Bauland-Initiativen von Städten und Gemeinden

Wenn Wohnungsbau zur Chefsache wird

Schaffe, schaffe, Häusle baue – was in Sachen Baulandentwicklung und Neubau möglich ist, wenn Bürgermeister den Wohnungsbau zur Chefsache machen, beschreibt die IVV-Redaktion in der April-Ausgabe mit drei Schwerpunktartikeln in der Rubrik „Wohnungswirtschaft“.

Thilo Rentschler, Oberbürgermeister von Aalen. Foto: Stadt Aalen
Thilo Rentschler, Oberbürgermeister von Aalen. Foto: Stadt Aalen

In Deutschlands boomenden Ballungsräumen gibt es zu wenige Wohnungen. Inzwischen warnen Branchenverbände vor Wohnungsnot und sozialem Sprengstoff. „Branchenverbände wiederholen seit langem ihre Kritik an zu wenig Bauland in den Ballungsräumen und zu langwierigen Prozessen in den kommunalen Genehmigungsbehörden“, sagt IVV-Chefredakteur Thomas Engelbrecht. „Doch Jammern hilft nicht weiter. Wir zeigen, dass es trotz aller objektiven Hindernisse möglich ist, Baulandaktivierung und Neubau zu beschleunigen, wenn Bürgermeister – unterstützt von der Landesregierung – Wohnungsbau zur Chefsache erklären und mit Ehrgeiz und Professionalität an die Lösung der Aufgaben herangehen.“

Aalens Oberbürger im Gespräch mit der IVV

Die Autoren der IVV blicken in die Kreisstadt Aalen in Baden-Württemberg, nach Pirmasens und ins hessische Friedrichsdorf. „Allein um die Einwohnerzahl zu halten, müsse wir mindestens 250 Wohnungen jährlich bauen“, erklärt Aalens Oberbürgermeister Thilo Rentschler im Gespräch mit der Redaktion. Die 70.000-Einwohner-Stadt hat ihr eigenes Wohnungsbauunternehmen, die Wohnungsbau Aalen GmbH, mit einem 100-Millionen-Euro-Investitionsprogramm für die nächsten Jahre und mit einem großen Paket von rund einem Dutzend städtischen Grundstücken ausgestattet. Über 450 neue Wohnungen sollen so bis zum Jahr 2025 nach der Formel „50 + 25 + 25“ entstehen. Das heißt: Zur Refinanzierung des Vorhabens werden 50 Prozent der Wohnungen verkauft, 25 Prozent werden als Sozialwohnungen vergeben und 25 Prozent werden auf einem mittleren Preisniveau vermietet.

Mietzuschüsse für Haushalte werden geprüft

In die Richtung „bezahlbare Wohnungen“ zielt auch ein Modellvorhaben, das die Stadt derzeit anschiebt: Aalen will Belegungsrechte an neuen und Bestandswohnungen für Haushalte oberhalb der Wohngeldberechtigung erwerben, die keine hohe Miete bezahlen können. Die Differenz zum Mietspiegel käme als Zuschuss von der Stadt. Als Hauptmieter würde die städtische Wohnungsbaugesellschaft auftreten. Sie würde vielen privaten Kleinvermietern die Suche nach einem soliden Mieter abnehmen und damit letztlich auch eine Sorge bei der Vermietung. „Über Belegungsrechte könnten wir so Leerstände aktivieren, sieht OB Thilo Rentschler Vorteile für alle Seiten. Derzeit ist Rentschler im Gespräch mit dem Wirtschaftsministerium in Stuttgart über eine mögliche Bezuschussung aus Landesmitteln. Der Schwerpunktartikel in der IVV nennt weitere Hebel, die der agile OB von Aalen ansetzt, um Baugrundstücke zur Verfügung zu stellen und um privaten Eigentümer Investitionen in Neubauten und Umbauten zu erleichtern.

„Wir krempeln den Investorenmarkt um“

Weitere Themen des Schwerpunktes im April-Heft sind das neue Grundstücksvermarktungskonzept der Stadt Pirmasens sowie der Leitfaden für die „Grundstücksvergabe nach der Qualität von Konzepten“ der hessischen Landesregierung. Nach dem Willen der Landesregierung sollen hessische Kommunen Grundstücke günstig an Investoren verkaufen, die soziale und ökologische Konzepte für ganze Wohnquartiere abliefern. „Mit der neuen Vergabepraxis krempeln wir den Investorenmarkt um“, sagt Monika Fontaine-Kretschmer, Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt. Städte und Gemeinden seien ab sofort im Stande, potenziellen Entwicklern städtebauliche Erfordernisse, verträgliche Architektur, energetische Exzellenz und eine vernünftige soziale Durchmischung vorzugeben. Das klingt nach erdrückenden Regularien und hohen zusätzlichen Kosten für Projektentwickler. Die IVV-Redaktion sprach mit einem Projektentwickler, der sich auf das Procedere eingelassen hat und mit hohem Aufwand ein Konzept für ein neues Wohnquartier in Friedrichdorf entwickelt hat. Die Öko-Siedlung wird derzeit von der Frank-Gruppe gebaut. Geschäftsführer Michael Henninger von der Frank Heimbau Main/Taunus GmbH sagt im Interview: „Das ist eine Herausforderung, aber eine, an der man wachsen kann“.

„Wir müssen gesellschaftliche Veränderungen antizipieren“

Das neue Vergabeverfahren ist komplex, bietet aber den Vorteil eines straffen Ablaufs. Die Öko-Siedlung in Friedrichdorf erfordert Investitionen von 150 Millionen Euro, das Genehmigungsverfahren wurde aber inklusive Bürgerbeteiligung in zwölf Monaten zur Unterschriftsreife gebracht. Frank Heimbau-Geschäftsführer Michael Henninger resümiert: „Die Ansprüche an Immobilienunternehmen steigen. Man muss verschiedene Disziplinen beherrschen oder diese für ein Projekt einkaufen. Es gilt, ganzheitliche zu denken und soziale sowie gesellschaftliche Entwicklungen zu antizipieren. Früher musste man verstehen, wie die Menschen wohnen, heute muss man wissen, wie sie leben.“

Autor: Thomas Engelbrecht

DOSSIER: Bauland-Initiativen von Städten und Gemeinden

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