Ich möchte die Kundenseite hören, deshalb die Frage an Herrn Petzoldt: Ist der Einsatz von Smart Meter Gateways schon ein Thema für Ihre Genossenschaft?
Udo Petzoldt: Da tut sich ein Graben zwischen uns auf. Das klingt alles ganz toll, man muss festhalten, noch liegen Smart Meter Gateways im Hoheitsgebiet der Stadtwerke. Wir reden von ganz futuristischen Dingen. Ich versuche hingegen, aus der bisherigen Umklammerung der Messdienstleister herauszukommen, Datenhoheit zu gewinnen, Zähler zu installieren, die nicht mehr proprietären Systemen unterliegen. Das ist der Kampf, der gerade tobt. Der Markt ist ein Milliarden-Markt. Und es ist interessant, wenn Herr Schmucker sagt, dass man noch ein wenig Submetering betreibt, das wahrscheinlich 95 Prozent des Betriebsvolumens ausmacht, der Rest ist Zukunftsmusik.
Wir reden jetzt darüber, wie man das Submetering in den Griff bekommen kann, ohne bei einem großen Dienstleister zu sein. Denn ich stehe hier als jemand, der die Selbstabrechnung propagiert. Herr Then, ich verstehe Sie so, dass Sie den Markt besetzen wollen, aber da sind natürlich die Stadtwerke und die Stromanbieter, die auch Submetering können. Hier entsteht das, was der Kartellbericht auch wünscht, nämlich mehr Wettbewerb, den es bisher nicht gab. Und der Wettbewerb wird die Preise vielleicht drücken, obwohl ich damit ein Problem habe. Denn wir stoßen in neue technische Welten vor, das kostet auch Geld. Die gläserne Haustechnik gibt es nicht gratis. Wir müssen erst einmal die Grundlagen schaffen, unsere Daten sicher messen zu können.
Herr Kargerer, ihr Unternehmenskonzept besagt, wir wollen Hausverwaltungen helfen bei der Modernisierung und Digitalisierung. Sind Smart Meter Gateways ein Instrument, das Sie Ihren Mitgliedsunternehmen anbieten werden?
Frank Kagerer: Ja, aus meiner Sicht sind Smart Meter Gateways ein wichtiges Instrument, viele andere Dinge einzubinden, die am Ende dazu führen, dass ich eine vernetzte Haustechnik bekomme, dass ich aus der reaktiven Instandhaltung irgendwann in ein echtes Gebäudemanagement komme. Es geht um Kosteneinsparung, CO2-Einsparung, aber auch um die Wertsteigerung der Immobilie. Das geht nur um die Daten, über Datenverfügbarkeit und Datenhoheit. Ich glaube, dass kann man mittelfristig nur über Smart Meter Gateways erreichen.
Dirk Then: Ich möchte Herrn Petzold absolut zustimmen. Wir gehen weg von rein proprietären Systemen hin zu einer gewissen Interoperabilität. Da bietet das Smart Meter Gateway die maximale Kompatibilität. Wir sprechen nicht über Zukunftsmusik, sondern über Dinge, die seit Jahren Realität sind, in Testobjekten und seit letztem Jahr im Markt-Roll out. Wir setzen uns für den freiwilligen Roll out ein. Freiwilligkeit heißt, ich erkenne die Vorteile der Bündelprodukte, ich möchte mehrere Leistungen auf meine Hardware bringen. Dann habe ich wirklich Synergieeffekte.
Samuel Billot: Wir bieten heute zwei Möglichkeiten. Erstens eine offene, multianwendungsfähige Infrastruktur. Unsere Infrastruktur unterstützt nicht nur einen Anwendungsfall, sondern mehrere. Wir vermeiden Insellösungen. Und zweitens bieten wir unseren Kunden auch Smart Meter Gateways an. Wir hören häufig im Markt, dass Smart Meter Gateways zu teuer seien.
