Ausbau in Wohngebäuden zäh
Die Zahlen der Bundesnetzagentur für öffentlich zugängliche Ladestationen sind beachtlich: Am 1. Oktober 2022 waren in Deutschland 59.228 Normalladepunkte und 11.523 Schnelladepunkte in Betrieb. Der Zubau gegenüber dem Jahresbeginn beträgt damit rund 20 Prozent für Normallader und 29 Prozent für Schnelllader. Nach wie vor verteilen sich die Ladepunkte sehr unterschiedlich auf die Bundesländer: Mehr als die Hälfte aller Ladepunkte befinden sich in den drei Ländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Hier gibt es jeweils mehr als 10.000 Normalladepunkte und jeweils rund 2.000 Schnellladepunkte. In Bremen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hingegen wurden jeweils weniger als 900 Normalladepunkte und weniger als 320 Schnellladepunkte gemeldet. Laut Kraftfahrt-Bundesamt rollten in Deutschland zum Jahreswechsel erstmals eine Million reine Elektroautos über die Straßen.
Gesetz will Ladeinfrastruktur in Neubau und Modernisierung integrieren
Im privaten Bereich soll das im Februar 2021 in Kraft getretene Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG) die Nutzung von Elektroautos deutlich attraktiver machen. Das Gesetz hat weitreichende Auswirkungen auf Bau- und umfassende Modernisierungsvorhaben. Mit dem GEIG will der Gesetzgeber den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge beschleunigen. Das Gesetz gilt für Wohngebäude und Nichtwohngebäude (z.B. Verwaltungsgebäude, gewerbliche Betriebsgebäude, Hotels, Krankenhäuser, Schulen oder Museen). Es enthält Anforderungen an die Leitungsinfrastruktur und die Ladeinfrastruktur der Gebäude. Die Leitungsinfrastruktur umfasst bauliche Vorrüstungen für die Verlegung von Elektro- und Datenleitungen und ausreichende Installationsräume für intelligente Mess- und Lademanagementsysteme. Zur Ladeinfrastruktur gehören Installationseinrichtungen wie Umspann-, Schalt- und Verteileranlagen, Verbrauchserfassungen oder Sicherungselemente.
Ladestation für jeden Parkplatz im Neubau ab sechs Stellplätzen
Laut Gesetz muss bei neuen Wohngebäuden mit mehr als fünf Stellplätzen jeder Pkw-Stellplatz mit der nötigen Leitungsinfrastruktur und bei Nichtwohngebäuden mit mehr als sechs Stellplätzen jeder dritte Pkw-Stellplatz mit der nötigen Leitungsinfrastruktur und einer funktionsfähigen Ladeeinrichtung ausgestattet sein.
Die praktische Umsetzung der GEIG-Anforderungen ist aber nicht nur für Bauträger und Eigentümergemeinschaften eine besondere Herausforderung, sondern auch für die Energieversorger. Das gilt vor allem dann, wenn der zusätzliche Strombedarf über das öffentliche Mittelspannungsnetz gedeckt werden soll. Das kann bereits bei kleineren Wohngebäuden der Fall sein, wenn dort leistungsstarke Schnellladestationen installiert werden sollen. Die Versorgung über das Mittelspannungsnetz muss nach Aussage des TÜV Süd öffentlich erschlossen werden. Zudem ist im Gebäude ein Transformator nötig, der einen eigenen Aufstellraum erfordert und der in der Regel vom Bauherrn finanziert werden muss.
Bei umfassenden Modernisierungen muss Ladesystem eingebaut werden
Werden mehr als 25 Prozent der Oberfläche der Gebäudehülle renoviert, ist dies eine „größere Renovierung“ im Sinne des GEIG. Bei größeren Renovierungen, die zudem den Parkplatz oder die elektrische Infrastruktur umfassen, gelten die Anforderungen ab zehn Stellplätzen. Dann muss bei einem Wohngebäude jeder Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur ausgestattet werden, bei einem Nichtwohngebäude jeder fünfte. Hier ist zudem ein betriebsfähiger Ladepunkt zu errichten.
Unabhängig davon muss jedes Nichtwohngebäude mit mehr als 20 Stellplätzen ab 1. Januar 2025 einen betriebsbereiten Ladepunkt haben.
Vom GEIG ausgenommen sind Nichtwohngebäude, die sich im Eigentum von kleinen und mittleren Unternehmen befinden oder überwiegend von diesen genutzt werden. Weitere Ausnahmen sind vorgesehen, wenn bei größeren Renovierungen von bestehenden Wohn- und Nichtwohngebäuden die Kosten für die Lade- und Leitungsinfrastruktur sieben Prozent der gesamten Renovierungskosten überschreiten.
