Feuchtigkeit wirt nicht entschädigt

Es besteht kein Ausgleichsanspruch des Eigentümers eines angrenzenden Grundstücks, wenn ein entlang der Grenze benachtbarter Grundstücke errichteter Gebäude abgerissen und dadurch Bodenfeuchtigkeit in das Kelleraussenmauerwerk eindringen kann.

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Bild: mrmohock/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

 Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks xxx. Die Beklagte zu 1) war von Oktober 2006 bis August 2008 und die Beklagte zu 2) ist seit dem 29. August 2008 eingetragene Grundstückseigentümerin des Nachbargrundstückes xxx. Auf dem jetzt der Beklagten zu 2) gehörenden Gewerbegrundstück xxx wurden ab Frühjahr 2007 zunächst Abriss- und dann Bauarbeiten ausgeführt. Mit der Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz wegen noch auszuführender Abdichtungsarbeiten der Außenwand ihres Hauses gegenüber beiden Beklagten sowie die Duldung von Mangelbeseitigungsarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten zu 2) im Grenzbereich zum klägerischen Grundstück.
Auf dem Grundstück der Klägerin war im Jahre 1952 ein zweistöckiges unterkellertes Mehrfamilienhaus errichtet worden. Die Außenwand zum Grundstück xxx war dabei unmittelbar an der Grundstücksgrenze hergestellt worden. Bis zum Jahre 1976 war auf dem angrenzenden - heute der Beklagten zu 2) gehörenden - Grundstück keine Bebauung erfolgt. Erst im Jahr 1976 war auf dem heutigen Grundstück der Beklagten zu 2) ein bis 2007 als Restaurant mit Kegelbahn genutztes Gebäude errichtet worden. Auch dieses Gebäude, dass unmittelbar an der Grenze und unmittelbar an den Baukörper des klägerischen Hauses errichtet wurde, war unterkellert. Seit 1976 waren die Dächer beider Häuser xxx in der Weise zusammengeführt, dass kein Wasser zwischen die jeweiligen Außenwände der Gebäude xxx und xxx fließen konnte. Bei den jeweiligen Außenwänden der Gebäude handelte es sich um zwei selbständig nebeneinander errichtete Außenwände, die nicht gemeinsam genutzt wurden und an die jeweils nicht angebaut wurde.
Im Verlaufe des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, dass die Klägerin im Jahre 2001 sämtliche Kelleraußenwände des Gebäudes xxx - mit Ausnahme der streitgegenständlichen südlichen Kellerwand - im Anschluss an entsprechende Aufgrabungsarbeiten an den Außenwänden von außen gegen eindringende Feuchtigkeit hat abdichten lassen. Die Klägerin hatte damals an den Innenseite der Kelleraußenwände Feuchtigkeitserscheinungen festgestellt. An der streitgegenständlichen - südlichen - Kelleraußenwand wurden - auch nicht von der Kellerinnenseite - keine Abdichtungsarbeiten vorgenommen.
Die Beklagte zu 1), die sich mit der Erschließung und Errichtung von Gewerbeimmobilien befasst, erwarb das angrenzende Grundstück xxx im Oktober 2006. Die Beklagte zu 1) kündigte gegenüber der Klägerin mit dem Schreiben vom 26. Februar 2007 an, dass sie beabsichtige, auf dem Nachbargrundstück ein Fachmarktzentrum bestehend aus zwei Gebäudeteilen mit Parkplätzen zu errichten. Aus den beigefügten Bauplänen war ersichtlich, dass das an das Gebäude der Klägerin angrenzende Gebäude auf dem Grundstück xxx vollständig abgerissen werden sollte und dort Parkflächen neu entstehen sollten. Die Beklagte zu 1) beauftragte vorprozessual den Sachverständigen xxx aus xxx mit der Sicherung des Zustandes des Hausgrundstückes der Klägerin. Der Gutachter xxx dokumentierte den Zustand des Wohnhauses und der Nebengebäude auf dem Grundstück der Klägerin am 06. März 2007. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Gutachten xxx, eingereicht in dem Vorprozess, Landgericht Itzehoe, xxx.
