„Der Effizienzhebel liegt fast mmer in der Regelungstechnik“
Mehr als 5.000 Filialen von knapp 50 Kunden wie Bonita, C & A oder Depot betreut die Stuttgarter Seybold GmbH derzeit mit 20 Mitarbeitern. Und weil der 2007 gegründete Dienstleister nicht nur Mietverträge und Reinigungsservices verwaltet, sondern vor allem Nebenkosten abrechnet, liegt ein Hauptaugenmerk auf den Positionen für Heizöl, Gas und Strom. „15 bis 20 Prozent Einsparpotenzial bei den Energiekosten finden wir immer,“ sagt Gründer Marcus Seybold, dessen Firma im laufenden Jahr die Betreuung von 1.000 weiteren Läden übernimmt.
Der Effizienzhebel liegt fast immer in der Regelungstechnik,“ sagt Seybold, der bei der komplexen Thematik mit Bernd Maur in Germering bei München zusammenarbeitet. Der Elektrotechniker und Immobilien-Fachwirt hat sich 2009 als Energieberater selbstständig gemacht, um Firmen beim Energiesparen zu unterstützen und Dienstleister wie die Seybold GmbH punktuell zu beraten. „Alles, was bei Vergleichswerten zum Energieverbrauch aus dem Rahmen fällt, mailen wir Herrn Maur zur Diagnostik,“ beschreibt Seybold die Arbeitsteilung.
Der Energieberater wertet diese Daten aus und gleicht sie nochmals mit seinen Referenzkunden ab. „Ein Premiumanbieter leuchtet seine Filialen heller aus als ein Billighändler,“ gibt Maur ein Beispiel für Unterschiede, die zu berücksichtigen sind. Auf Basis der übermittelten Vertrags- und Abrechnungsunterlagen und einer Standortanalyse recherchiert er weitere Angaben zu Standort und Objekt, gleicht sie mit Witterungsdaten ab und fährt in gut der Hälfte aller Fälle raus und nimmt den Standort persönlich in Augenschein. Letzteres vor allem, wenn sich Mieter und Vermieter über die Höhe oder Verteilung der Nebenkosten nicht einigen.
„Oft fehlen Eigentümern, Betreibern und Mietern bauphysikalische Kenntnisse und Konflikte entstehen, weil zum Beispiel die Heizung dem Vermieter gehört, die Kühltechnik aber dem Mieter,“ so Maur. Meist regt der Experte Anpassung der Regelungstechnik an, die Heizung und Kühlung aufeinander abstimmt und im besten Fall sogar noch die Abwärme nutzt.
Strittig seien immer wieder fehlende Zähler, so dass auf der Basis unzulässiger Schätzungen abgerechnet werde. Oder Zähler, die nicht mehr geeicht sind, weil etwa der beauftragte Dienstleister die Sechs-Jahres-Frist versäumt hat. Maur: „Dann darf der Mieter pauschal 15 Prozent abziehen.“
Fernwärme-Verträge können oft deutlich nach unten korrigiert werden
Bis zu 30 Prozent Energiekosten lassen sich auch sparen, wenn bei Fernwärmeversorgung über die Auswertung des Lastgangs die Leistungsvereinbarung an den tatsächlichen Bedarf angepasst wird. Eine zu hoch vereinbarte Leistung, die ihren Ursprung oft in der sogenannten Wärmeschutznachweisberechnung hat, kann dazu führen, dass die zu zahlenden Leistungskosten die Arbeitskosten für den tatsächlichen Energieverbrauch übersteigen. Die Leistungskosten sollten ein Viertel der Wärmekosten nicht übersteigen, so der Fachmann. Maur: „Nochmals Energie sparen lässt sich ohne Komfortverlust, wenn eine Anlage nicht mit Volllast gefahren wird, sondern vorausschauend.“ Dafür müsse der Betrieb der Haustechnik elektronisch dokumentiert und deren Betriebsverhalten ausgewertet werden.
Den Kunden werden zehntausende Euro erspart
Die Seybold GmbH nutzt dieses Fachwissen und überträgt es in alle Filialen, deren Betrieb sie verwaltet. Inhaber Marcus Seybold, der bis 2007 bei einem Neckarsulmer Handelskonzern die Nebenkosten der Filialen vertragskonform mit den Untermietern abgerechnet hatte, erspart seinen Kunden damit jährlich zehntausende Euro, zumal die Energiekosten zuletzt teils um 100 Prozent gestiegen sind. Der 45-Jährige leistet mit seinem 20-köpfigen Team damit auch einen wertvollen Beitrag zur Energiewende. Denn jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, spart Ressourcen und ist ein Schritt zur nationalen CO2-Neutralität.
Hinzu kommt, dass der Dienstleister dank massiver Digitalisierung auch bei 200, 500 oder 1.000 Filialen noch im Blick behält, wo wann Fristen fällig werden, zu denen Verträge gekündigt, nachverhandelt oder verlängert werden können oder müssen. Nebenbei spart diese Organisationsstruktur mit automatischer Daten- und Rechnungserfassung zentnerweise Papier und jede Menge Mobilität, weil auch online konferiert wird. Aktuell beschäftigt der Stuttgarter Dienstleister zehn Immobilienwirte, fünf Immobilienkaufleute und fünf weitere Kaufleute, um all diese Prozesse zu steuern. Das Durchschnittsalter liegt im Team bei 32 Jahren. Willkommen sind wegen der Technisierung auch zunehmend Wirtschaftsingenieure.
Leonhard Fromm


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