Quartiersstrom – finanzieller Vorteil für Mieter und Betreiber
Bei größeren Wohnbauprojekten und bei kommunalen Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern und Verwaltungsbauten sind Contracting-Konzepte seit Jahren sehr beliebt, denn sie reduzieren die Investitionskosten für die Gebäudebetreiber und erhalten deren Liquidität. Die meisten Contractingmodelle betreffen die häusliche Wärmeversorgung. Im Regelfall stellt der Liegenschaftseigentümer dem Contractingpartner den Aufstellraum für den Wärmeerzeuger zur Verfügung und zahlt lediglich für die gelieferte Wärmeenergie, nicht jedoch die Anlage selbst.
Einen interessanten Schritt weiter ging ein städtisches Wohnungsunternehmen, die GEWOBA in Emden. Als Bauherr und Verwalter des Neubauquartiers am Emder Wykhoffweg entschied man sich für die kombinierte Wärme- und Eigenstromversorgung der Wohnanlage durch ein Blockheizkraftwerk. Konkret handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus für betreutes Wohnen, sechs Einfamilienhäuser (Reihenhäuser) sowie vier Geschosswohnbauten mit vier, acht und zwölf Wohneinheiten und ein Mehrfamilien-Bestandsgebäude. Zum Einsatz kam ein Gas-BHKW des Saterländer Herstellers RMB/ENERGIE vom Typ neoTower 30.0. Es soll vorzugsweise der Eigenstromversorgung der Mieter dienen, Überschüsse werden ins öffentliche Netz eingespeist.
Das BHKW mit einer Nennleistung von 30 kW elektrisch wurde von der regional bekannten Haustechnikfirma Ivens auf einem der Neubaugrundstücke in einer separat stehenden Heizzentrale installiert. Es deckt mit seiner Wärmenennleistung von 63,1 kW die Grundlast der Wärmeversorgung in allen erwähnten Gebäuden ab. Für die Spitzenlast steht ein konventioneller Buderus Brennwertkessel mit Weishaupt-Brenner bereit. Um ein Takten des BHKW möglichst zu vermeiden, beliefert dieses zunächst einen 3.000 Liter fassenden Pufferspeicher. Außerdem ist der neoTower 30.0 in der Lage, zwischen 15,0 und 30,0 kW elektrisch und 40,9 bis 63,1 kW thermisch stufenlos zu modulieren. Mit einem Gesamtwirkungsgrad von 104 Prozent liegt das neoTower BHKW auf einer Höhe mit reinen Gasbrennwertkesseln und weist die bestmögliche Energieeffizienzklasse A++ auf, weshalb sein Einsatz obendrein staatlich gefördert wird.
Der technische Bauleiter der Firma Ivens erklärt: „Die Heizkreise zu allen Gebäuden und sämtliche Anlagenkomponenten werden über einen Kieback & Peter-Schaltschrank gesteuert. Aus dem Pufferspeicher gelangt das Wasser bei ausreichender Temperatur in den Rücklauf zum Heizkessel. Durch die Anhebung der Rücklauftemperatur muss der Kessel, wenn überhaupt, nur minimal nachheizen. An jedem Gebäudetrakt befinden sich Danfoss Unterstationen mit Plattenwärmetauschern und Speichern mit eigener Regelung.“
BHKW wird lückenlos aus der Ferne überwacht
Mit einem Wartungsintervall von 8.000 Betriebsstunden ist das von einem robusten Yanmar-Aggregat angetriebene neoTower Blockheizkraftwerk auch günstig im Unterhalt. Der japanische Yanmar-Konzern ist als Hersteller von Spezialmotoren für erschwerte Einsatzbedingungen, beispielsweise bei Baumaschinen oder im Marinebereich, international bekannt. Seit drei Jahren ist Yanmar Mehrheitsgesellschafter von RMB-Energie. Die lückenlose Fernüberwachung der Anlage ermöglicht unter anderem die genaue Vorausplanung von Wartungsterminen sowie eine Analyse aller Betriebszustände direkt vom Werk aus, von wo sie gegebenenfalls auch online optimiert werden kann.
Um die Planung und Realisierung des Vorhabens kümmerte sich die Firma Luana. Tammo Krüger von der Geschäftsleitung der Luana-Group: „Wir entwickeln Beteiligungsmodelle rund um BHKW, vor allem aber sind wir ein Partner für die Versorgung mit Strom und Wärme im Rahmen wirtschaftlich attraktiver Contractinglösungen.“ Contracting-Partner sind in diesem Fall die Stadtwerke Emden (SWE). Ziel war es, Vorteile sowohl für die Betreiber wie auch die Bewohner der Häuser zu erreichen, denn die rasche Amortisation der Anlage hängt auch davon ab, dass möglichst alle Mieter den Strom aus lokaler Erzeugung beziehen. Da sie ein gesetzlich garantiertes Wahlrecht des Stromanbieters haben, bedeutet das, dass der Strombezug aus dem eigenen BHKW attraktivere Konditionen haben muss. Über Informationsflyer und Bewohnerversammlungen gelang es Luana, die Mieter „mit ins Boot zu holen“.
Mieterstrom bringt mehr Erlöse als Netzeinspeisung
Die Betreiber profitieren vom Stromverkauf im Objekt mehr als von der Einspeisung ins öffentliche Netz, die bei Anlagen bis zu 50 kW Leistung derzeit bei 8 Cent je kWh liegt. Bei Verwendung in der Anlage werden 4 Cent Einspeisevergütung gezahlt, zuzüglich des „üblichen Preises“ des letzten Quartals an der Leipziger Strombörse. Allerdings sind Mieter üblicherweise bereit, auch 21 oder 22 Cent je kWh an den Stromlieferanten zu bezahlen – was den Gewinn für den Betreiber steigert. Hinzu kommt das vermiedene Netznutzungsentgelt (VNNE), das ansonsten Bestandteil der Einspeisevergütung ist. Außerdem stellt der Eigenstromverkauf ein wirtschaftliches Szenario für die Zeit dar, in der keine Zuschläge mehr nach dem KWK-Gesetz gezahlt werden. Diese enden nach einer bestimmten Laufzeit von zirka 60.000 Folgestunden, die nach ungefähr sieben bis zehn Jahren erreicht sind. Danach fallen zwar die vier Cent Einspeisevergütung weg, es bleiben aber noch die Erlöse aus dem Endkundengeschäft.
Fazit: In Verbindung mit einem Quartiersstrom- und Contractingmodell konnte bei den Wohnneubauten der Emder Siedlung am Wykhoffweg eine für die Betreiber wie auch die Bewohner sehr attraktive Energieversorgungslösung mit Wärme und Strom gefunden werden. Herzstück des Systems ist ein neoTower-Blockheizkraftwerk des norddeutschen Herstellers RMB/ENERGIE. Für Planung, Durchführung und Abrechnung der Anlage waren die Luana-Group in Kooperation mit dem örtlichen Energieversorger Stadtwerke Emden wichtige Projektpartner.
Bautafel
Martin Henze
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