Mit ESG-Bilanzen zum klimafreundlichen Gebäude?
Gibt es Aufklärungskampagnen oder Feldversuche mit digitaler Steuerung?
Beziehen Sie Mieter in Energiesparmaßnahmen ein?
Mirko Ebbers: Wir haben uns angeschaut, wie wir dekarbonisieren können. Die Antwort lautet: Mit Modernisierung allein wird es nichts werden, einfach weil sie zu teuer und zu langsam ist. Das war uns relativ schnell klar und deswegen haben wir uns andere Optionen angeschaut. Eine Option ist, durch Informationen Einfluss zu nehmen auf das Mieterverhalten. Wir haben das durch Plakate in Treppenhäusern praktiziert. Die Kunden kommen jeden Tag an diesen Plakaten vorbei, dadurch konnten wir über vier Prozent Energieeinsparung erreichen. Inzwischen gibt es die unterjährige Verbrauchsinformation. Wenn diese Informationen den Vergleich zwischen unterschiedlichen Wohnungen eines Gebäudes erlauben, dann lassen sich damit immerhin acht Prozent Energieeinsparung erreichen.
Daneben untersuchen wir natürlich auch technische Maßnahmen, zum Beispiel andere Heizungsanlagen, Heizungssteuerungen und smarte Thermostate. Wir suchen nach Lösungen, den Komfort zu erhalten und gleichzeitig Energie und damit Geld einzusparen für das Unternehmen und für die Mieter.
Fragen der Kommunikation, Psychologie, Mieterkommunikation, Komfortverlust
Dirk Then: Die Psychologie ist ein großes Thema, denn wir müssen mit der Angst vor Komfortverlust umgehen. Wir müssen diese Verlustängste in ihr positives Gegenteil umdrehen und den Nutzern Technik an die Hand geben, die bei gleichem Komfort zu Einsparungen führt. Was uns umtreibt, ist der Dreiklang aus Kosten, Komfort und Einfachheit. Wenn wir diese drei Kategorien bieten, dann wird das vom Nutzer angenommen.
Führen Sie solche Diskussionen mit Ihren Kunden aus der Immobilienwirtschaft oder geht es ausschließlich um Technik?
Dirk Then: Wir führen solche Diskussionen mit unseren Kunden rund um das Thema der unterjährigen Verbrauchsinformation, wo wir auch App-Lösungen anbieten. Alle Dienstleister bieten Apps an, mit denen der Kunde spielerisch an Vergleichswerte kommt. Mit der Information: Du verbrauchst zehn Prozent mehr als deine Peergroup setzen wir Anreize, über das eigene Verbrauchsverhalten nachzudenken. Und wir überlegen kontinuierlich, wie wir den Durchdringungsgrad dieser Lösungen bei den Nutzern steigern können. An diesem Punkt bricht aus mir immer ein wenig der Naturwissenschaftler hervor, denn nur wenn ich etwas messen kann, kann ich auch mein Verhalten anpassen.
Wie ist es bei Ihnen, Herr Rolf?
Norbert Rolf: Es gibt Bemühungen, aber das Teamwork funktioniert noch nicht. Das zeigt auch die aktuelle RICS-Umfrage unter 50 Investoren und Asset-Managern. Sie wurden nach den größten Herausforderungen bei der Umsetzung von ESG-Strategien befragt. 52 Prozent antworteten, es fehle ihnen an Nutzerdaten. Unsere Investoren haben uns mandatiert, sie genau in diesem Bereich unserer Kernleistungen zu unterstützen. Und trotzdem ist es so, dass wir uns nicht bewusst machen, wie viele gute Ansätze wir heute schon im bestehenden Vertragsverhältnis haben, um weiterzukommen und überlegen uns eher, wie wir es doppelt bauen können.
Das geht zulasten der Geschwindigkeit und kostet viel Geld. Wir nutzen die zur Verfügung stehenden Daten nicht und insofern können wir da noch nicht optimal unterstützen. Wenn wir auf die Kunden, also auf die Eigentümer, aktiv zugehen, dann gibt es oft ganz erstaunte Gesichter.
Welche Hürden müssten beiseitegeräumt werden? Ist es der Datenschutz?
Norbert Rolf: Nein, die wesentlichen Daten sind verfügbar. Im Zweifel kann man Daten anonymisieren. Mit diesen Daten kann ich auswerten und steuern. Wir haben unglaublich viel, das ist meine Erkenntnis aus vier Jahren in dieser Branche.