Es gibt Wohnungsbaugesellschaften, die überlegen, ob und wie sie den Messstellenbetrieb als Geschäftsmodell aufnehmen können. Wir haben ein Business Case-Problem, noch gibt es nicht sehr viele Anwendungen, die über Smart Meter Gateway ablaufen können. Es zeigt sich eine gewisse Bewegung im Markt, denn die Stadtwerke müssen bis 2023 10 Prozent der Liegenschaften mit Smart Meter Gateways ausstatten. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Kosten nach unten gehen, sodass die Wirtschaftlichkeit von Smart Meter Gateways steigt.
Herr Billot, der Anspruch Ihres Unternehmens ist: Wir wollen die Haustechnik unserer Kunden gläsern machen. Wie schaffen Sie diese Einblicke?
Samuel Billot: Wir bringen zunächst Technik ins Haus und wir bilden ein Öko-System. Um ein analoges Gebäude intelligent zu machen, bringen wir eine Box hinein, die Daten sammelt. Das kann je nach Kundenwunsch auch ein Smart Meter Gateway sein. Diese Box übermittelt über Mobilfunk Daten an den Betreiber. Unser Kunde degewo hat sich für die Automatisierung des Messwesens entschieden. Die degewo hat ein Geschäftsmodell für Messdienstleistungen gebaut. Die rechnen selber ab und bieten diesen Service anderen Kunden. Wir haben mit der degewo weitere Anwendungen entwickelt. Es geht dabei um Wärmeerzeugung.
Wir überwachen die Heizungsanlagen in Sachen Effizienz und die Trinkwasseranlagen in Sachen Hygiene
Etwa 15 Prozent der Trinkwasseranlagen in Deutschland haben ein Legionellen-Problem. Sie arbeiten seit mehr als zwei Jahren mit der degewo zusammen. Was sind die Ergebnisse der ständigen Kontrolle der Heizungsanlagen? Samuel Billot: Die degewo erhält viel Fernwärme und muss für einen Zeitraum von zwei Jahren eine gewisse Menge an Energie bestellen. Und die degewo muss versprechen, diese Menge auch zu bezahlen. Es ist also wichtig, dass die bestellte Energiemenge möglichst exakt dem künftigen Bedarf entspricht. Wir schaffen diese Optimierung durch die kontinuierlichen Analysen der historischen Verbrauchsdaten. Dafür liefern wir Erkenntnisse und Empfehlungen. Das ist ein Beispiel für Kosteneinsparungen.
Auf der Betriebsebene schaffen wir weitere Einsparungen. Im Falle eines Anlagenausfalls, den unser System automatisch meldet, vermeiden wir, dass Techniker im Blindflug anreisen, ohne zu wissen, ob die Anlage tatsächlich ausgefallen ist. Diese Fahrten wurden um 50 Prozent reduziert. Das bedeutet weniger Betriebskosten für die Mieter.
Die DHV Plus will bestimmte Managementaufgaben zentral für alle Mitgliedsunternehmen steuern. Welche Aufgaben sind das und welche Rolle spielen die Messdienstleistungen?
Frank Kagerer: Hausverwaltungen betreiben heute bereits die Digitalisierung der Kundenkommunikation und der internen Prozesse. In den Messdienstleistungen ist das noch nicht angekommen, hier sind die Hausverwaltungen tendenziell passiv. Hausverwaltungen haben eine Meinung zu Messdienstleistungen, die meist nicht besonders gut ist, unabhängig vom Partnern mit dem sie arbeiten. Wir ermöglichen den Verwaltungen zunächst mal im Rahmen von Vertragsmanagement, mit einem Messdienstleister anders zu verhandeln. Wir fragen, wie sind die Laufzeiten, welche Gerätetechnik ist verbaut.
Wir schauen uns an, wie ein deutschlandweiter Verbund in Geschäftsmodelle für Messdienstleistungen einsteigen kann. Diese konzeptionellen Dinge bieten wir unseren Hausverwaltungen an, die sie heute nicht schaffen können, weil die Geschäftsführer oft allein sind. Und als Gruppe können wir mit einer Kalo oder einer Brunata-Metrona natürlich anders verhandeln. Sie wollen den Mitgliedern neue Erlösmodelle eröffnen. Könnte das die Selbstablesung, also die Trennung von einem Messdienstleister bedeuten? Frank Kagerer: Wir werden daran arbeiten, das ist Teil des Konzeptes der DHV Plus.
