Persönlichkeitsrecht im Bad

Werden die Intimsphäre und das Persönlichkeitsrecht eines Mieters verletzt, so kann die Miete um 100 % gekürzt werden.

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Bild: Andrey Popov/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung vom 13.2.2006 sowie um Mietminderung wegen eines im Bade angebrachten venezianischen Spiegels.
Am 13.10.2005 mietete der Kläger von der Beklagten ein Zimmer im 5. Stock des Vordergebäudes des Hauses Nr. 6 in der …. Der monatliche Mietzins betrug 213 Euro. Das Mietverhältnis begann am 1.11.2005. Mit Abschluss des Mietvertrages verpflichtete sich der Kläger auch zur Entrichtung einer Mietsicherheit in Höhe von 300 Euro. Es wurde vereinbart, dass die Mietsicherheit mit 2 % zu verzinsen ist. Am 9.12.2005 entrichtete der Kläger an den Beklagten die vereinbarte Kaution von Höhe von 300 Euro. Ferner wurden vom Beklagten an den Kläger Mietzinsen für die Monate November und Dezember 2005 in Höhe von je 213 Euro sowie für den Monat Januar 2006 in Höhe von 231 Euro entrichtet.
Am 31.1.2006 bemerkte der Mitbewohner des Klägers seltsame Verfärbungen am Spiegel im Badezimmer der Wohnung. Bei genauerem Hinsehen stellte der Mitbewohner Rost fest, dass der Spiegel offenbar durchsichtig ist. Daraufhin verständigten der Mitbewohner und der hinzugekommene weitere Mitbewohner gegen 21.30 Uhr die Polizei. Bei der näheren Überprüfung wurde festgestellt, dass es sich um einen sogenannten venezianischen Spiegel handelt, der er ermöglicht, von einem für die Mitbewohner unzugänglichen Raum aus das Geschehen im Gemeinschaftsbad unbemerkt zu beobachten. Der Spiegel war fest mit der Mauer verbunden. Hinter dem Spiegel konnte ein kleiner Mauerdurchbruch festgestellt werden. In dem hinter dem venezianischen Spiegel befindlichen Abstellraum wurden bei einer polizeilichen Durchsuchung diverse Hefte pornografischen Inhalts gefunden. Weiterhin befanden sich in diesem Raum Videokassetten mit pornografischem Inhalt.
Nachdem der Kläger von dem Vorhandensein eines venezianischen Spiegels in dem von ihm angemieteten Bad Kenntnis hatte, kündigte er das Mietverhältnis am 15.2.2006 fristlos. Das Kündigungsschreiben richtete der Kläger an den Ehemann der Beklagten, da der Mietvertrag vom 13.10.2005 von diesem, wie auch die Empfangsquittung hinsichtlich der Kautionszahlung in Höhe von 300 Euro vom 8.12.2005 unterschrieben war. Das Kündigungsschreiben erfolgte unter Einschaltung seines Rechtsanwalts … der für sein vorprozessuales Tätigwerden Anwaltskosten in Höhe von 265,99 Euro geltend machte.
Der Kläger ist der Meinung, dass die an den Ehemann der Beklagten gerichtete fristlose Kündigung zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt hat, da der Ehemann der Beklagten regelmäßig als Vertreter der Beklagten tätig geworden ist. Der Kläger ist weiterhin der Meinung, dass durch das Vorhandensein eines venezianischen Spiegels im Bad der Mietzins auf Null zu mindern war. Der Kläger ist schließlich der Auffassung, dass ihm ein Schadenersatzanspruch in Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zusteht.