Die Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) begannen im April 2007. Im Zuge der Baumaßnahmen entstand auf dem Grundstück der Beklagten zu 2) - bis an die Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin heran - eine Baugrube. Die maßgeblichen Teile der Gebäude auf dem Grundstück der Beklagten zu 1), in dem zuletzt ein Schnellimbiss und Kegelbahn betrieben worden war, wurden bis in das Erdreich hinein abgetragen. Im Verlaufe des Rechtsstreits ist allerdings unstreitig geworden, dass - wie es auch Lichtbilder aus der Bauphase zeigen -, ein Teil der betonierten Sohle des früher auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) errichteten Gebäudes und auch ein Teil der Kelleraußenwand an der Grenze zum Grundstück der Klägerin im Erdreich verblieben ist. Die weitere Entfernung der Gebäudeteile unterblieb, um die Standsicherheit des Hauses auf dem Grundstück der Klägerin nicht weiter zu gefährden. Als die Baugrube im November 2007 auf dem Grundstück der Beklagten eröffnet war, wandte sich die Klägerin nach sachkundiger Beratung durch den ihr bekannten Sachverständigen xxx aus xxx auf der Baustelle an den Bauleiter der von der Beklagten zu 1) beauftragten Baufirma. Das Gespräch fand am 13. November 2007 auf der Baustelle statt. Die Klägerin übergab dabei an den Architekten xxx unter Hinweis darauf, dass die Kelleraußenwand gegen eindringende Feuchtigkeit abgedichtet werden müsse, einen Ausdruck der DIN 18195/6. Der Architekt xxx verwies auf der Baustelle darauf, dass diese Richtlinie zur Abdichtung des Bauwerkskörpers nicht heranzuziehen sei. Am 13. November 2007 wandte sich die Klägerin schließlich auch mit handschriftlichem Fax an die Beklagte zu 1), sie verlangte von dem Sachbearbeiter xxx eine Bauwerksabdichtung der Kelleraußenwand nach DIN 18195/6. Darauf trafen sich die Klägerin und der Bevollmächtigte der Beklagten zu 1) am 15. November 2007 auf der Baustelle. Herr xxx erläuterte vor Ort, dass Reste der Mauer auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) im Erdreich verbleiben würden und lehnte eine Abdichtung der Außenwand des klägerischen Grundstücks nach den Vorgaben der Klägerin, Abdichtung gemäß DIN 18195/6, ab. Der Beklagten zu 1) war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass die Klägerin im Jahre 2001 die anderen drei Kelleraußenwände von außen hatte abdichten lassen.
Nach November 2007 wurde die Baugrube auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) mit Erdreich wieder verfüllt. Die Außenmauer des klägerischen Grundstücks wurde nun im oberen Bereich im Übergang bis zur Höhe des eingebrachten Erdreichs mit einem Bitumenanstrich versehen. Die Kelleraußenwand des klägerischen Hauses, die sich im Erdreich befindet, wurde hingegen von dem von der Beklagten zu 1) eingeschalteten Bauunternehmen überhaupt nicht mit Bitumen behandelt. Die Klägerin verlangte mit dem vorprozessualen Anwaltsschreiben vom 12. März 2008 u.a. offenzulegen, welche Abdichtungsmaßnahmen sie an der Kelleraußenwand tatsächlich vorgenommen habe. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Abdichtung gegen aufstauendes Sickerwasser nach der DIN 18195 hätte erfolgen müssen. Die Beklagte lehnte mit dem vorprozessualen Anwaltsschreiben vom 10. April 2008 eine Abdichtung nach DIN 18195 ab und verneinte ihre Einstandspflicht. Schäden durch eindringende Feuchtigkeit seien ausgeschlossen. Die im Erdreich verbliebenen Bauteile bestünden im Übrigen aus WU-Beton, so dass ein Eindringen von Feuchtigkeit ausgeschlossen sei. Im Juni 2008 machte die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Itzehoe, Az.: xxx, anhängig. In dem u.a. geklärt werden sollte, ob die südliche Außenmauer des Gebäudes der Klägerin in der xxx in xxx im Bereich des Kellers ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt worden war. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erstellte der Sachverständige Dipl.-Ing. xxx am 17. November 2008 sein Gutachten. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, dass lediglich die im Erdreich verbliebenen Wandfragmente durch eine bituminöse spachtelbare Dichtung beschichtet worden sei. Die bituminöse Beschichtung ist nur bis zu einer Tiefe von ca. 5 cm unter der Oberkante des Terrains auf dem Grundstück der Beklagten ausgeführt worden. Eine flächige Abdichtung der Wandreste auf Seiten des nachbarschaftlichen Grundstücks wurde jedoch nicht vorgenommen.

