Tierhaltung in der Wohnung

Werden frei laufende Katzen gehalten, so ist dafür Sorge zu tragen, dass die Katzen nicht in den Wohnbereich von Nachbarn gelangen und auch keine über das bloße Betreten hinausgehende Beeinträchtigungen durch Kotablagerungen entstehen. Allein das Betreten des Außenbereichs (Balkon/Terrasse) durch eine Katze ist indes aufgrund des nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebots grundsätzlich hinzunehmen.

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Bild: M. Eisinger
Bild: M. Eisinger

Aus dem Tatbestand

Der Eigentümer einer Dachgeschosswohnung hält zwei Katzen. Bei ihren Erkundungstouren kletterten die Tiere über die Dachfläche und die Fenstersimse. Sie suchten regelmäßig auch die Terrasse und die Wohnung eines benachbarten Ehepaares mit Säugling. Die Tier hinterließen dort Kot und Erbrochenes. Das klägerische Ehepaar war der Meinung, dass die Katzen eine Gefahr für ihr Kind darstellten. Daher verlangten die Kläger, dass der beklagte Eigentümer der Katzen dafür sorge trägt, dass die Katzen nicht mehr das Sondereigentum des Ehepaares betreten.

Aus den Entscheidungsgründen

I. ...
II.
1.) ...
2.) ...

a) Die Kläger können gemäß §§ 862 I, 1004 I 2 BGB analog verlangen, dass die Beklagten die beiden Katzen so halten müssen, dass diese nicht mehr in die Wohnung der Kläger gelangen und auf dem Balkon/der Terrasse der Kläger keine Verschmutzung durch Kot oder Erbrochenes hinterlassen. Die Beklagten sind als Halter der Katzen Störer im Sinne der §§ 862, 1004 BGB. Grundsätzlich geben die §§ 862, 1004 BGB einen Anspruch auf Unterlassung jeglicher Besitzbeeinträchtigung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bereits im bloßen Betreten eines Grundstücks durch Katzen eine Besitzbeeinträchtigung liegt, ohne dass es darauf ankäme, ob es hierbei zu Beschädigungen oder Verschmutzungen kommt. (vgl. OLG Köln NJW 1985, 2338; LG Lüneburg NZM 2001, 397).

b) Die Kläger sind nicht gemäß §§ 1004 II, 906 I BGB zur Duldung der von den Katzen ausgehenden Störungen verpflichtet. Das Betreten eines Grundstücks durch Katzen stellt nach ganz herrschender Ansicht keine Zuführung unwägbarer Stoffe oder eine ähnliche Einwirkung i.S. des § 906 I BGB dar. Es kann daher auch dahinstehen, ob und inwieweit die Grundsätze des § 906 BGB auf das Verhältnis zwischen den Klägern als Mietern und den Beklagten als Eigentümern von Sondereigentumseinheiten desselben Hauses überhaupt Anwendung finden.

