Wohnungsbauförderung

Geplantes Programm KNN sieht Wohnflächenbegrenzung vor

Mit einem neuen Förderprogramm will das Bundesbauministerium den Neubau von günstigen Mietwohnungen für Alleinerziehende, Senioren und Studenten besonders in Ballungszentren ankurbeln. Vorgesehen ist dabei auch eine Begrenzung der Wohnfläche.

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Die Pro-Kopf-Wohnfläche steigt statistisch unaufhaltsam. Durchschnittlich bewohnt jeder Deutsche 55 Quadratmeter. Tatsächlich ist die Verteilung extrem ungleich zwischen Eigentümern und Mietern, Alt und Jung, Arm und Reich. Bild: Bluedesign / stock.adobe.com
Die Pro-Kopf-Wohnfläche steigt statistisch unaufhaltsam. Durchschnittlich bewohnt jeder Deutsche 55 Quadratmeter. Tatsächlich ist die Verteilung extrem ungleich zwischen Eigentümern und Mietern, Alt und Jung, Arm und Reich. Bild: Bluedesign / stock.adobe.com

Jeweils eine Milliarde Euro sind im Bundeshaushalt im laufenden und im kommenden Jahr für das KfW-Programm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment (KNN) – Wohngebäude mit kleinen bis mittleren Einheiten“ eingeplant. Zielgruppe ist die Bau- und Immobilienwirtschaft. „Mit diesem neuen Programm sollen Neubauten gefördert werden, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Energieeffizienzstandard (EH 55) hinaus eine Einsparwirkung haben, die über den Lebenszyklus mindestens der CO2-Einsparung von EH 40 entsprechen“, so das Bundesbauministerium. „Durch Kriterien wie die Begrenzung der zu fördernden Baukosten und Wohnfläche sollen dabei auch die Realisierung neuer innovativer Konzepte im Wohnungsneubau unterstützt werden und damit auch ein zusätzlicher Mehrwert für den Klimaschutz geschaffen und besonders in Ballungsgebieten mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen.“ Die Idee, die Förderung an eine Begrenzung der Wohnfläche zu koppeln, fällt ins Auge. Sie stößt in der Branche auf unterschiedliche Reaktionen.

Wie viel Wohnfläche ist angemessen?

„Eine Flächenbegrenzung bei gefördertem Wohnungsbau kann angesichts der stetig wachsenden Pro-Kopf-Wohnfläche und dem damit verbundenen höheren Energieverbrauch sinnvoll sein“, sagt DanielMoser, Referent für Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Frage ist nur: Wie wird diese Koppelung aussehen? Dazu ist bislang nichts bekannt. „Wenn man die staatliche Wohnungsbauförderung an eine maximale Wohnfläche binden will, wird es schnell kompliziert“, meint Ralph Henger, Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). „Denkbar wäre, eine Förderung pro Quadratmeter festzulegen und einen Deckel für eine bestimmte Fläche vorzusehen. Nur: Orientiert sich der Deckel an der Zahl der Wohneinheiten? Der Personenzahl der Bewohner? Wie und zu welchem Zeitpunkt werden Kinder berücksichtigt?“ Und auch die Höhe eines solchen Deckels birgt Konfliktpotenzial. „Das BBSR hat im vergangenen Jahr in einer Studie 35 Quadratmeter Wohnfläche pro Person als suffiziente Orientierungsgröße bezeichnet“, erinnert der Experte von der Deutschen Umwelthilfe. „Diese Größe sollte sich in der Förderrichtlinie wiederfinden und ist besonders dann ausreichend, wenn auch alternative Wohnkonzepte wie beispielsweise die Einrichtung von wohnungsübergreifenden Räumen gefördert werden.“

Ungleiche Flächenverteilung durch Remanenzeffekte

Das Thema Wohnfläche wird unter Ökonomen und Immobilienexperten seit Jahren verstärkt diskutiert. Der Grund: Die Pro-Kopf-Wohnfläche steigt scheinbar unaufhaltsam. Im Durchschnitt bewohnt jeder Deutsche 55,5 Quadratmeter, so die Mikrozensus-Zusatzerhebung 2022. Doch das ist nur ein Durchschnittswert. Eigentumsform, Haushaltsstruktur, Einkommen, Einzugsjahr und Region sorgen für eine extrem ungleiche Verteilung der Pro-Kopf-Wohnfläche.