Aus den Entscheidungsgründen

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

I.
1.
Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt. Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.
Auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens steht fest, dass die Beklagte zu 1) mit dem Abriss des allein auf ihrem Grundstück xxx stehenden Gebäudes keineswegs rechtswidrig in das Eigentum der Klägerin an ihrem Hausgrundstück xxx eingegriffen hat. Denn die ab April 2007 ausgeführten Abrissarbeiten bezogen sich ausschließlich auf Gebäudeteile des Grundstücks xxx. Insoweit ist außer Streit, dass das auf dem Grundstück der Klägerin bereits im Jahr 1952 errichtete Mehrfamilienhaus bei den Abrissarbeiten entlang der Grundstücksgrenze nicht in der Substanz beschädigt worden ist. Die Beklagte zu 1) hat vielmehr bei den Abrissarbeiten lediglich den Baukörper wieder entfernen lassen, der - nachträglich - im Jahre 1976 auf dem Grundstück xxx errichtet worden ist.
Es fehlt demnach bereits an einem Eingriff in das Eigentum der Klägerin durch die von der Beklagten zu 1) veranlassten Abrissarbeiten.
Im Übrigen beruhen die von der Klägerin angeführten Feuchtigkeitserscheinungen in der südlichen Kellerwand ihres Hauses auf einem Naturereignis (Feuchtigkeit im Boden) und nicht auf einem in § 823 Abs. 1 BGB ebenso vorausgesetzten „widerrechtlichen“ Verhalten der Beklagten zu 1).

2. Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004, 922 S. 3 BGB
Nach diesen Vorschriften kann ein Grundstückseigentümer Schadensersatz unter der Voraussetzung begehren, dass eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ohne seine Zustimmung beseitigt oder geändert worden ist. In § 921 BGB ist definiert, dass eine gemeinsame Mauer zwischen zwei Grundstücken dann eine gemeinschaftliche Einrichtung sein kann, wenn die Eigentümer zweier Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt sind. Eine Nachbarwand ist eine auf der Grundstücksgrenze stehende Wand, die durch Anbau auf beiden Seiten wesentlicher Bestandteil sowohl eines Bauwerks auf dem einen als auch auf dem anderen Grundstück ist oder werden kann. Zwischen den Grundstücken xxx und xxx war indes auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens keine sog. Nachbarwand errichtet worden. Das ergibt sich vorliegend bereits zwingend daraus, dass beide Häuser unabhängig voneinander einmal im Jahr 1952 und dann im Jahr 1976 als eigenständige Baukörper gebaut worden sind. Es ist außerdem unstreitig, dass im Zuge der Errichtung des Hauses auf dem jetzt der Beklagten zu 2) gehörenden Grundstück im Jahre 1976 keine Verbindung der Baukörper erfolgt ist. Ein Anbau ist gerade nicht vorgenommen worden.
Daraus folgt für den Streitfall, dass die Beklagte zu 1) bei der Ausführung der Abrissarbeiten auf ihrem Grundstück xxx keine Grenzeinrichtung beeinträchtigt oder beschädigt hat, so dass eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) wegen Beeinträchtigung oder Beschädigung einer Grenzeinrichtung ausscheidet.