Mirko Ebbers: Ich möchte bekräftigen, was Herr Rolf gesagt hat. Wichtig ist, dass die Sensoren da sind. Wir haben Heizkostenverteiler und Wärmemengenzähler im Gebäude. Wir haben die Sensorik und jetzt besteht die Kunst darin, die Daten aus dem Gebäude herauszuziehen und kurzfristig im Einklang mit dem Datenschutz zu verarbeiten. Da gibt es Ansätze.
Sind Dienstleister wie Brunata-Metrona und Kalorimeta in der Lage, die vielen Daten, die sie ja ohnehin erheben, so aufzubereiten, dass sie einerseits nützlich sind und andererseits nicht gegen den Datenschutz verstoßen?
Dirk Then: Unbedingt, ja, das ist möglich. Aber ich muss nochmal an das Bild von der Beutegemeinschaft erinnern. Wir müssen dieses Miteinander auch wollen. Wir können die Daten anonymisieren und randomisieren, sie müssen dann aber auch verwendet werden. Da ist noch Luft nach oben in der Zusammenarbeit. Wir müssen noch besser verstehen, wie sich das Nutzerverhalten mit einfachsten Mitteln verändern lässt. Ich finde die von Herr Ebbers erwähnte Plakataktion der LEG sehr aufschlussreich.
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Herr Ebbers, Ihr Unternehmen bewirtschaftet 166.000 Wohnungen. Mit welchen Tools, mit welcher IT bearbeiten Sie diese Datenmengen?
Mirko Ebbers: Das Themenfeld ist so neu, dass es spezielle Software nicht zu geben scheint. Es gibt natürlich Software zur energetischen Berechnung, die wir auch einsetzen, um zu schauen, ob sich eine bauliche Maßnahme, eine Modernisierung lohnt. Die meisten Daten laufen tatsächlich über Standardschnittstellen von unseren Messdienstleistern in unser ERP-System, um sie situativ zu aktivieren und tatsächlich häufig in Excel zu verarbeiten. Bei der Erstellung der CO2-Bilanz kommt Excel aber an Grenzen.
Dass Excel eine so wichtige Funktion hat, finde ich überraschend. Gibt es von Ihren Unternehmen spezielle Tools, um CO2- Bilanzierung eleganter durchzuführen?
Norbert Rolf: Es wäre vermessen, Ja zu sagen, weil es noch keine Standardisierung der Reports gibt. Wir haben nur einen gewissen Datensatz, den wir zur Verfügung stellen. Immobilienmanagement ist ein unglaublich arbeitsteiliger Prozess. Wir sind ein wesentlicher Teil.
Da sind nicht nur die LEG, die Kalorimeta und die Brunata-Metrona, sondern da sind noch ein Property Manager und ein Facility Manager dazwischen. Wir brauchen eine Möglichkeit, Daten auf einer neutralen Plattform auszutauschen, also auf etwas, was nicht zur disruptiven Wettbewerbssituation wird, was nicht Daten vorenthält. Dann können wir tatsächlich loslegen. Lasst uns flexibel bleiben, die Daten müssen individuell verfügbar sein.
Mirko Ebbers: Ich möchte nochmal erklären, warum die Dinge nicht so einfach sind. Sofern die LEG als Contractor Energie liefert, erhalten wir wohnungs- und gebäudescharfe Daten. Wo die LEG als Vermieter die Zentralheizung betreibt, gibt es nur Messwerte auf der Ebene des Gebäudes. Und wenn Kunden eine Gastherme in ihrer Wohnung betreiben, erhalten wir gar keine Daten. Von den Gasversorgern erhalten wir vielleicht den addierten Verbrauch von fünf Gebäuden. Das zusammenzubringen und zu standardisieren benötigt noch eine gewisse Zeit.
Dirk Then: Das zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Diskussion. Größere Unternehmen wie die LEG, die Brunata-Metrona und die Kalorimeta sind durchdigitalisiert. Wir haben Datenbanken, Daten und Modelle für unsere Dienstleistungen. Aber die Kunst besteht darin, diese Datenflut – und wir reden hier von mehreren Millionen Wohnungen – in passende Modelle zu gießen. Wenn diese Datenmodelle passen, wird die Digitalisierung relativ schnell ihre Stärken ausspielen. Aber an diesem Datenmodell können wir nur gemeinsam arbeiten. Da kann sich kein Einzelner nach vorne wagen, das wird nicht funktionieren, das muss größer gedacht werden.
