Klimakrise

Grauwasserrecycling - auch in Krisenzeiten attraktiv

Unser Wasser wird durch die Klimakrise knapp. Projekte des landeseigenen Wohnungsunternehmens Berlinovo in Berliner Studentenwohnheimen zeigen, wie mit Grauwasserrecycling mehr als 30 Prozent Wasser gespart wird. Das senkt spürbar die Betriebskosten und steigert die Werterhaltung.

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Recyclinganlage für Grauwasser mit Wärmerückgewinnung im Keller des Berlinovo-Studentenwohnheims in der Selma-Lagerlöf-Straße. Bild: Nolde innovative Wasserkonzepte GmbH
Recyclinganlage für Grauwasser mit Wärmerückgewinnung im Keller des Berlinovo-Studentenwohnheims in der Selma-Lagerlöf-Straße. Bild: Nolde innovative Wasserkonzepte GmbH

Grauwasserrecycling ist in einer Zeit, in der der Mangel an bezahlbaren Wohnungen immer größer wird, für Vermieter mit Blick auf die zusätzlichen Investitionskosten kaum ein Thema. Dennoch wollen Umweltingenieure die Aufbereitung von Wasser zum Standard machen. Der Berliner Umweltingenieur Erwin Nolde, Geschäftsführer der Firma Innovative Wasserkonzepte GmbH, warnt: „Die Wasserkrise ist nun wirklich nicht mehr zu übersehen, ich erwarte in den kommenden Jahren ähnliches, wie wir es heute mit der Energie erleben“.

Nolde verweist darauf, dass in einigen Regionen bereits keine Baugenehmigungen mehr erteilt werden, weil es nicht genügend Wasser gibt. „Wasser wird deutlich teurer werden, zumal die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung energieintensiv sind. Für den, der erst dann handelt, wenn es schon fast zu spät ist, wird es besonders teuer werden.“ Hinzu kämen die Mikroschadstoffe und Medikamentenrückstände, die die Gewässer belasten. Dies alles mache zwangsläufig eine bessere und damit teurere Behandlung des Trinkwassers nötig.

Pilotanlage arbeitet seit mehr als zehn Jahren problemlos

Vor mehr als zehn Jahren startete das Ingenieurbüro ein Pilotprojekt in einem sechsstöckigen Eckhaus am Arnimplatz in Berlin Prenzlauer Berg. Seitdem fließt aus 41 Wohnungen und vier Gewerbeeinheiten das Grauwasser des Hauses in eine Aufbereitungsanlage im Keller. Es funktioniert bis heute problemlos. Als Nolde die Ergebnisse des Pilotprojekts 2016 zum Ideenwettbewerb „Das gute kann jetzt in Serie gehen“ einreichte, erkannte das Gutachterteam vor allem die Klimarelevanz. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) beschloss damals, Anlagen zur Wärmerückgewinnung vorerst für drei Jahre zu bezuschussen. Es sollte ein Anreiz für Vermieter von Mehrfamilienhäusern sein, wenn sie über energetische Sanierung nachdenken. Den Zuschuss gibt es heute nicht mehr.

Berlinovo baut Studentenwohnheim mit Grauwasseranlagen

Die ausgelaufene staatliche Förderung hielt das landeseigene Wohnungsunternehmen Berlinovo Immobiliengesellschaft nicht davon ab, die Technologie in einem ihrer Studentenwohnheime in der Selma-Lagerlöf-Straße in Pankow zu testen. Die Erfahrungen in eineinhalb Jahren waren so positiv, dass Grauwasserrecycling inzwischen auch in einem neuen Studentenwohnheim mit 800 Wohneinheiten in der Rhinstraße in Lichtenberg realisiert wird. Dort wird in wenigen Wochen der zweite Bauabschnitt fertiggestellt und vermietet. Als nächstes ist ein Seniorenwohnheim im Dröpkeweg in Planung. Mittlerweile prüft das Unternehmen bei all seinen Bauprojekten, wie mehr Nachhaltigkeit möglich ist, erklärte Abteilungsleiter André Haßmann. Er ist vom Grauwasserrecycling überzeugt, sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Die Betriebskosten könnten vor allem bei Einrichtungen mit fester Warmmiete spürbar gesenkt werden.

Mehrkosten amortisieren sich nach zehn Jahren

Berechnungen des Ingenieurbüros ergaben, dass sich die Investition einer Grauwasseranlage mit Wärmerückgewinnung bei großen Wohneinheiten mit mehr als 100 Mietern und einer aufbereiteten Menge von etwa 5.000 Litern pro Tag wirtschaftlich rechnet und sich nach zehn Jahren amortisiert hat. Umweltingenieur Nolde legt Mehrkosten für das zweite Leitungsnetz und für die Anlage von rund 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche zugrunde.

