Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Der Rohstoff der neuen Fassade lagert in der alten

Der Bremer Glas- und Metallbauer Lenderoth hat am eigenen Firmensitz eine Fassade hergestellt, die fast komplett aus recycelten Materialien besteht.

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Im Hydro Recycling-Werk in Dormagen wird das End-of-Life-Aluminium geschreddert, getrennt und sortiert. Aus diesem Material werden schließlich neue Aluminiumprofile gefertigt. Bild: Hydro/Wicona
Im Hydro Recycling-Werk in Dormagen wird das End-of-Life-Aluminium geschreddert, getrennt und sortiert. Aus diesem Material werden schließlich neue Aluminiumprofile gefertigt. Bild: Hydro/Wicona

Wir haben jetzt die nachhaltigste Aluminium-Glas-Fassade, die es momentan in Deutschland gibt“, so Inhaber Christophe Lenderoth selbstbewusst. Er ist ein Treiber dieser Innovation, die zunächst (noch) Mehrkosten verursacht. Was bringt die Schonung natürlicher Rohstoffe und das Engagement zur CO2-Reduzierung? Zirkuläres Bauen scheint angesichts der ambitionierten Klimaschutzziele Deutschlands ein notwendiger Schlüssel für die Zukunft zu sein, um wertvolle Rohstoffe im Kreislauf wieder zu verwenden und damit den Energieverbrauch sowie den CO2-Ausstoß zu senken. Wie der Weg dahin funktioniert, zeigt das Pionierprojekt des mittelständischen Metallbaubetriebs Lenderoth aus Bremen. Dort wurde die alte Aluminium-Glas-Fassade des Verwaltungsgebäudes zurückgebaut, sortenrein getrennt, recycelt und an gleicher Stelle wieder fachgerecht montiert.

Gut 50 Jahre hatte die alte Pfosten-Riegel-Fassade des unternehmenseigenen Büro- und Produktionsgebäudes schon hinter sich. Energieeffizienz war Anfang der 1970er-Jahre beim Bau des Firmensitzes noch kein Thema, erinnert sich Lenderoth. Zog es durch die Fenster, mussten an besonders kalten Wintertagen elektrische Heizlüfter aufgestellt werden. Heute unvorstellbar.

„Zirkuläres Bauen ist möglich“

„Während Bauxit aus Australien und Indonesien als Erzrohstoff für die Aluminiumherstellung importiert werden muss, haben wir den Rohstoff Aluminium vor der Haustür“, macht Lenderoth einen wichtigen Punkt deutlich. Das tolle am Material Aluminium sei, dass es in einer speziellen Legierung auch nach vielen Jahrzehnten eingeschmolzen und eins zu eins für eine neue Fassade wiederverwendet werden könne – die wiederum Jahrzehnte halte, um anschließend wieder in den Kreislauf zu gehen. Dieser Zyklus könne quasi unendlich wiederholt werden. „Zirkuläres Bauen ist möglich“, ist Lenderoths Botschaft.

Der Bremer brennt für die Idee des „Urban Mining“ und vor allem für das zu 100 Prozent recyclingfähige Aluminium. Mit dieser Botschaft tourt Christohphe Lenderoth auf Messen und auch in Schulen, letztlich auch mit dem Ziel sein Handwerk für den Nachwuchs interessanter zu machen.

Mittelständler Lenderoth kooperiert eng mit Aluminiumhersteller Wicona und Glashersteller Saint-Gobain Glass. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bei der Erneuerung seiner rund 370 Quadratmeter großen Pfosten-Riegel-Fassade wurden 24,6 Tonnen CO2 eingespart, und zwar dank der Verwendung von 100 Prozent recycelten End-of-Life Aluminiumprofilen (Hydro Circal 100) und 64 Prozent recyceltem Glas, erzählt Lenderoth.

„Zirkuläres Bauen erlebt eine Wende“

Marcel Bartsch, Director Business Development Wicona, das zur norwegischen Norsk-Hydro-Gruppe gehört, spricht von einer Wende für das zirkuläre Bauen. Für Bartsch zeige das große Interesse in der Bauwirtschaft an dem Produkt Hydro Circal 100, inbesondere von Projektentwicklern und Architekten, dass man auf dem richtigen Weg sei. Hydro sei aktuell der einzige Produzent, der 100 Prozent End-of-Life-Aluminium mit einem CO2-Fußabdruck von nahezu null herstellen kann, so Bartsch weiter.

