Ein Grundstückseigentümer muss Abfallbehälter an einem geeigneten Abholort bereitstellen.
Problemstellung
Die sogenannte Nachverdichtung, insbesondere in den Städten, also das Schließen von Baulücken zugunsten des Wohnungsbaus, führt häufig dazu, dass Immobilien nicht mehr unmittelbar an einer öffentlichen Straße liegen, sondern erst durch mehr oder weniger breite und mehr oder weniger lange Zugangswege erschlossen werden. Das bringt gelegentlich zivilrechtliche, aber auch öffentlich-rechtliche Probleme mit sich, wie die folgende Entscheidung zeigt.
Die Entscheidung
Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Dieses Grundstück liegt nicht unmittelbar an der nächsten öffentlichen Straße, sondern wird über einen etwa drei Meter breiten und 50 Meter langen Zugangsweg erschlossen. Dieser Weg kann zwar mit Kraftfahrzeugen und auch von einem (schweren) Müllwagen befahren werden. Eine Möglichkeit zu wenden gibt es allerdings nicht. Die Kläger stellten zunächst ihre Mülltonnen an dem Zufahrtsweg an ihrem Grundstück auf. Das Entsorgungsunternehmen fuhr mit dem Müllwagen mangels Wendemöglichkeit rückwärts in den Weg hinein, um die dort aufgestellten Mülltonnen zu leeren.
Wie in vielen anderen Kommunen auch hatte der für die Abfallentsorgung zuständige Landkreis die Abfallentsorgung auf ein Privatunternehmen übertragen. Dieses Sammelunternehmen teilte dem später beklagten Landkreis mit, man sei nicht mehr bereit, das Grundstück der Kläger rückwärts über den Zufahrtsweg anzufahren. Eine Ortsbesichtigung durch Mitarbeiter des Landkreises bestätigte, dass es auf dem Zufahrtsweg der Kläger insbesondere für größere Fahrzeuge keine Wendemöglichkeit gibt und das Grundstück der Kläger deshalb nur rückwärts angefahren werden kann. Der Landkreis gab den Klägern deshalb mit Bescheid aus dem Februar 2019 auf, die Mülltonnen am jeweiligen Abholtag an der öffentlichen Straße zur Abholung bereitzustellen. Der Landkreis begründete diesen Bescheid mit ansonsten nicht einzuhaltenden Unfallverhütungsvorschriften. Gegen diesen Bescheid wendeten sich die Kläger mit einer Anfechtungsklage an das Verwaltungsgericht. Sie argumentierten, ein kurzes Zurücksetzen des Müllwagens, hier lediglich um 50 Meter, sei auch nach den Unfallverhütungsvorschriften zulässig. Das Sammelunternehmen fahre auch andere Grundstücke in Stichstraßen rückwärts an. Schließlich könne der Müllwagen auch auf der zu dem Nachbargrundstück gehörenden Parkplatzfläche wenden.
Das Gericht gab dem beklagten Landkreis Recht und bestätigte den Bescheid. Nach § 14 SGB VII (Unfallversicherung) haben die Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen zu sorgen. Nach § 15 SGB VII dürfen sie dazu Unfallverhütungsvorschriften erlassen, deren Einhaltung von den Unfallversicherungsträgern zu überwachen und durchzusetzen ist und deren Verletzung bei Arbeitsunfällen zu Regressansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber nach § 110 SGB VII führen können. Diese Unfallverhütungsvorschriften werden als „DGUV-Regeln“ bezeichnet. Die DGUV-Regeln Nr. 43 und 44 betreffen die Müllbeseitigung. Nach § 16 Ziff. 1 dieser Vorschrift darf Müll nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu den Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Bei Sackgassen muss die Möglichkeit bestehen, am Ende der Straße zu wenden.
Die Unfallverhütungsvorschriften gelten natürlich auch für öffentliche oder private Abfallunternehmen. Zur Absicherung haben die Landkreise und Kommunen deren Einhaltung in aller Regel in ihre Abfallsatzungen integriert. So heißt es etwa in der Abfallwirtschaftssatzung der Berliner Stadtreinigungsbetriebe in § 9:
„Der für die Behälter bestimmte Standplatz und der für die Entleerungen zu nutzende Transportweg …. müssen den Erfordernissen der Bauordnung Berlin …. entsprechen. Um ihre Pflichten zum Arbeitsschutz sowie zur gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen, können die Berliner Stadtreinigungsbetriebe weitere Anforderungen stellen.“
Solche oder vergleichbare Vorschriften finden sich in zahlreichen, wenn nicht sogar allen Abfallsatzungen. Damit ist die Forderung des Landkreises an die Kläger, ihre Mülltonnen künftig nach vorne an die Straße zu stellen, rechtmäßig. Eine Rückwärtsfahrstrecke von 50 Meter ist kein „kurzes Zurücksetzen“, das die Unfallverhütungsvorschriften zulassen. Ein „kurzes Zurücksetzen“ liegt nur vor, wenn das aus technischen Gründen notwendig ist, wie z.B. beim Absetzen eines großen Containers.
Auch das Argument der Kläger, in anderen Stichstraßen fahre der Müllwagen auch rückwärts, hilft nicht weiter. Selbst wenn das so wäre, ist der Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften an der einen Stelle kein Grund dafür, das auch an einer anderen Stelle zu verlangen. Etwas ernster zu nehmen ist das Argument, der Müllwagen könne die auf dem Nachbargrundstück angelegte Parkfläche zum Wenden benutzen. Das ist zwar technisch möglich, aber weder rechtlich noch praktisch abgesichert. Was soll der Müllwagenfahrer tun, wenn die Nachbarn ihren Parkplatz zweckgemäß dazu nutzen, ihr Fahrzeug dort abzustellen?
Konsequenzen
Die Entscheidung ist für sich betrachtet nicht bahnbrechend. Sie zeigt aber, wie auch nicht-baurechtliche Fragen Einfluss auf die Planung von Bauvorhaben nehmen können, zumal diese Anforderungen gelegentlich aus Rechtsgebieten kommen, mit denen man als Bauherr nicht unbedingt rechnet. Schon bei der Planung, aber auch bei der Verwaltung einer Immobilie darf man diese nicht nur als Bauwerk betrachten, sondern muss auch die Einbindung in private oder öffentlich-rechtliche Versorgungssysteme berücksichtigen. Im vorliegenden Fall handelte es sich offenbar um ein Einfamilienhaus, sodass es bei der Frage, wo die Mülltonnen zur Abholung bereitgestellt werden müssen, eher um eine Lästigkeit geht. Bei einem Mehrfamilienhaus mit einer größeren Zahl von Tonnen oder gar Müllcontainern stellt sich das Problem etwas anders dar.
Praxistipp
Die Einbindung einer Immobilie in Versorgungssysteme muss langfristig und auch in die Zukunft hinein nach Möglichkeit bedacht werden. Nicht nur Platz und Wege für die Abfallentsorgung, sondern auch die Zugänglichkeit von Versorgungsleitungen oder auch Raum für zukünftige Leitungen (Glasfaser-anschluss, zwingender Anschluss an Fernwärmenetze etc.) müssen berücksichtigt werden. Aus dieser Einbindung resultieren unter Umständen auch Serviceleistungen, die sich dann im Verwaltervertrag niederschlagen müssen.
Dr. Olaf Steckhan
Dr. Jonas Müller
Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 309.01 KB |
◂ Heft-Navigation ▸