Zwei Beispiele: In Eigentümerhaushalten beträgt sie durchschnittlich 65,1 Quadratmeter, in Mieterhaushalten 48,5 Quadratmeter. Einer Pro-Kopf-Fläche von 73,4 Quadratmetern im Einpersonenhaushalt stehen 29,9 Quadratmeter pro Kopf in einem Haushalt mit vier oder mehr Mitgliedern gegenüber. Der Blick auf die Kombination mehrerer Kriterien zeigt die Spannbreite: Ein Ein-personen-Eigentümerhaushalt mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen ab 4.000 Euro verfügt über durchschnittlich 126,7 Quadratmeter, ein Mieterhaushalt mit vier oder mehr Personen 19,4 Quadratmeter pro Person. Angesichts dieser Entwicklung spricht die Architektenkammer Baden-Württemberg von einer „Verteilungskrise“.

„Bei der in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegenen durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnfläche handelt es sich um einen passiven Anstieg, um ein Ausdünnen im Bestand“, betont Prof. Harald Simons, Vorstand der empirica ag. Die Zahl der Haushaltsmitglieder verringert sich, etwa nach einer Trennung, mit dem Auszug von Kindern oder dem Tod eines Partners. Die verbleibenden Personen halten jedoch an ihren größeren Wohnungen fest. In Einfamilienhäusern sieht man diese sogenannten Remanenzeffekte besonders deutlich, aber auch in Geschosswohnungen sind sie erheblich. „Die wesentlichen Ursachen für Remanenzeffekte sind: Das Halten einer Wohnung ist zu günstig, die Neumiete oder der Neukauf zu teuer“, sagt Prof. Simons. „Dazu tragen auch die hierzulande vergleichsweise niedrige Grundsteuer und die hohe Grunderwerbsteuer bei.“

Soziale, wirtschaftliche und ökologische Folgen

Nach Einschätzung von Ralph Henger vom IW Köln öffnet sich die Schere immer weiter. „Die ungleiche Flächenverteilung hat zum einen soziale Auswirkungen: Mieter mit alten Verträgen haben Vorteile, Zuzügler Probleme. Die Wohnkostenbelastung fällt sehr unterschiedlich aus. Die Eigentumsbildung ist für bestimmte Gruppen erschwert“, betont der Wirtschaftswissenschaftler. Soziale Spannungen sind da programmiert. Hinzu kommt eine weitere Dimension: Die großen, teils untergenutzten Wohnungen müssen geheizt, gepflegt und instand gehalten werden. „Das ist aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht unglaublich ineffizient“, sagt Simons.

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Die Studie „Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) kam im vergangenen Jahr unter anderem zu folgendem Ergebnis: Die Wirkung aller bisherigen Effizienzbemühungen werde durch Rebound-Effekte vermindert oder sogar zunichte gemacht, energetische Verbesserungen durch die Zunahme der Wohnfläche konterkariert. „Zentrales Ziel der Suffizienz im Gebäudebereich ist die Umkehrung des Trends hin zu steigenden Wohnflächen pro Person“, so die Autoren. Sie verweisen auf zahlreiche, architektonisch hochwertige Beispiele für Gebäude und attraktive Wohnformen unter 35 Quadratmeter Wohnfläche pro Person. Als unterer Grenzwert fungiere eine gesetzliche Mindestgrenze, die in einigen Bundesländern gilt. „Die Pro-Kopf-Wohnfläche kann beispielsweise durch einen Umzug in eine kleinere Wohnung, einen Wohnungstausch, die Aufnahme von weiteren Personen in den Haushalt oder die Abtrennung einer Wohneinheit und anschließende Untervermietung reduziert werden“, schlägt das BBSR vor.