Wir nehmen natürlich Rücksicht auf die Wünsche einzelner Geschäftsführungen. Wir werden gemeinsame Ziele formulieren und diese dann mit Messdienstleistern verhandeln. Warum sollte nicht ein Teil der Erlöse aus Messdiensten bei der DHV Plus landen. Es kann so sein, dass wir Teile der Aufgaben, z.B. die Abrechnung, übernehmen. Das hängt davon ab, welche Modelle wir mit den Partnern im Markt zustande bringen.
Meine Frage an Herrn Schmucker: Sie haben heute einen durchdigitalisierten Prozess für die Geräte-Montage, das heißt, Sie wissen anhand von Seriennummern, was wo installiert ist. Weiß das auch Ihr Kunde jederzeit auf Knopfdruck?
Christoph Schmucker: Ja, wir machen das dem Kunden in einem Portal transparent.
Frank Kagerer: Dann sind wir in Sachen Datenverfügbarkeit schon ein Schrittchen weiter. Allein diese Information zu haben, bedeutet für den Kunden ein Stück Freiheit. Ich glaube, es bewegt sich etwas im Markt. Das ist gesund, denn so kommt mehr Transparenz in den Markt und so entsteht auch Motivation mehr zu tun, als nur dem Wortlaut des Gesetzes zu folgen.
Dirk Then: Das sehen wir schon seit einigen Jahren. Nicht erst seit der Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes ist der Markt in Bewegung. Kunden bewerten heute auf der gesamten Wertschöpfungskette, was für sie der richtige Weg ist. Wir haben nicht nur Schwarzweiß im Markt, auf der einen Seite Fullservice-Dienstleister und auf der anderen Selbstableser, die alles komplett selbst machen, sondern auch Schattierungen dazwischen. Wer betreut den Messfunkbetrieb? Was mache ich mit den Daten? Kalo ist ja ein Tochterunternehmen der Noventic, die seit Jahren verschiedene Marken und Schwesterunternehmen vereint, die diese verschiedenen Stufen von Dienstleistungen anbieten.
Damit können wir dem Kunden anbieten, was er in seiner Situation möchte. Wir können den Kunden auf seiner Reise bis hin zur Selbstablesung begleiten.
Herr Petzoldt, Ihre Genossenschaft hat schon vor Jahren entschieden, sich auf den Weg zur Selbstabrechnung der Heizkostenabrechnung zu machen. Warum?
Udo Petzoldt: Ich will mal ein paar Zahlen nennen. Im Mai 2017 kam der Kartellbericht heraus. Im August 2017 wurde der zweitgrößte Messdienstleister ista für 6,2 Milliarden nach Hongkong verkauft. Ich erwähne das, damit unsere Diskussion am Ende nicht den Eindruck vermittelt, die Messdienstleistungen seien eine Art Sozialdienst. Der Kartellbericht nennt ein Umsatzvolumen von 1,47 Milliarden im Jahr 2014. Wir reden hier über richtig viel Geld, das der Mieter bezahlt.
Wir haben entschieden, es selbst zu machen, weil so viel Geld dahintersteckt, weil so viel dafür bezahlt werden muss. Wir wollten tatsächlich den Messdienstleister ersetzen im Rahmen eines Konsolidierungsprozesses unserer Genossenschaft, obwohl hier auch der Spruch kam: Das zahlt doch alles der Mieter, das ist doch wurst. Wir sind aber nicht um die Frage der Kostenreduktion herumgekommen. Ich gebe zu, die Dinge haben sich mit den Jahren dynamisiert. Wir reden heute über Datenhoheit, über Datenverfügbarkeit. Datenhoheit ohne Datenverfügbarkeit heißt, dass die Auslieferung der Daten unter Umständen bepreist wird.
Wir haben von Ihrem Unternehmen, Herr Schmucker, Preisangebote bekommen für einen Verbrauchsdatensatz für 5,86 Euro, ohne Erklärung, ob es sich dabei um eine Einmalzahlung, eine monatlich oder jährlich Zahlung handelt. Daran kann man die Brisanz erkennen, wenn ich ab kommendem Jahr monatlich Verbrauchsdaten an Mieter geben muss.
