„Ich empfehle ein Coaching für die Moderation von Versammlungen“
Was sind typische Auslöser in Eigentümergemeinschaften, an denen eine energetische Sanierung scheitert?
Ganz häufig reagieren die Betroffenen erst auf einen Konflikt, wenn er akut ist. Wenn beispielsweise die Beschlussvorlage zur Beauftragung des Energieberaters auf dem Tisch liegt und sich herausstellt, dass zwei Eigentümer aufgrund ihrer finanziellen Situation, ihres Alters oder auch ihrer gesellschaftlichen Einstellung eigentlich gar nicht sanieren wollen. Dann sorgen die Diskussionen für Verzögerungen, unter Umständen entsteht Zeitdruck, weil Fördermittel nicht rechtzeitig beantragt werden können, das Projekt kommt auf Wiedervorlage und die Diskussion startet im schlimmsten Fall mit einer noch schlechteren Grundstimmung als beim ersten Mal.
Wie lässt sich eine solche Situation vermeiden?
Empfehlenswert ist immer die Vorverlagerung von Konflikten. Beispielsweise im Rahmen einer Mediation kann zunächst ein Konsens über Ziele und Interessen geschaffen werden.
Eine Mediation für alle Wohnungseigentümer und die Verwaltung als Vorbereitung für eine energetische Sanierung? Das dürfte in der Praxis Seltenheitswert haben. Welche niedrigschwelligen Möglichkeiten gibt es?
Sehr hilfreich ist, wenn als erster Schritt – beispielsweise im Rahmen eines Infoabends mit allen Betroffenen geklärt wird: Worüber sprechen wir? Was sind die Interessen der einzelnen? Für die Erarbeitung von Themen, die zu klären sind, sowie die Ermittlung von Interessen gibt es fundierte Methoden, in denen der Moderator des Infoabends geübt sein sollte. Ungeübten Moderatoren passiert es schnell, dass das Gespräch in einem Austausch über Positionen bleibt und die dahinter stehenden Interessen gar nicht besprochen werden. Wenn alle wissen, wo beim Schwächsten die finanzielle Grenze ist, können sie diese von vornherein einbeziehen. Wenn bekannt ist, dass mehrere Mitglieder der Gemeinschaft überzeugt sind, es gibt keinen Klimawandel, dann ist es wichtig, diese Haltung zu respektieren, auch wenn man sich damit vielleicht selbst überhaupt nicht identifizieren kann. Ein fundiertes Stimmungsbild schärft das Problembewusstsein. Gepaart mit gegenseitigem Respekt erleichtert es die Suche nach einer Lösung.
Der Umgang mit Konflikten in Eigentümerversammlungen verlangt von Hausverwaltungen ausgeprägte soziale Kompetenzen, diplomatisches Geschick und kommunikatives Know-how. Gerade wenn über umfangreiche Investitionen diskutiert wird, sind Emotionen im Spiel. Wie können sich Verwaltungsmitarbeiter wappnen?
Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Natürlich kann man sich für einen konkreten Einzelfall coachen lassen. Andererseits haben WEG-Verwaltungen immer wieder mit ähnlichen Konstellationen zu tun. Insofern ist es durchaus eine Überlegung wert, sich durch Verhandlungs- oder Moderationstraining entsprechende Kompetenzen anzueignen. Denkbar ist auch, dass sich mehrere Verwaltungen zu einem gemeinsamen Workshop zusammentun. In größeren Unternehmen kann es sinnvoll sein, ein oder zwei Mitarbeiter gezielt in Verhandlungsführung zu schulen. Diese können dann bei Bedarf auch in Eigentümerversammlungen von Gemeinschaften hinzugezogen werden.
Sind Energieberater Ihrer Beobachtung nach ausreichend auf die Diskussionen in Eigentümerversammlungen vorbereitet?
Für viele Energieberatenden ist es schwierig, sich auf diese Situation einzustellen. Sie stellen zum Beispiel unterschiedliche technische Sanierungsmöglichkeiten vor und übersehen dabei, dass sie mit einer sehr sachlichen Herangehensweise in einem sehr emotionalen Kontext einen Konflikt auch unbeabsichtigt eskalieren können. Hinzu kommt: Genau wie diejenigen in der Gemeinschaft, die die Initiative für die Sanierung ergriffen haben, sind die Energieberatenden in der Regel überzeugt, das Richtige zu tun, eine Maßnahme anzustoßen, die allen guttut. Sie werden deshalb von vornherein als Teil der Pro-Fraktion wahrgenommen und werden deshalb von der Contra-Fraktion nicht als neutrale Experten wahrgenommen.
Wie lässt sich verhindern, dass Energieberater in einer Eigentümerversammlung mit sachlichen Fragen oder auch Stimmungen konfrontiert sind, auf die sie ad hoc schwer reagieren könnten?
In der Praxis ist es häufig üblich, dass derjenige, der die Initiative ergriffen hat – ein einzelner Eigentümer oder die Hausverwaltung – den Experten nicht nur zu baulich-technischen Aspekten, sondern auch zu kritischen Aspekten oder Befindlichkeiten in der WEG brieft. Das ist durchaus sinnvoll, birgt aber das Risiko, dass sich andere Eigentümer übergangen fühlen. Denkbar ist, bereits bei Vorgesprächen besonders lautstarke Stimmungsmacher mit unterschiedlichen Positionen dazu zu holen und einzubinden. In der Versammlung selbst ist ein Moderator wichtig. Diese Rolle kann die Hausverwaltung übernehmen oder auch eine von der WEG gewählte Person. Dazu würde ich empfehlen, dass die Personen, die die Rolle des Moderators übernehmen, sich vorher gezielt in konsensorientierter Moderation schulen lassen.
>> zum Hauptartikel aus der IVV-Ausgabe 05/24: Die mühsame Suche nach Informationen und Beratung für WEG
Eva Kafke
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