Der technologische Fortschritt bei Wärmepumpen und Geräten zur Wärmeübertragung in Verbindung mit einem Kalten Nahwärmenetz ermöglicht, neben Einzelobjekten auch komplette Wohngebiete durch Abwasserwärmenutzung effizient und klimaschonend mit Wärme zu versorgen. Laut Umweltministerium Baden-Württemberg ist das Potenzial beträchtlich, zehn Prozent aller Gebäude könnten damit versorgt werden.
Abwasserwärme – das flüssige Gold
In der Gemeinde Schallstadt, südwestlich von Freiburg im Breisgau, waren die Voraussetzungen im Neubaugebiet Weiermatten günstig. Ein Wohngebiet mit etwa 200 Wohnungen sowie das neue Rathaus entstanden unweit eines vorhandenen Abwasserkanals. Auf Brennstoffe, ob regenerativ oder synthetisch, kann komplett verzichtet werden. Der Kanal sammelt die Abwässer der benachbarten Gemeinden Ebringen und Pfaffenweiler, hat einen Trockenwetterabfluss von rund 23 Liter pro Sekunde und einen Durchmesser von 90 Zentimetern. Er ist Eigentum des Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht, dem somit offiziell Wasser und Wärme gehören. Die kostenfreie Entnahme wurde gestattet, nicht jedoch Einbauten im Kanal.
Pumpen, durch einen Schlammrechen vor groben Partikeln geschützt, fördern aus einem Bypass das Abwasser zu den Wärmetauschern in der Heizzentrale. Von dort fließt das abgekühlte Wasser im Freispiegel zurück. Das ist der sogenannte Primärkreislauf, dessen Temperatur an der Entnahmestelle des Kanals im Winter erfahrungsgemäß etwa 10 bis 12 °C beträgt, im Sommer über 20 °C.
Kaltes Wärmenetz – ein paradoxer Begriff
Im Unterschied zur klassischen Fernwärmeversorgung arbeitet das Kalte Nahwärmenetz, hier als Sekundärkreislauf zwischen Wärmetauschern und Wärmepumpen bei den Anschlussnehmern, mit niedrigen Temperaturen. Damit werden die Wärmeverluste in der Leitung minimiert. Im letzten Abschnitt, dem Gebäude mit den Nutzern, übernimmt die Wärmepumpe die Bereitstellung der gewünschten Warmwasser- und Heiztemperatur. Dies geschieht mithilfe von elektrischem Strom, funktioniert wie ein Kühlschrank mit dem physikalischen Prinzip von abwechselnder Kompression und Entspannung, erzielt aber den gegenteiligen Effekt. Je tiefer das Temperaturniveau der Gebäudeheizungen liegt, desto effizienter, weil stromsparend, können die Wärmepumpen arbeiten. Im Sommer funktionieren die Wärmepumpen in umgekehrter Weise als Kältemaschinen zur Raumkühlung. Allerdings wird die Wärme nicht in den Abwasserkanal eingespeist, sondern im Quartier „versenkt“. Dazu dient ein thermischer Puffer, ein 500 Kubikmeter fassendes unterirdisches Wasserbecken – das noch weitere Vorteile bringt.
Pufferspeicher – das unterirdische Depot
Der unterirdische Wasserbehälter schafft den Ausgleich von „Angebot und Nachfrage“ in Bezug auf Wärme und befindet sich unmittelbar vor der Heizzentrale, die in einem Anbau des neuen Rathauses untergebracht ist. Im Winter besteht die Möglichkeit, da-raus Wärme zu gewinnen, falls die Abwasserwärme nicht ausreicht. Dann wird der Sekundärkreislauf nicht nur über die Wärmetauscher, sondern auch durch das Pufferbecken „gefahren“ – Dreiwegeventile im Armaturenschacht vor der Heizzentrale machen das Beimischen möglich. In gewissen Grenzen wirken das Material des Betonbehälters und das umgebende Erdreich bzw. Grundwasser als zusätzliche thermische Puffer, sowohl bei der Heizung im Winter als auch bei der Kühlung im Sommer.
„Ein Pufferspeicher aus Beton in der hier verwendeten Bauart und Größenordnung wird in einem unserer Fertigteilwerke hergestellt“, sagt Andreas Bölling, beim Hersteller Mall für diesen Großbehälter verantwortlich. „Er wird in Segmenten zum gewünschten Termin zur Baustelle gebracht und innerhalb von zwei Tagen montiert.“ Das machen die Monteure des Herstellers, unterstützt durch einen Autokran, damit die Gewährleistung in einer Hand liegt. Für den Aushub vorab, für den Anschluss der Leitungen sowie das Verfüllen der Baugrube danach wird ein Tiefbauunternehmen beauftragt. So kann nach etwa acht Tagen das Gelände oberhalb des Behälters vom Garten- und Landschaftsbaubetrieb fertiggestellt werden – bei Bedarf wie in Schallstadt sogar als Parkplatz, denn das Speicherbauwerk aus Betonfertigteilen ist gemäß Statik mit 0,5 Meter Mindestüberdeckung für Pkw und Lkw befahrbar.
Elektrischer Strom – der Brennstoffersatz
Es ist kein Geheimnis, dass Wärmepumpen elektrischen Strom benötigen und die Wirtschaftlichkeit vom Verhältnis dieser investierten elektrischen Energie zur gewonnenen thermischen Energie abhängt. Die Energiedienst AG ist zunächst nur Contractor der Wärmelieferung inkl. Hausanschluss für das Gebiet Weiermatten, das Quartier neue Ortsmitte, die Gruppe der Plusenergiehäuser und das neue Rathaus. Wer die Wärmepumpen betreibt und woher der dazu erforderliche Strom kommt, ist unterschiedlich. Die Bewohner einiger Gebäude beziehen die elektrische Energie aus eigenen Photovoltaikanlagen. Zusätzlich oder alternativ bietet die Energiedienst AG den Wärmenutzern den zu 100 Prozent regenerativ erzeugten Strom aus eigenen Wasserkraftwerken am Hochrhein an. Die Gemeinde Schallstadt, Eigentümerin des Rathauses, hat für dieses Gebäude das Komplettangebot von Energiedienst (Lieferung von Wärme und Betrieb der Wärmepumpe) angenommen.
Mall GmbH
Redaktion (allg.)
Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 377.75 KB |
◂ Heft-Navigation ▸