Die Rahmenbedingung in WEGs
Alle rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Nachrüstungen im Bestand von Eigentümergemeinschaften regelt das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), mit dem Wohnungseigentümer und Mieter seit Ende 2020 – vereinfacht ausgedrückt – einen Anspruch auf die Installation einer Ladesäule auf dem Grundstück des Hauses oder in der Tiefgarage haben. Dieser Anspruch wird sich in der Regel allerdings nur mit erheblichem baulichen und finanziellen Aufwand realisieren lassen.
Elektroinstallation richtig dimensionieren
Dazu gehört unter anderem die Leitungsinfrastruktur wie Trassenwege für Elektro- und Datenleitungen. Leerrohre und Kabelpritschen etc. ermöglichen die spätere Installation eines Ladepunkts. Zum anderen muss für die Mess- und Lademanagement-Systeme der nötige Installationsraum eingeplant werden, in dem auch alle Sicherungselemente, Verbrauchsmesser sowie Umspann-, Schalt- und Verteileranlagen Platz finden.
Wie der Installationsraum bemessen wird, geht aus einer elektrotechnisch begründeten Planung hervor, die alle lokalen Versorgungsbedingungen berücksichtigt. Hier greift das GEIG, auch wenn die Versorgung des lokalen Stromanbieters nicht ausreicht. Es zwingt ihn zwar nicht zum versorgenden Anschluss, er darf der Einrichtung einer Leitungsinfrastruktur jedoch nicht widersprechen. Erst wenn die Leitungen und Systeme der Ladeinfrastruktur tatsächlich verlegt bzw. installiert werden, ist seine Zustimmung nötig.
Lokales Stromnetz könnte überlastet werden
In den kommenden Jahren wird die Zahl der privaten Ladepunkte in Wohngebäuden wahrscheinlich deutlich steigen. Sie könnten jedoch unter Umständen erst dann voll nutzbar sein, wenn der örtliche Energieversorger sein Stromnetz ertüchtigt. Auch mit Blick auf den künftigen Leistungsbedarf ist die Leistungsgrenze eines Niederspannungsanschlusses je nach Ausstattung bzw. Planung des Objekts schnell überschritten: zum Beispiel, wenn Lademöglichkeiten für mehr als zehn Pkw-Stellplätze geschaffen werden sollen. Mitunter ist dann ein Mittelspannungsanschluss mit einer Trafo- und Schalteinrichtung erforderlich, den in der Regel der Bauherr – oder im Falle einer WEG die Eigentümer mit E-Auto – finanzieren.
Sicherheit vor elektrischer Überlastung
Auch ein Lastmanagementsystem beugt einer Überlastung bzw. Unterversorgung vor, indem es die verfügbare Leistung auf mehrere Ladepunkte verteilt und so den Spitzenleistungsbedarf der Gesamtanlage begrenzt sowie den Lastkurvenverlauf glättet. Wichtig sind in diesem Zusammenhang jedoch auch die Nutzererwartungen, wenn der Ladevorgang dadurch deutlich verlängert wird.Bei der Installation gelten darüber hinaus die gesetzlichen Vorgaben wie die Technischen Anschlussregeln (TAR), die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) als auch die normativen Anforderungen (u.a. DIN und VDE).
„WEGs benötigen Ausfallbürgschaften für die erheblichen Investitionen“
Vor welchen finanziellen Hürden insbesondere Eigentümergemeinschaften häufig stehen dürften, zeigt eine Stellungnahme des Verbandes der Immobilienverwalter Hessen (VDIV Hessen) anlässlich eines Mobilitätsgipfels im Januar im Bundeskanzleramt.
Damals erklärte der VDIVH-Vorstandsvorsitzender Werner Merkel: „Aus Sicht der Verwalter und Eigentümer wird in der aktuellen politischen Diskussion die Bedeutung der Lademöglichkeiten in Mehrfamilienhäusern vernachlässigt. Hier sind oftmals größere technische Eingriffe in die Netzinfrastruktur der Gebäude nötig, die über den Einbau einer Wallbox weit hinausgehen. Die Kosten für die Ertüchtigung der Netzinfrastruktur tragen derzeit die Eigentümer allein. Hier wünschen wir uns eine stärkere Unterstützung, beispielsweise durch Ausfallbürgschaften.“ (Red.)
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