Markisen bei Sturmwarnung einrollen

Wer bei aufkommendem Sturm trotz ernster Warnungen vor einem orkanartigen Unwetter die Markisen an seinem Haus nicht einfährt, kann im Falle von deren Beschädigung durch herabfallende Dachziegel nicht mit einem Schadenausgleich durch die Hausratversicherung rechnen. Selbst wenn diese in der Auflistung ihres Leistungsspektrums ausdrücklich die Sonnensegel mit einbezogen hatte. In dem Fall liegt nämlich grob fahrlässiges Verhalten vor. Der Hausbesitzer wollte sich zwar noch damit herausreden, er habe ja mit den extra nicht eingerollten Planen nur schlimmeres Übel verhütet. Hätten die offen gebliebenen Stoffsegel nämlich nicht die Dachziegel abgefangen, wären sie ungebremst auf die Glasbausteine des Terrassenbodens gefallen, was der Versicherung weitaus teurer gekommen wäre. Doch er blieb auf einer Rechnung von über 1.000 Euro sitzen.

 

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Bild: Vaceslav Romanov/stock.adobe.com
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Aus den Entscheidungsgründen

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung in Anspruch.
Er schloss bei der Beklagten eine Hausratversicherung, die gemäß § 1 Nr. 4 a) der Versicherungsbedingungen auch Markisen umfasste. Am Haus des Klägers in Kleve befanden sich zwei Markisen. Am 18.1.2007 zog der Sturm „Kyrill“ über Kleve hinweg. Der Kläger zog während des Sturms die Markisen nicht ein.


Der Kläger hat behauptet, während des Sturms seien Dachziegel auf die beiden ausgefahrenen Markisen herabgefallen. Dadurch seien beide Markisen beschädigt worden. Die Wiederherstellung koste 1.174,90 Euro.
Er ist der Ansicht gewesen, es habe ihm nicht oblegen, die Markisen vor dem Sturm einzuziehen. Hierzu behauptet er, die Markisen seien so konstruiert, dass sie auch bei Regen ausgefahren bleiben könnten. Unterhalb der Markisen habe sich ein aus Glasbausteinen bestehender Terrassenboden befunden. Wenn die Markisen nicht ausgefahren gewesen wären, wären die Dachziegel auf dem Terrassenboden aufgeschlagen und hätten dort einen Schaden verursacht, der noch größer gewesen wäre als der Schaden an den Markisen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe den Schaden grobfahrlässig herbeigeführt. Der Sturm sei bereits Tage zuvor in den Medien angekündigt worden. Dem Kläger hätte es daher oblegen, die Markisen einzuziehen. Dann wäre es nicht zu dem Schaden gekommen.

Dieser Auffassung hat sich das Amtsgericht Kleve angeschlossen und mit Urteil vom 11.7.2007 die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 1.772,70 Euro aus § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG gegen die Beklagte. Die Haftung der Beklagten ist gemäß § 61 VVG in Verbindung mit § 31 Nr. 2 Satz 2 der Vertragsbedingungen ausgeschlossen. Der Kläger hat den Schaden an den Markisen durch sein grobfahrlässiges Verhalten herbeigeführt.
Der Kläger hat zwar nicht durch ein aktives Tun den Versicherungsfall herbeigeführt. Der Vorwurf besteht vielmehr darin, es bei dem aufziehenden Sturm unterlassen zu haben, die Markisen einzuziehen. Auch ein solches Unterlassen führt jedoch zu einem im Sinne des § 61 VVG herbeigeführten Versicherungsfall, wenn der Versicherungsnehmer mögliche und zumutbare Gefahr mindernde oder -verhütende Maßnahmen unterlässt. Auf eine besondere „Garantenstellung“ oder die Verletzung einer gesetzlichen oder versicherungsvertraglichen Bestimmung kommt es dabei nicht an. Notwendig ist, dass der Versicherungsnehmer das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen nicht ergriffen hat (vgl. BGH VersR 1986, 962, 963; VersR 1989, 582, 583). Dabei ist die Kenntnis von Umständen ausreichend, aus denen sich ergibt, dass der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH, VersR 1986, 962, 963).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hätte durch eine einfache und ihm ohne Weiteres zumutbare Maßnahme den Schaden an den Markisen vermeiden können. Denn er hätte die Markisen vor dem herannahenden Sturm einziehen können. Dies wäre mit einem geringen Aufwand verbunden und ihm ohne Weiteres zuzumuten gewesen. Dagegen spricht nicht, dass er durch die Einziehung der Markisen eine Gefahr für den Terrassenboden geschaffen hätte. Indem der Kläger die Markisen quasi als Auffangmittel für herabfallende Gegenstände benutzt hat, hat er diese Einrichtungen zweckwidrig verwendet. Markisen dienen als Sonnenschutz und allenfalls als Schutz vor Regen. Keinesfalls dürfen sie als Fänger für herabfallende Dachziegel verwendet werden. Der Hersteller der Markisen hat auch nicht versprochen, dass die Markisen dafür geeignet sein könnten. Es war auch unmittelbar in Betracht zu ziehen, dass die Markisen einen Schaden erleiden könnten, wenn sie bei dem Sturm ausgefahren bleiben. Es war nahe liegend, dass im Verlaufe des Sturms Dachziegel oder auch andere Gegenstände auf die Markise fallen könnten. Es drängt sich auf, dass die Markise solchen Einwirkungen nicht würde standhalten können. Dagegen spricht nicht, dass der Hersteller der Markisen versprach, dass die Markisen auch bei Regen ausgefahren blieben können. Die Gefahr für die Markisen drohte nicht durch die zu erwartenden Niederschläge, sondern durch andere heftigere Einwirkungen.