c) Die Kläger sind auch nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots (§ 242 BGB) verpflichtet, hinzunehmen, dass die beiden Katzen der Beklagten ihre Wohnung betreten oder ihre Terrasse/ihren Balkon durch Kot bzw. Erbrochenes verschmutzen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Beschränkungen der Ausschließungsbefugnisse des Grundstückseigentümers gegenüber seinen Nachbarn über die Rechtsfigur des sog. nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die daraus resultierenden Pflicht zur Rücksichtnahme möglich. Gestützt auf die Grundsätze des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses wird in der Rechtsprechung die Frage nach Art und Umfang der Duldungspflicht des Grundstückseigentümers hinsichtlich der Störungen durch Katzen uneinheitlich beantwortet. Es liegt hierzu eine umfassende Kasuistik vor.
Zwar findet diese Rechtsfigur auf das Verhältnis der Parteien keine unmittelbare Anwendung, denn die Parteien sind keine Grundstücksnachbarn i. e. S., sondern Mieter bzw. Eigentümer von Sondereigentumseinheiten derselben Wohnungseigentumsanlage. Die für Grundstücksnachbarn geltende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist jedoch entsprechend auf das faktische Zusammenleben der Parteien zu übertragen, auch wenn dieses Verhältnis nicht durch gesetzlich grundstücksbezogene Normen geregelt ist, die gemäß den §§ 903 ff BGB Nutzungsbefugnisse konkretisieren und die ihrerseits wiederum zum Zwecke des Interessenausgleichs über die Rechtsfigur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses korrigiert werden. Jedenfalls soweit es um die Frage der Duldung/Abwehr von Immissionen geht, ist die Interessenlage zwischen Nachbarn verschiedener Grundstücke und Nachbarn/Mietern mehrerer Einheiten desselben Gebäudes vergleichbar, so dass kein sachlicher Grund zur Differenzierung besteht. Vielmehr muss eine nachbarrechtliche Rücksichtnahmepflicht erst recht für benachbarte Bewohner innerhalb eines Gebäudes gelten, die im Vergleich zu Grundstücknachbarn sogar in einer baulich engeren Situation miteinander leben. Die Bewohner der Eigentumsanlage bilden eine soziale Gemeinschaft, so dass zwischen ihnen eine Sonderverbindung gegeben ist, innerhalb derer allgemein die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme besteht. Diese Pflicht zur gegenseitigen nachbarlichen Rücksichtnahme ist für den Bereich des notwendigen Zusammenlebens auf engem Raum eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Aus der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme resultiert für die Kläger eine Beschränkung ihrer Besitzrechte im Sinne einer Duldungspflicht soweit dies unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zum billigen Ausgleich nach Treu und Glauben geboten scheint (§ 242 BGB).
Für Störungen eines Grundstücksrechts durch Katzen entspricht es ganz überwiegender Ansicht, dass eine Duldungspflicht hinsichtlich des Betretens des Grundstücks durch eine Katze/zwei Katzen des Nachbarn besteht. Streitig ist jedoch, ob der Grundstückseigentümer weitergehende Beeinträchtigungen durch Katzen hinzunehmen hat, insbesondere Kotablagerungen und Verschmutzungen (Duldung verneinend: LG Lüneburg NZM 2001, 397; bejahend: Staudinger-Roth, a. a. O.; AG Rheinberg NJW-RR 1992, 408; AG Neu-Ulm NJW-RR 1999, 892).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist eine Duldungspflicht der Kläger nur in beschränktem Umfang gegeben.
Soweit die Urteile zur Begründung der Duldungspflicht grundsätzlich auf die Ortsüblichkeit der Katzenhaltung abstellen (z. B. in Vorortvierteln, Wohngebieten mit Einfamilien- Reihenhausbebauung), ist eine solche Ortsüblichkeit auch für die im Obergeschoss gelegene Wohnung der Kläger nach Ansicht der Kammer zu bejahen. Zwar entspricht die Wohnlage im zweiten bzw. dritten Obergeschoss des Hauses nicht dem "typischen Katzenrevier", vergleichbar einem Gartengrundstück, das frei für Katzen aus der ganzen Nachbarschaft zugänglich ist. Da es keine Verbindung zu anderen Nachbarhäusern gibt, sind die Katzen der Beklagten auch die einzigen, die die Wohnung/Terrasse der Kläger erreichen können. Allerdings ist angesichts der Größe der zu den Wohnungen gehörenden Dachterrassen allgemein damit zu rechnen, dass dort auch Katzen mit Freigang gehalten werden. Die Dachlage bietet sich sogar insofern an, als die Katzen nicht auf die Straße gelangen und sich relativ gefahrenfrei im Dachbereich bewegen können. In dem Wohnungseigentumskomplex werden auch von anderen Bewohnern Katzen in Dachhaltung gehalten. Die Katze zählt mittlerweile zum beliebtesten Haustier in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Halter bemüht sind, im Rahmen der örtlichen Möglichkeiten eine artgerechte Haltung der Tiere durch Freilauf zu gewährleisten. Dabei lassen sich Katzen, die von Natur aus Jagdtiere sind, auch nicht von willkürlich gezogenen Wohnungsgrenzen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Da die bauliche Situation es den Tieren problemlos ermöglicht, die gesamte Dachfläche und Bereiche (z. B. die Fenstersimse und die Terrasse) der Nachbarwohnung der Kläger zu erreichen, ist damit zu rechnen, dass Katzen im Rahmen des Freigangs auch diese Bereiche betreten. Es ist daher auch in der speziellen Wohnsituation der Kläger noch als ortsüblich anzusehen, dass dort Katzen im Wege der Freilaufhaltung gehalten werden und die Tiere sich im gesamten Dach-/Etagenbereich bewegen.
Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist aufgrund des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots nach Ansicht der Kammer - in Übereinstimmung mit der oben genannten Rechtsprechung - das bloße Betreten des klägerischen Außenbereichs (Terrasse/Balkon) zu dulden. Im Außenbereich stellt das bloße Betreten eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Besitzes der Kläger dar. Es ist davon auszugehen, dass sich die Tiere ggfs. von dort auch problemlos verscheuchen lassen. Die Beklagten sind insofern auch nicht auf alternative Haltungsformen zu verweisen.
Nicht hinnehmen müssen die Kläger jedoch, dass die Katzen ihre Wohnung betreten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der Wohnung der Kläger seit kurzem ein Säugling lebt.
Die Kammer vermag unter Abwägung der widerstreitenden Interessen auch im Rahmen des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme keine zwingenden Gründe anzunehmen, die es gebieten würden, den Klägern eine Duldungspflicht hinsichtlich des Betretens des Wohnbereichs aufzuerlegen.
Aus den vorgenannten Gründen besteht auch keine Duldungspflicht der Kläger hinsichtlich etwaiger Kotablagerungen auf der Terrasse/dem Balkon.

d) Sonstige Beeinträchtigungen, die es rechtfertigen würden, wie von Klägerseite beantragt, den Beklagten umfassend aufzugeben, die Katzen so zu halten, dass diese nicht mehr auf den Balkon/die Terrasse kommen können, sind nicht zu berücksichtigen.

e) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Klage hinsichtlich des Wohnbereichs in vollem Umfang Erfolg hat und hinsichtlich des Balkon/Terrassenbereichs teilweise abzuweisen war. Als "Minus" zu dem begehrten umfassenden Betretungsverbot für den Außenbereich, können die Kläger nur verlangen, dass die Katzen so gehalten werden, dass beim Betreten des Außenbereichs durch die Katzen keine Verschmutzung durch Kot oder Erbrochenes eintritt.

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Gericht: LG Bonn
Aktenzeichen: 8 S 142/09
Urteil vom: 06.10.2009

Redaktion (allg.)

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