Definition End-of-Life-Aluminium

End-of-Life-Aluminium wird laut Definition Material genannt, das bereits in einem Produkt verwendet wurde, das seinen gesamten Lebenszyklus durchlaufen hat. Es weist die gleiche Qualität wie Primäraluminium auf, wobei bei der Herstellung aber nur noch fünf Prozent der Energie von Primäraluminium benötigt wird. Bartsch: „Um eine Tonne Primäraluminium herzustellen, sind durchschnittlich rund 15.700 kWh elektrische Energie erforderlich. Das Recycling hingegen benötigt nur etwa fünf Prozent der Energie der Primärgewinnung.“

Wicona betreibt in Deutschland ein eigenes Recyclingwerk am Standort Dormagen. Hier wird Aluminium aus Fenstern und Fassaden zurückgebauter Gebäude gesammelt. Im Anschluss wird das Material zerkleinert und von Fremdmaterialien und nichtmetallischen Stoffen getrennt, bevor es in kleine sogenannte Aluminiumspäne geschreddert wird (s. Foto). Diese werden wiederum im Werk in Clervaux (Luxemburg), Hydros größtem Aluminium-Umschmelzbetrieb in Europa, zu CO2-reduzierten Bolzen verarbeitet. Dadurch wird die Herstellung eines zu 100 Prozent recycelten Aluminiums in erstklassiger Qualität möglich, und zwar ohne Zugabe von Primäraluminium.

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„Potenzial der Wiederverwertung wird beim Bauen nicht ausgeschöpft“

Das Abfallaufkommen in der Bauindustrie ist seit vielen Jahren in der Diskussion. Die Baubranche ist verantwortlich für einen Großteil des Abfallaufkommens und der CO2-Emissionen. Im Jahr 2020 fielen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt etwa 60 Millionen Tonnen Bauschutt an. Immerhin über 47 Prozent davon wurden wiederverwertet. Auch für Prof. Christian von Wissel von der Hochschule Bremen ist das Urban Mining ein wirksamer Hebel. Sein Schwerpunkt sind Konzeptionen von Stadt und Stadterneuerung sowie Klima- und Umweltgerechtigkeit in der Stadtentwicklung. „Das Recycling von Baumaterialien muss schlicht mehr Fahrt aufnehmen, die Möglichkeiten der Wiederverwendung sind beim Bauen noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt von Wissel.

Recycling-Fassade knapp zehn Prozent teurer

Das Bremer Pilotprojekt im Stadtteil Bremen-Walle hat mit knapp zehn Prozent an Mehrkosten zu Buche geschlagen im Vergleich zu einer konventionellen Fassadensanierung. „Weil wir etwas mehr Aluminium gebraucht haben als vorher, und weil es das erste Mal war“, erklärt Lenderoth. Außerdem sei das genaue Sortieren beim Abriss (noch) ein zeitintensiverer Aufwand. Der Wirtschaftsingenieur geht allerdings davon aus, „dass künftige Projekte sich schon bald kostenneutral umsetzen lassen“.

Bundesministerin zeigt sich beeindruckt

Die Recycling-Fassade von Lenderoth hat sich bis in die Bundeshauptstadt herumgesprochen. Im Rahmen ihrer Sommertour besuchte Bundesbauministerin Klara Geywitz auch dieses innovative Vorzeigeprojekt in Bremen. Geywitz ist nach eigenen Worten eine große Verfechterin der Kreislaufwirtschaft im Bau- und Gebäudesektor. Durch die Verwendung von recyceltem Aluminium und Glas konnten bei Lenderoth über 20 Tonnen CO2 eingespart werden, dies sei ein gutes Beispiel für Kreislaufwirtschaft, so Geywitz. Und weiter: „Angesichts knapper werdender Ressourcen und der Notwendigkeit, den CO2-Ausstoß zu begrenzen, wird Kreislaufwirtschaft immer wichtiger. Denn nicht zu bauen, ist bei steigenden Bevölkerungszahlen keine Option.“

Lesen Sie auch die Berichte zur Kreislaufwirtschaft auf den Seiten 20 bis 23.

Deutschland ist ein rohstoffarmes Land, der ewige Rohstoff, den wir nutzen sollten, sitzt zwischen unseren Ohren.

Christophe Lenderoth

Bremen

Hans-Jörg Werth

Hans-Jörg Werth
freier Journalist
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Artikel Der Rohstoff der neuen Fassade lagert in der alten
Seite 42 bis 43
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