Große Bestandswohnungen sind günstiger als kleine Neubauwohnungen

Diese Lösungsideen sind nicht neu. Sie werden in der Praxis jedoch nicht oder jedenfalls nicht in ausreichendem Maße umgesetzt. Der Umzug oder Wohnungstausch in eine kleinere Wohnung scheitert oft genug schlicht daran, dass diese teurer ist als die bisherige große Wohnung. Oder dass es in der Wohnumgebung keine kleinen Wohneinheiten gibt. Hier setzt das neue Förderprogramm KNN mit der Wohnflächenbegrenzung an. Prof. Simons sieht das kritisch: „Senioren sind es nicht, die das eigentliche Problem haben. Die haben ja eine Wohnung. Jetzt hoffen wir, dass sie in neue, mit der Förderung entstandene kleinere Wohnungen umziehen. Doch sie werden es nicht oder kaum tun, denn sie haben keinen finanziellen Druck. Weil sie von einer niedrigen Basis starten, werden wir sie kaum aus ihren großen Wohnungen rauskaufen können.“

In engen Märkte nimmt Vereinzelung nicht weiter zu

Auch eine weiter zunehmende Versingelung der Gesellschaft und einen daraus resultierenden Bedarf von kleinen Wohnungen gibt es den Analysen von empirica zufolge zumindest in den beengten Märkten nicht mehr. „Der extremste Fall ist Berlin: Hier ist die Zahl der Ein- und Zweipersonen-Haushalte von 2011 bis 2021 nicht gewachsen, die der Haushalte mit drei und mehr Personen hat jedoch um über 25 Prozent zugenommen.“ Genau für dieses Klientel werde dringend Wohnraum benötigt. Denn der Bauboom in den 2010er-Jahren habe ausschließlich im Bereich der Zwei- und Dreiraumwohnungen stattgefunden. „Wir haben weniger Räume gebaut, die wurden dafür deutlich größer, von 21 auf 26 Quadratmeter durchschnittlich. Solche Wohnungen sind nicht familientauglich“, gibt Prof. Simons zu bedenken. „Die schwächsten auf dem gesamten Wohnungsmarkt sind einkommensschwache Familien und dabei besonders die Alleinerziehenden. An deren Bedarf geht jedoch eine in der Fläche begrenzte Wohnung vorbei.“ Eine alleinerziehende Person mit Kind braucht nicht zwingend mehr Fläche als ein Seniorenpaar. Aber sie braucht eine Wohnung mit drei Zimmern, Küche, Bad.

Programmdetails und -start noch offen

Ob die Förderrichtlinie für das geplante Programm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“ (KNN) solche Aspekte berücksichtigt und welche Anforderungen Bauherren erfüllen müssen, ist bislang nicht bekannt, die maximale Förderung ebenfalls. Und anders als für die beiden anderen neuen Programme – „Jung kauft Alt (JkA) und „Gewerbe zu Wohnen“ (GzW) – hat das Bundesbauministerium für KNN keinen Starttermin angekündigt. Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Das BMWSB wird nun in den nächsten Wochen mit Hochdruck die konkreten Förderkriterien ausarbeiten und steht bereits in Kontakt mit der KfW, um einen sehr zügigen Programmstart zu ermöglichen.“

 

 

 

Der Remanenzeffekt: Eine einzelne Person bleibt zurück in einer Wohnung, in der früher eine ganze Familie lebte, weil eine kleinere Wohnung teurer wäre.

Eva Kafke

Eva Kafke
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Artikel Geplantes Programm KNN sieht Wohnflächenbegrenzung vor
Seite 16 bis 17
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