohen. Durch eine
halb geöffnete Wohnungstür ist dies nicht zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
 

Gericht: AG FRANKFURT/M.
Aktenzeichen: 33 C 153/02-93

Redaktion (allg.)

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