Ich denke an die Anforderungen, die das alles hervorruft, auch personell. Herr Ebbers hat berichtet, dass er vier Köpfe in seinem Team hat. Ich stelle mir kleine Wohnungsunternehmen vor, die bewirtschaften manchmal 400 Wohnungen mit drei Leuten. Da kann niemand solche Aufgaben lösen. Ist das nicht eine große Chance für Dienstleister, Komplettpakete für die CO2-Bilanzierung anzubieten?
Dirk Then: Ja natürlich, aber ich würde gerne zurückkommen auf das Thema Datenmodell und dass wir mehr Standards hineinbekommen, weil aus Standards kommt die Sicherheit, dass diese Daten und die Leistungen, die wir dann erbringen, zum richtigen Zweck führen. Ich glaube, diese Vorübung haben wir noch nicht gemacht. Dr. Ebbers hat vorhin durchklingen lassen, wie mühsam es ist, mit einem fünfköpfigen Team dieses Thema anzugehen.
Mirko Ebbers: Ich kann das bestätigen. Es ist extrem aufwendig, weil sich in der Regulatorik noch viel ändert. Aber selbst wenn es nur um Physik geht, nämlich nur um den CO2-Ausstoß, ist der Aufwand zurzeit enorm hoch, weil es noch nicht das Standarddatenmodell gibt, wie Herr Then und Herr Rolf richtig gesagt haben.
Herr Ebbers, beschreiben Sie in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht einen Dekarbonisierungspfad? Sagen Sie, welche Maßnahmen die LEG ergreifen will?
Mirko Ebbers: Wir haben unsere ESG-Agenda schon letztes Jahr veröffentlicht und sie gilt weiterhin. Ein Teil der CO2-Reduktion kommt von einer Tochterfirma, die wir gerade gegründet haben. Wir haben gelernt, dass Modernisierungen, wenn man sie klassisch macht, einfach zu teuer und zu langsam sind. Mit unserer Tochter Renowate wollen wir serielles Sanieren betreiben. Das ist nicht trivial, denn beim seriellen Sanieren muss das vorgefertigte Element millimetergenau angepasst werden. Das ist ein Teil des Pfades, den wir aufgezeichnet haben.
Der zweite Teil des Pfades ist die Transformation der Energieträger. Wir müssen weg vom Gas. Das haben wir schon vor der Gaskrise gesagt. Jetzt haben wir eine Gaskrise, jetzt ist diese Transformation noch dringlicher. Wir wollen hin zu Fernwärme und Wärmepumpen.
Auf dem dritten Abschnitt es Dekarbonisierungspfades sprechen wir über das Nutzerverhalten und die Interaktion mit den Nutzern. Hierher gehören die Plakataktion, die ich erwähnt habe, aber auch der Einsatz von smarten Thermostaten.
Wird Ihr Weg von Investoren auf dem Kapitalmarkt honoriert? Können Sie glaubhaft machen, dass es mehr ist als Greenwashing, was die LEG betreibt?
Mirko Ebbers: Was wir zumindest sehen ist, dass einige Investoren die LEG als sehr innovativ auf dem Themenfeld Dekarbonisierung wahrnehmen. Wir würden viele Dinge tun und unser Geld zielgerichtet einsetzen. Aber günstigere Finanzierungskonditionen erhalten wir deshalb nicht und in der aktuellen Krise erwarte ich die erst recht nicht. Wir haben aber durchaus schon Green Bonds am Markt platziert, die gut nachgefragt worden sind. Aber auch das war vor der aktuellen Preiskrise.
Zum Schluss, gibt es eine Quintessenz aus unserer Diskussion?
Mirko Ebbers: Herr Then und Herr Rolf haben es mehrfach angeregt: Wir sollten zusammenarbeiten. Ich glaube, nur zusammen kriegen wir die Energie- und Klimakrise in den Griff. Die Aufgabe ist so groß, eine einzelne Firma kann das nicht lösen.
Norbert Rolf: Wir sollten darauf schauen, welche Energieeinsparmöglichkeiten wir unmittelbar umsetzen können. Eine energetische Sanierung der Gebäude ist teuer und erzeugt Sondermüll. Das kann es nicht sein. Hier die Möglichkeit zu finden, tatsächlich die Dinge auch Hand in Hand zu machen, das wäre meine große Bitte.
Dirk Then: Es wird nicht die eine Lösung geben, sondern es geht nur gemeinsam unter Nutzung aller technischen, aber auch psychologischen Möglichkeiten, die sich uns bieten.

Bild: Huss-Medien

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Nachhaltigkeitsberichte:
Auch kleine Unternehmen müssen liefern
Thomas Engelbrecht


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