Zusammenbruch des Neubaus – ein Überblick

Wohnungsmangel wird gerade in Stein gemeißelt

Um die aktuellen Baukosten tragen zu können, müssten sozial orientierte Wohnungsunternehmen Kaltmieten von 18 bis 20 Euro verlangen. Für breite Bevölkerungsschichten unbezahlbar. Die Folge: Es wird immer weniger gebaut, womit wir in eine Epoche der Wohnungsnot eintreten. Ein Baustellen-Überblick.

Immer seltener Grund zum Feiern: Wenn der Rohbau eines Gebäudes errichtet wurde und auch der Dachstuhl steht, dann wird traditionell das Richtfest gefeiert – aufgrund der Kostenexplosion finden immer weniger Richtfeste statt. Foto: Adobestock/Ingo Bartussek
Immer seltener Grund zum Feiern: Wenn der Rohbau eines Gebäudes errichtet wurde und auch der Dachstuhl steht, dann wird traditionell das Richtfest gefeiert – aufgrund der Kostenexplosion finden immer weniger Richtfeste statt. Foto: Adobestock/Ingo Bartussek

BBU-Marktmonitor 2024

Seit 2021 sind die Neubaupreise in Berlin um über 32 Prozent gestiegen. Bei den Bauzinsen lag der Anstieg allein seit Anfang 2022 mit 275 Prozent noch deutlich höher. Das geht aus dem aktuellen Marktmonitor 2024 des Verbandes der Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU) hervor. Die Neubauzahlen seien sowohl in Berlin als auch in Brandenburg dramatisch eingebrochen. „Höchst alarmierend“ nennt der BBU die Entwicklung der Baugenehmigungen: 2024 sind in Berlin mit 9.921 erstmals seit 2012 wieder weniger als 10.000 neue Wohnungen genehmigt worden. Allein 2024 lag der Rückgang bei den genehmigten Wohnungen in Berlin gegenüber dem Vorjahr bei rund 38 Prozent. Ein ähnliches Bild zeige sich auch für Brandenburg. Hier sank die Zahl der erteilten Baugenehmigungen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund 19 Prozent auf 9.142 Wohnungen. Damit sank die Zahl der genehmigten Wohnungen hier erstmals seit 2013 unter die Marke von 10.000.

Die massiven Baukostensteigerungen führten zu steigenden Kostenmieten – also den Mieten, die zur Refinanzierung von Investitionen rechnerisch genommen werden müssen. Bei aktuell in Umsetzung befindlichen Bauprojekten schätzt der BBU diese auf mittlerweile 18 bis 20 Euro – oder sogar darüber. Das bringe zunehmend einen Zielkonflikt: Sozial verträgliche Mieten sind nicht mehr mit den tatsächlichen Baukosten in Einklang zu bringen.

Umfrage des VNW

Eine Mehrheit der sozialen Vermieter Norddeutschlands wird 2025 Jahr nicht mit dem Bau von Wohnungen beginnen, sondern sich auf die energetische Sanierung ihres Bestandes konzentrieren. Das ergab eine aktuelle Stimmungsumfrage im Januar unter den 350 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die im Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) organisiert sind. Demnach planen lediglich 28 Prozent der am Gemeinwohl orientierten Wohnungsunternehmen, 2025 mit dem Bau von Wohnungen zu beginnen. 58 Prozent würden es nicht tun. Bei 14 Prozent der Unternehmen sei das noch unklar. Anders sehe es bei der energetischen Sanierung bestehender Wohnungen aus. Jedes zweite VNW-Unternehmen plane mit dem Start, 30 Prozent nicht. Bei etwa einem Fünftel (20 Prozent) sei das noch unsicher.

Neubaumonitoring des BFW Nord

Einmal pro Jahr befragt der BFW Landesverband Nord seine Mitgliedsunternehmen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein über ihre Fertigstellungszahlen sowie realisierte und geplante Baubeginne. Demnach bewegt sich die Zahl der fertiggestellten Wohnungen weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. In Hamburg ging sie 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 39,8 Prozent zurück auf nur noch 1.927 Wohnungen. In Schleswig-Holstein gab es einen leichten Anstieg von 3,7 Prozent auf 1.634 Wohnungen. In Mecklenburg-Vorpommern stellten die BFW-Mitgliedsunternehmen 2024 nur 58 Wohnungen fertig.

Schon 2023 sei die Zahl der realisierten Baubeginne in allen drei Bundesländern regelrecht abgestürzt. 2024 ging sie in Hamburg sogar noch weiter zurück. Die Mitgliedsunternehmen starteten hier den Bau von lediglich 553 Wohnungen. In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hingegen zog die Zahl der realisierten Baubeginne wieder an.

Wenig Hoffnung mache die Zahl der geplanten Baubeginne. In Hamburg wollten die BFW-Mitgliedsunternehmen 2025 mit dem Bau von gerade einmal 1.009 Wohnungen beginnen, in Schleswig-Holstein liege der Wert bei 1.194 und in Mecklenburg-Vorpommern bei 246.