Aus den Entscheidungsgründen

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

1. Es war festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 15.2.2006 gekündigt worden ist. Die Wirksamkeit der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung wird nicht dadurch gehindert, dass die Kündigung gegenüber dem Ehemann der Beklagten ausgesprochen wurde.
Nach unbestrittenem Vortrag der Klägerpartei und ausweislich der von der Klägerpartei vorgelegten Urkunden ist der Ehemann der Beklagten regelmäßig für diese im Rahmen des streitgegenständlichen Mietverhältnisses tätig geworden. So wurde der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag im Auftrag der Beklagten vom Ehemann der Beklagten unterschrieben. Ebenso wurde eine Kautionszahlung in Höhe von 300 Euro vom Ehemann der Beklagten quittiert. Schließlich rechnete nach Kündigung des Mietverhältnisses der Ehemann der Beklagten über die vom Kläger gezahlte Kaution am 16.5.2006 ab. Der Ehemann der Beklagten handelte somit mit Duldungsvollmacht. Es mag daher dahinstehen, ob die Beklagte den Kläger zur Entgegennahme einer außerordentlichen Kündigung ausdrücklich bevollmächtigt hat. Zumindest hat die Beklagte es geduldet, dass ihr Ehemann den Mietvertrag mit der Klagepartei abschloss. Somit duldete sie das Auftreten ihres Ehemannes als Vertreter innerhalb des streitgegenständlichen Mietverhältnisses. Der Ehemann der Beklagten wurde sogar noch über das Ende des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses in Vertreterfunktion tätig, indem der über die vom Kläger entrichtete Kaution abrechnete. Wer wissentlich den Tatbestand einer Duldungsvollmacht setzt, kann sich auch wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nicht auf den fehlenden Bevollmächtigungswillen berufen.
Das Mietverhältnis wurde durch außerordentliche Kündigung des Klägers vom 13.2.2006 zum 15.2.2006 beendet. Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutete werden kann. Dies war hier der Fall.
Durch die Anbringung eines venezianischen Spiegels im Bad wurde die Intimsphäre und das Persönlichkeitsrecht der Klägers massiv gestört. Durch die Schaffung einer Beobachtungsmöglichkeit war es dem Kläger nicht mehr zuzumuten, das Bad zu nutzen, da dieser jederzeit damit rechnen musste, dass er heimlich beobachtet wird. Zudem war das zwischen den Parteien bestehende Vertrauensverhältnis durch das Verhalten der Beklagten nachhaltig gestört. Die Beklagte hat bereits bei Vertragsschluss dem Kläger arglistig verschwiegen, dass sich im Bad ein venezianischer Spiegel befindet. Dieses arglistige Verschweigen rechtfertigt es jedenfalls, dass der Kläger das Mietverhältnis ab Bekannt werden außerordentlich kündigt.
Die außerordentliche Kündigung des Klägers ist auch gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, war dem Mieter der Ablauf einer Abhilfefrist nicht zuzumuten, da das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist.

2. Die Beklagte war weiterhin zur Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 1.084,85 Euro zu verurteilen.
a) Der Zahlungsanspruch basiert zum einen aus einem Schadenersatzanspruch in Höhe von 144,59 Euro. Zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses setzte der Kläger einen Rechtsanwalt ein, der die außergerichtlichen Gebühren in Höhe von 265,99 Euro in Rechnung stellte. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadenersatz aus Verletzung einer Nebenpflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat durch zur Verfügung stellen eines Wohnraums mit eingebautem venezianischen Spiegel ihre Pflichten aus dem Mietverhältnis schuldhaft verletzt. Der Beklagten war auch bekannt, dass sich ein venezianischer Spiegel im Bad der streitgegenständlichen Wohnung befindet. Die Höhe von der von Klägerseite zu beanspruchenden Gebühren bemisst sich nach dem RVG. Gemäß RVG 2400 kann der Kläger für eine 1,3 Geschäftsgebühr aus 2.500 Euro einen Betrag in Höhe von 209,30 Euro geltend machen, hinzu kommen Auslagenpauschalen in Höhe von 20 Euro. Gemäß Anlage 1 Teil 3 Absatz 4 des RVG sind die im Gerichtsverfahren anfallenden Gebühren jedoch zur Hälfte auf die außergerichtlichen Gebühren anzurechnen, so dass zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % ein Schaden in Höhe von 144,59 Euro entstanden ist.
Der Zahlungsanspruch der Klagepartei ist auch im Übrigen begründet. Die Klagepartei begehrt Rückzahlung der Monatsmieten November, Dezember 2005 in Höhe von 213 Euro und für Januar 2006 in Höhe von 231 Euro. Es besteht ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB. Der Kläger hatte an die Beklagte Mietzinszahlungen für die genannten Monate entrichtet, obwohl der Mietzins gemäß § 536 BGB auf Null gemindert war. Zwar hat die Beklagtenpartei eingewandt, dass die Wohnung für den Kläger während der drei Monate vollständig benutzbar gewesen sei. Dennoch ist bei Einbau eines venezianischen Spiegels von einer 100 prozentigen Mietminderung auszugehen, da durch den Einbau des venezianischen Spiegels und die anschließende Vermietung an den Kläger eine massive Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts Seitens der Beklagten begangen wurde. Der Wohnwert einer derart beeinträchtigten Wohnung mindert sich auf Null, da die Tauglichkeit des in der streitgegenständlichen Wohnung befindlichen Bades auf Null gemindert war. Dieser Mangel schlägt auf die gesamte streitgegenständliche Wohnung durch. Die streitgegenständliche Wohnung war ohne nutzbares Bad für den Beklagten wertlos. Diese Minderung ist ungeachtet der Kenntnis bzw. Unkenntnis des Klägers vorzunehmen, da es im Rahmen des § 536 BGB nicht darauf ankommt, ob dem Kläger der Mangel der Mietsache bekannt war.
Ebenso war der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution 6 Monate nach Mietende begründet und fällig.

Gericht: AG München
Aktenzeichen: 473 C 18682/06
Urteil vom: 19.10.2006

Redaktion (allg.)

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