3. Ansprüche nach dem Nachbargesetz Schleswig-Holstein Schadensersatzansprüche nach dem Nachbarrecht bestehen nicht. Die §§ 4 f. und 11 f. Nachbargesetz Schleswig-Holstein gewähren einem Grundstückseigentümer gegen den Nachbar nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn eine sog. Nachbarwand und ein Anbau im Zuge von Abrissarbeiten beschädigt wird. Die Nachbarwand ist nach § 4 Abs. 1 Nachbargesetz dahingehend definiert, dass sie auf der Grenze zweier Grundstücke „von dem Eigentümer des einen Grundstücks errichtet wird“. Vorliegend ist aber außer Streit, dass das auf dem Grundstück der Beklagten zu 2) im Frühjahr 2007 abgerissene Gebäude lediglich „entlang der Grenze“ zum benachbarten Grundstück der Klägerin errichtet war. Es gab demnach auch zwischen 1976 und dem Jahre 2007 keine sog. Nachbarwand im Sinne des Nachbargesetzes.
Damit scheiden Schadensersatzansprüche nach dem Nachbargesetz aus.

4. Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB Bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 S. 2 BGB handelt es sich nach den von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen um einen aus dem Grundstückseigentum abgeleiteten Anspruch. Die Rechtsprechung folgert daraus, dass die Gewährung einer Entschädigung auf dieser Grundlage stets eine Störung des Eigentums oder Besitzes des Antragstellers an einem Grundstück voraussetzt. Diese Anspruchsgrundlage hat die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Fälle entwickelt, in denen von einem Grundstück auf das benachbarte Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müssen, wobei der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen im Vorwege gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu unterbinden, und wenn er dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung des Eigentums.
Diese Voraussetzungen liegen für die im Streitfall den Beklagten durch den Abriss des Gebäudes auf dem Grundstück xxx verursachten Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks (Feuchtigkeitseintritt in die südliche Kelleraußenwand) nicht vor. Denn eine wertende Betrachtung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Beklagte zu 1) kein Handlungsstörer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB und die Beklagte zu 2) kein Zustandstörer im Sinne dieser Vorschrift ist. Entscheidend für diese Wertung ist, dass ein Grundstückseigentümer nach der grundlegenden Entscheidung des Gesetzes in § 903 BGB im Grundsatz berechtigt ist, mit seinem Grundstück nach belieben zu verfahren. Aus diesem Recht am Eigentum folgte die Berechtigung der Beklagten zu 1), im April 2007 das im Jahre 1976 errichtete Hausgrundstück entlang der Grenze zum Grundstück der Klägerin abzureißen. Wird dadurch, das Haus auf dem Nachbargrundstück, hier dem Grundstück xxx der Klägerin, anderen Witterungseinflüssen und der im Erdreich vorhandenen Feuchtigkeit ausgesetzt, ist dies nach der Bewertung des Gerichts eine Folge, die die Klägerin entschädigungslos hinzunehmen hat. Diese Beeinträchtigung übersteigt das zumutbare Maß nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der seit 1976 (bis Anfang 2007) gewährte zusätzliche Schutz durch das auf dem Grundstück der Beklagten errichtete Gebäude fortbesteht.
Die Klägerin kann sich nach Auffassung des Gerichts für den gegenteiligen Rechtstandpunkt nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des OLG Koblenz vom 11. Januar 2000 (OLG R Koblenz 2000, 304 - 306) stützen. Denn das OLG Koblenz hatte über die Ausgleichspflicht zwischen Nachbarn im Anschluss an die Beseitigung einer „gemeinsamen Grenzwand“ zu befinden. Jene Konstellation ist aber mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar, weil der Abriss einer gemeinsamen Grenzwand zur Folge hat, dass das benachbarte Haus in seiner Substanz beschädigt wird. Augenscheinlich wird dieser abweichende Sachverhalt allein dadurch, dass nach dem vom OLG Koblenz mitgeteilten Sachverhalt der Abriss des an die Grenze gebauten Hauses zur Folge hatte, dass „das Haus des Klägers im Bereich seines Wohnzimmers die Außenwand einbüßte“.
Das OLG Koblenz hat in der genannten Entscheidung auch keine auf das vorliegende Streitverhältnis übertragbaren und verallgemeinerungsfähigen Rechtsgrundsätze zur Abwehr von „Feuchtigkeitseinwirkungen“ beim Abriss von Gebäuden in einer geschlossenen Häuserzeile aufgestellt. Vielmehr hat das OLG Koblenz die aus §§ 922, 1004 BGB abgeleitete Verpflichtung eines Grundstückseigentümers, mindestens Vorkehrungen zum Schutz der freigelegten Wand des Nachbargebäudes zu treffen, um die bisherige Hausabschlusswand nicht ungeschützt der Feuchtigkeitseinwirkung auszusetzen, ausschließlich bezogen auf den Abriss von Nachbar- oder Grenzwänden in einer geschlossenen Bauweise, nicht aber auch auf lediglich entlang der Grundstücksgrenze gebaute Gebäude.
Soweit für das Gericht ersichtlich, hat lediglich das OLG Frankfurt in einer Entscheidung vom 08. Juli 1981 den Standpunkt vertreten, dass jeder Abbruch eines Gebäudes in einer geschlossen Häuserzeile dazu führt, dass der sein Haus abreißende Grundstückseigentümer verpflichtet ist, die erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz der dadurch freigelegten Wand des Nachbargebäudes, insbesondere gegen Feuchtigkeitseinwirkungen, zu treffen.
Dieser Bewertung hat sich das OLG Köln in dem Urteil vom 14. Januar 1987, NJW-RR 1987, 529 - 530 ausdrücklich nicht angeschlossen. Es hat vielmehr entschieden, dass ein Nachbar dann nicht haftet, wenn die aneinandergrenzenden Häuser jeweils eine eigene Giebelwand habe und infolge des Abrisses seines Hauses die Giebelwand des Nachbarn nunmehr unverputzt freiliegt und infolgedessen Feuchtigkeitsschäden auftreten (können).
Letztlich sieht sich das erkennende Gericht bezüglich der oben mitgeteilten Gründe für die Verneinung einer Ausgleichspflicht für den Streitfall bestätigt durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. April 2010, Az.: V ZR 171/09. In dem Urteil hat der Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Übernahme der Wertung der vorstehend mitgeteilten Entscheidung des OLG Köln geurteilt, das kein Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 begründet ist, wenn der Abriss eines entlang der Grenze benachbarter Grundstücke errichteten Gebäudes es notwendig macht, ein Gebäude auf dem angrenzenden Grundstück vor Witterungseinflüssen zu schützen. Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich gerade kein Anspruch auf Bewahrung des Vorteils, der sich daraus ergibt, dass eine Grenzwand auf einem Grundstück so lange keines oder keines vollständigen Witterungsschutzes bedarf, wie dieser Schutz von einer parallel errichteten Grenzwand auf einem Nachbargrundstück geboten wird.