Jahresbilanz Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften

Nach vorläufigen Zahlen des VSWG wurden im Geschäftsjahr 2024 nur 190 Wohnungen neu gebaut. Dies entspreche einem erneuten Abfall der seit Jahren festzustellenden Neubautätigkeit und werde auch in den Folgejahren weiter abfallen. Ursachen dafür sind explodierende Baukosten, der Zinsanstieg der letzten Jahre sowie nicht planbare und genauso wenig nicht hilfreiche Förderprogramme im Neubau. Mittlerweile würden im Neubau Kosten von rund 4.000 Euro pro Quadratmeter fällig, die ohne entsprechende Förderung zu Kaltmieten von 15 bis 20 Euro führten. Das sei für das soziale, bezahlbare Wohnen – für das die sächsischen Wohnungsgenossenschaften stünden – illusorisch.

Umfrage in Rheinland-Pfalz

Bereits im Juli 2024 veröffentlichte das Bauforum Rheinland-Pfalz eine Umfrage unter den rheinland-pfälzischen Mitglieder des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen und des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. Das Ergebnis: 50 Prozent der antwortenden Unternehmen planten Mitte 2024 gar keine Neubauvorhaben mehr. Hauptgrund für die Zurückhaltung sind der Umfrage zufolge die hohen Mieten von 18 bis 20 Euro pro Quadratmeter, die die Unternehmen verlangen müssten, um überhaupt kostendeckend bauen zu können. Stattdessen wollen 93 Prozent in den kommenden Jahren die energetische Sanierung ihres Bestands in Angriff nehmen.

Umfrage des VdW Bayern

Laut einer aktuellen Umfrage, die der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen im Dezember 2024 veröffentlichte, bezeichnen 58 Prozent der 505 Verbandsmitglieder ihre Geschäftslage als gut oder sehr gut. Im Jahr 2025 werden 29 Prozent der Unternehmen mehr Geld in den Wohnungsbau investieren. Insgesamt sind 4.500 bezahlbare Mietwohnungen geplant. Die sozial orientierten Mitglieder des Verbands könnten wegen der hohen Baukosten nur noch mit Wohnraumfördermittel die nötigen Mietwohnungen errichten. Doch die Fördermittel seien knapp geworden. Erste Bauprojekte müssten bereits abgesagt oder auf Eis gelegt werden.

VdW Rheinland-Westfalen

Der Verband zitiert Anfang Februar eine gemeinsame Mitteilung des NRW-Bauministeriums gemeinsam mit der NRW-Bank. Demnach wurden 2024 insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro für die Schaffung und Modernisierung von 12.847 Wohnungen bewilligt. Die Höhe des Mietwohnungsneubaus habe auf gleichem Niveau mit 6.726 Wohneinheiten. Verbandsdirektor Alexander Rychter äußerte sich lobend: „Das Wohnraumförderprogramm des Landes NRW ist für die sozial orientierten Mitgliedunternehmen und -genossenschaften ganz entscheidend, wenn es darum geht, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.“

VdW Niedersachsen Bremen

Die Neubauzahlen von 2023 veröffentlichte der VdW Niedersachsen Bremen im August 2024. Der Verband sprach von einem „Zusammenbruch der Neubauinvestitionen“. Es Besserung sah der Verband weder für 2024 noch für 2025. In Zahlen sieht das für den vdw-Bereich so aus: 2023 wurden 463 Millionen Euro im Neubau investiert; 115 Millionen Euro weniger als 2022 und 229 Millionen weniger als 2021. Oder in Fertigstellungszahlen ausgedrückt: In beiden Bundesländern zusammengenommen wurden 2022 noch 2.477 Wohnungen fertiggestellt; 2023 erreichten die Wohnungsunternehmen die Marke von 1.843 neuen Wohnungen. Und zum Zeitpunkt der Pressemitteilung im August letzten Jahres prognostizierte der Verband für 2024 lediglich noch 1.350 Fertigstellungen.

Sehr langsame Anpassung der Baubranche

Die stabilen Neubauzahlen in Bayern und Nordrhein-Westfalen und die Steigerung in Schleswig-Holstein gehen auf attraktive Landesförderungen für den sozialen Wohnungsbau und – im nördlichsten Bundesland – auf vereinfachtes Bauen zurück. Generell steht zu befürchten, dass eine Kehrtwende im Wohnungsbau über Jahre schon aus strukturellen Gründen sehr schwer sein dürfte. Susanne Schmitt, Direktorin des VdW Niedersachsen Bremen wies auf die Erfahrung hin, dass der Abbau von Baukapazitäten sechsmal schneller erfolge als deren Reaktivierung.

Tatsächlich hat die Stellenstreichung im Wohnungsbau inzwischen eingesetzt. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe meldet dieser Tage erstmals seit 2009 einen Rückgang der Beschäftigtenzahl. Sie sank im vergangenen Jahr von 928.000 auf 916.300.

Aus dem Editorial des Februar-März-Heftes der IVV:

"Den Parteien, die jetzt die programmatischen Grundlagen für die neue Bundesregierung aushandeln, muss in Sachen Wohnungsbau klargemacht werden: Weniger ist mehr. Wir brauchen keine neuen Vorschriften; wir brauchen auch nicht mehr Fördergelder. Notwendig ist ein Mentalitätswandel, ein zupackender Pragmatismus und der Abschied von überzogenen Qualitätserwartungen. Es ist mehr eine kulturelle, denn eine technische Herausforderung."

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Redaktion (allg.)

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