Der Kläger hat auch grobfahrlässig gehandelt. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maß verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 10, 14, 16; BGH VersR 1989, 582, 583, LG Kleve, Urteil vom 27.4.2007, Az. 5 S 48/06). Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass er die Warnungen in den Medien vor dem aufziehenden Sturm „Kyrill“ zur Kenntnis genommen hat. In dieser Situation hätte es jedem sofort eingeleuchtet, die Markisen vor den Einwirkungen des Sturms zu schützen und diese einzuziehen. Darüber hinaus ist für eine grobe Fahrlässigkeit erforderlich, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maß außer Acht gelassen worden ist (vgl. BGH VersR 1986, 992, 993; VersR 1989, 141, 142). Auch dies ist zu bejahen. Dem Kläger mussten sich die dargestellten Risikoumstände, die mit dem herannahenden Sturm verbunden sind, aufdrängen. Angesichts dieser Risikolage stellte es den jedermann einleuchtenden unverzichtbaren Mindeststandard dar, die Markisen zum Schutz vor dem Sturm einzuziehen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von 1.772,70 Euro gemäß §§ 62, 63 VVG gegen den Beklagten. Danach kann der Versicherungsnehmer den Ausgleich von Aufwendungen verlangen, die er bei dem Eintritt eines Versicherungsfalls zur Abwehr oder zur Minderung eines Schadens macht.

Es lässt sich jedoch bereits nicht feststellen, dass der Kläger die Aufwendungen bei Eintritt eines Versicherungsfalls gemacht hat. Der Terrassenboden, dessen Beschädigung der Kläger vermeiden wollte, gehörte nicht zu den versicherten Hausratsgegenständen. Gemäß § 1 Nr. 6 a) der Versicherungsbedingungen sind Gebäudebestandteile grundsätzlich nicht mitversichert. Dass dieser Boden bei der Beklagten anderweitig versichert ist, zum Beispiel durch eine Wohngebäudeversicherung, trägt der Kläger nicht vor.

Darüber hinaus ist Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers auf Ersatz von Rettungskosten, dass der Kläger die Markisen zu dem Zweck nicht eingezogen hat, den Terrassenboden vor einem Schaden zu bewahren. Erforderlich ist, dass die Handlung bzw. Unterlassung auf die Abwendung des Schadens abzielte (BGH VersR 1994, S. 1182). Dies lässt sich jedoch nicht feststellen. Es ist denkbar und sogar überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger nicht in Rettungsabsicht, sondern aus grober Unachtsamkeit die Markisen nicht eingezogen hat.
Der Kläger hat auch keinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683, 670 BGB gegen die Beklagte.

Er hat kein Geschäft für die Beklagte besorgt. Eine Geschäftsbesorgung setzt eine Tätigkeit für den Geschäftsherrn voraus. Ein bloßes Unterlassen genügt dazu nicht (Palandt-Sprau, Kommentar zuj BGB, 66. Auflage, § 677, Rdnr. 2). Ferner lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger ein Geschäft für die Beklagte geführt hat. Für einen Schaden an dem Terrassenboden wäre die Beklagte nicht verantwortlich gewesen (s.o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung für die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor.

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Gericht: LG Kleve
Aktenzeichen: 5 S 119/07
Urteil vom: 23.11.2007

Redaktion (allg.)

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