Neues Modell für Privatanleger
Private Anleger investieren ihr Geld in eine Bürger-AG, diese finanziert vergleichsweise günstige Mietwohnungen in der Universitätsstadt. Der erste Neubau mit 1.200 Quadratmetern Wohn- und Gewerbefläche ist ausgebucht und wurde jetzt bezogen.
Das Projekt hat Modellcharakter. Durch den jahrelangen Förderstopp im sozialen Wohnungsbau und angesichts knapper öffentlicher Kassen sind bezahlbare Mietwohnungen in attraktiven Ballungszentren rar. Die Nachfrage liegt deutlich über dem Angebot.
Privates Kapital kann helfen, diese Lücke zu schließen. In Tübingen wurde dafür mit der nestbau AG die erste „Bürger-AG“ für den Wohnungsbau gegründet. Günstig Wohnen und faire Preise lautet die Devise der Anleger, die gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schon mit einer Investition ab 1.000 Euro unterstützen sie regionale Strukturen und übernehmen Verantwortung.
Die Anleger verzichten auf maximale Rendite, erhalten aber mit der Immobilie einen Gegenwert und Sicherheit für ihre Investition. Sie haben das gute Gefühl einer nachhaltigen Anlage, die sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien entspricht.
Die Privatanleger setzen dem Trend etwas entgegen, wonach sich Menschen mit geringem Einkommen das Wohnen in der Stadt kaum mehr leisten können. Das erste fertiggestellte Gebäude, ein hochwertige Architektenhaus, verfügt unter anderem über ein anspruchsvolles Energiekonzept: die solarthermische Anlage deckt 60 Prozent des Energiebedarfs für Heizung und Warmwasser.
Die Miete im Tübinger Objekt liegt mit rund € 9,- pro Quadratmeter deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete für Neubauten.
Für das erste Bürger-AG-finanzierte Gebäude warb die nestbau in den letzten beiden Jahren rund 1,1 Millionen Euro ein, 60 Aktionäre aus ganz Deutschland tragen die Idee mit ihren Einlagen zwischen € 1.000,- und 50.000,-. Das erste Objekt steht: Über 30 – überwiegend junge Menschen – fanden ein neues Zuhause.
Mit dabei: zwei betreute Wohngemeinschaften für Bewohner mit Handicap. Dazu kommen vier barrierefreie Gästewohnungen sowie der erste Tübinger coworking-space mit zehn Arbeitsplätzen.
Von dem Projekt profitieren neben den Geldgebern und Mietern auch die Kommunen. Sie haben mit der nestbau AG einen Partner für den Erhalt und Ausbau einer sozial ausgewogenen Bevölkerungsstruktur. Dem ersten Projekt in Tübingen sollen weitere folgen. Die „Bürger-AG“ ist auf der Suche nach Grundstücken und Bestandsgebäuden in Städten mit hohem Wohnungsbedarf.