II. Die Feststellungsklage ist gegen beide Beklagten ebenfalls unbegründet, denn der Klägerin steht gegen die Beklagten schon dem Grunde nach kein Schadensersatz-/Ausgleichsanspruch zu.
Die Beklagte zu 2) ist darüber hinaus nicht nach § 17 Nachbargesetz Schleswig-Holstein zur Duldung von vermeintlichen Mangelbeseitigungsarbeiten durch die Klägerin auf dem Grundstück xxx in xxx verpflichtet. Die mit der Duldung verbundenen Nachteile stehen jedenfalls außer Verhältnis zu dem von der Klägerin erstrebten Vorteil. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der Bauphase, d.h. spätestens im November 2007 diesen Anspruch hätte geltend machen können und müssen. Zu dem damaligen Zeitpunkt hätte die Beklagte zu 1) lediglich das Betreten ihres Grundstücks nicht aber weitere Beeinträchtigungen hinnehmen müssen. Hinzu kommt, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Technik es hinsichtlich der südlichen Außenmauer des Hauses der Klägerin auch technische Möglichkeiten gibt, eindringende Bodenfeuchtigkeit wirksam abzuhalten.

III.

Gericht: LG Itzehoe
Aktenzeichen: 6 O 345/09
Urteil vom: 09.06.2010

Redaktion (allg.)

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