Ich will diese Realitäten erwähnen, sonst reden wir zu viel von der Zukunft. In der Realität ist es heute so – und das hat der Kartellbericht beschrieben –, dass der Kunde eines Messdienstleisters im Prinzip gefangen ist und nur mit riesigem Aufwand aus dieser Liebes-Umklammerung, die in vierzig Jahren gewachsen ist, herauskommt.
Herr Petzoldt, die Selbstabrechnung selbst zu machen, um die Mieter zu entlasten, das klingt gut. Welche Hindernisse gab es auf dem Weg dorthin?
Udo Petzoldt: Das war schon mehr oder minder dramatisch. Ich hatte damals Kontakt zu einem Start-up in Berlin, der Zuhause Plattform. Ich hatte ein Smart Building System gesucht. Wir sind der Meinung, dass Wohnungen perspektivisch betrachtet gläsern sein müssen, weil wir Betreuungsdienste und Telemedizin in die Wohnungen bringen müssen und weil wir das Personal dafür nicht haben. Wir haben uns entschieden, das System der Zuhause Plattform zu kaufen und in den Wohnungen zu installieren. Eine Funktion des Systems ist die Erfassung des Wärmeverbrauchs und die Heizungssteuerung. Ich wollte die erfassten Daten auf keinen Fall aus der Hand geben. Wir haben 2017 die Heizkostenplattform in Berlin gegründet, die je zur Hälfte der Baugenossenschaft und der Zuhause Plattform gehört. Ich habe dann einen Programmierer eingestellt. Ein Tochterunternehmen der Genossenschaft hat die Messgeräte gekauft, die an die Genossenschaft vermietet werden. So halten wir alle Aufgaben im eigenen Hause.
Wo waren die Hindernisse?
Udo Petzold: Im ersten Schritt haben wir uns die Verträge herausgesucht. Das klingt lapidar, war aber schon die erste Hürde. Dann entstand eine bunte Liste, die festhielt, wann was abläuft. Es gibt ja nicht nur die Eichfristen, sondern auch Mietverträge, Wartungsverträge, Dienstleistungsverträge etc. Und wenn man die alle hat von seinem Messdienstleister, verursacht das eine Depression, weil man sagt, das schafft kein Mensch. Wir haben alle Verträge gekündigt, daraufhin wurden mir Kosten präsentiert, dass ich sofort bekehrt war und die Kündigungen zurückgezogen habe. Daraus habe ich gelernt, ich brauche einen Migrationsplan, aus dem hervorgeht, wann ich welche Geräte mit dem geringsten Verlust kündige.
Durch die Verschachtelung, die auch der Kartellbericht nennt, ist es ein schwieriges Unterfangen, aus dieser Vertragsgestaltung herauszukommen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass wir miteinander reden, aber gut, wir greifen natürlich ein Geschäftsmodell an. Wie wohl ich schon glaube – man merkt es auch in dieser Diskussion –, dass ein Umdenken stattfindet. Die Bedürfnisse der Unternehmen gehen unterschiedlich weit, und übrigens drängen auch Stadtwerke ganz stark in diesen Markt. Der Markt ist tatsächlich massiv in Bewegung. Und ich glaube, dass es wenige Unternehmen gibt, die sich mit dem Thema gar nicht auseinandersetzen.
Der IVV-Roundtable mit fünf Experten macht eine Bestandsaufnahme zum Thema "Zukunft der Messdienstleistungen" – aus Anbieter- und Kundensicht:
- Wie weit ist die Wohnungswirtschaft „durchdigitalisiert“?
- Welche neuen Dienstleistungen beginnen sich am Markt zu etablieren?
- Wie stark verändert der technologische Wandel den Wettbewerb im Markt für Messdienstleistungen?
- Welches Potenzial zur Energie- und Kosteneinsparung eröffnet sich durch das digitale Verbrauchsdaten-Management?
Hier lesen Sie den ersten Teil der Diskussion (aus IVV 08/21).
Redaktion (allg.)
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