Nach seinen Erfahrungen beträgt das minimale Einsparpotenzial beim Grauwasserrecycling – also Betriebswassernutzung nur für die WC-Spülung mindestens 30 Prozent. Es kann auf über 60 Prozent ausgedehnt werden, wenn neben dem Dusch- und Badewasser auch das gebrauchte Wasser aus Waschmaschinen und Küchen behandelt wird und Betriebswasser auch zum Wäschewaschen und für Bewässerungszwecke genutzt wird, so Nolde.

Wie funktioniert eine Grauwassernutzungsanlage?

In drei Grauwasserbehältern wird das Dusch-, Badewannen-, Waschbecken- und Küchenwasser gesammelt und mithilfe von Mikroorganismen biologisch gereinigt. Alles ohne Chemie. Es gibt Sandfilter und eine Desinfektion durch UV-Strahlung gegen die Keime. Heraus kommt ein sogenanntes Betriebswasser für die Toilettenspülung und Waschmaschine. Die Anlage nutzt zudem die Wärme aus dem Dusch- und Badewasser, um kaltes Trinkwasser zu erwärmen. Diese Wärmerückgewinnung wird smart gesteuert: Von überall aus ist eine ständige Kontrolle und sofortiges Neujustieren möglich.

Was ist zu beachten?

Die Kosten für eine Kleinstgrauwasseranlage liegen bei mindestens 5.000 Euro, dazu kommen die Installationskosten, die bei mindestens 500 Euro liegen. Die Kosten für größere Anlagen sind höher. Die Bundesvereinigung für Betrieb- und Regenwasser e. V. (fbr) hat ausgerechnet, dass Vierpersonenhaushalte mit Grauwasseranlage rund die Hälfte ihrer Wasserkosten einsparen. Für Einfamilienhäuser ist eine Amortisation über eingesparte Wasserkosten nur schwer darstellbar.

Grauwasserrecycling eignet sich zum Beispiel für Hotels, Wohnanlagen oder Campingplätze.

Vorteile auf einen Blick

Die Auswertung realisierter Projekte mit den rein biologisch arbeitenden Grauwasserrecyclinganlagen ergibt:

  • Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung holt aus dem häuslichen Abwasser deutlich mehr Energie als zum Betrieb der Anlage benötigt wird. Wohnheime und Hotels, die Wasser- und Energiekosten pauschaliert in Rechnung stellen, profitieren unmittelbar vom Grauwasserrecycling, ohne dass Verhaltensänderungen der Bewohner erforderlich sind.
  • Die Betriebskosten bleiben dauerhaft niedrig, denn die Fernüberwachung mit einer speziellen App erspart Anfahrten zur Inspektion. Außerdem kann damit ein verändertes Nutzerverhalten jederzeit festgestellt und der Anlagenbetrieb, falls erforderlich, sofort angepasst werden.
  • Werterhaltung
  • Zertifizierung
  • Die höchsten Wärmeerträge fallen erfreulicherweise in den Wintermonaten an, in denen das Trinkwasser besonders kalt ist und die Sonne weniger Erträge über Solarthermie und Photovoltaik bringt.
  • Der Platzbedarf für die Aufbereitungsanlage, meist im Untergeschoss eines mehrgeschossigen Gebäudes, beträgt nur etwa 0,1 Quadratmeter pro Bewohner, also kaum mehr als die Fläche eines DIN-A4-Blattes.
  • Die Investitionskosten liegen je nach Apartmentgröße um 20 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Sie amortisieren sich in wenigen Jahren, denn die Technik ist besonders wartungsarm. Der rasante Anstieg aktueller Energiepreise verkürzt die Amortisationszeit zusätzlich.
  • Die Investitionskosten (mit Ausnahme des doppelten Leitungsnetzes im Gebäude) entfallen, wenn die Wasser- und Wärmerückgewinnung im Contracting-Verfahren vergeben wird.
  • Im Wohnungsbau besteht großes Einsparpotenzial.

Die Wasserkrise ist nicht mehr zu übersehen, ich erwarte in den kommenden Jahren ähnliches, wie wir es heute mit der Energie erleben.

Dipl.-Ing. Erwin Nolde,

Geschäftsführer Nolde – innovative Wasserkonzepte GmbH

Christina Hövener-Hetz

Christina Hövener-Hetz
Autorin; Inhaberin der Agentur für politische Kommunikation und Presse
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Artikel Grauwasserrecycling - auch in Krisenzeiten attraktiv
Seite 40 bis 41
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