Waschen mit Regenwasser

Regenwasser darf auch für die Waschmaschine genutzt werden - eine Gesundheitsgefährdung durch den Betrieb der Waschmaschine aus der eigenen Regenwassersammelanlage ist nicht im Einzelfall zu prüfen. Hier war sie nicht feststellbar die Klage eines Wasserzweckverbandes wurde abgelehnt.

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Bild: natali_mis/stock.adobe.com
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Aus dem Tatbestand

Der Kläger teilte dem Beklagten unter Vorlage von Installationsplänen
am 22. Mai 1995 mit, daß er in sein neu errichtetes Wohnhaus in
... eine Regenwassersammelanlage eingebaut habe und bat um satzungsmäßige
Zustimmung.

Der Wassermeister der Beklagten stellte daraufhin fest, daß die
Anlage seit 1994 in Betrieb sei und damit neben der Toilettenspülung
zwei Waschmaschinen im Keller sowie ein Ausgußbecken im Obergeschoß
mit Regenwasser versorgt würden. Weitere Auslaufhähne für Regenwasser
gibt es für die Gartenbewässerung, im Heizungsraum, im Keller der
Garage sowie in der Garage selbst.

Mit Bescheid vom 10. August 1995 stimmte der Beklagte dem Einbau
und Betrieb der Regenwassersammelanlage zu und schränkte die Benutzungspflicht
für den Betrieb dieser Anlage ein. Die Vorschriften des Zweckverbandes
seien zu beachten (Ziffer 2). Die Entnahme aus der Eigenversorgungsanlage
für andere Zwecke als Toilettenspülung und Gartenbewässerung werde
nicht gestattet (Ziffer 3), ebensowenig der Einbau einer Entnahmestelle
im Dachgeschoß und in der Kellergarage (Ziffer 4). Zur Begründung
führte der Beklagte aus, daß gemäß den Richtlinien für den Einbau
von Regenwassersammelanlagen die Benutzung für sonstige Zwecke außerhalb
der WC-Spülung und der Gartenbewässerung nicht erlaubt werden könne.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Seine früheren Bevollmächtigten
rügten eine unzureichende Begründung des Bescheids und die Nichtigkeit
des § 7 Abs. 1 der Wasserabgabesatzung (WAS) des Beklagten bzw.
der Wasserabgabesatzung insgesamt wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs.
2 und Art. 141 der Bayerischen Verfassung. Jedenfalls sei die Versagung
rechtswidrig. Auch werde die Verletzung von Grundrechten geltend
gemacht sowie im Hinblick auf die erheblichen Investitionskosten
(ca. 10.500,00 DM) die Unverhältnismäßigkeit der Befreiung in nur
geringem Umfang beanstandet.

Das Landratsamt Berchtesgadener*Land wies mit Bescheid vom 4. April
1996 den Widerspruch zurück. Die Wasserabgabesatzung der Beklagten
sei eine rechtsgültige Grundlage für die teilweise Versagung der
Beschränkung. Regenwasser dürfe nur zur Toilettenspülung und zum
Gartengießen verwendet werden. Zur sonstigen Nutzung im Hausbereich
(Waschmaschine, Körperpflege) sei es wegen der stofflichen und bekteriellen
Belastung nicht oder nur nach sehr aufwendigen Reinigungsmaßnahmen
geeignet. Dem Betrieb der Waschmaschine mit Regenwasser stünden
Gründe der Volksgesundheit entgegen (§ 7 Abs. 2 WAS).

Der Kläger ließ hiergegen Klage erheben mit dem Begehren,

unter Aufhebung der Ziffern 2 mit 4 des Bescheids vom 10. August
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 1996
den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Befreiung
vom Anschluß- und Benutzungszwang vollumfänglich zu erteilen.

Die Bevollmächtigten betonten ergänzend, daß für die beabsichtigten
Nutzungen von Regenwasser Brauchwasserqualität ausreiche. Es lägen
zahlreiche Studien vor, die das Waschen von Wäsche mit Regenwasser
für hygienisch unbedenklich erklärten.

Der Beklagte erwiderte, daß einer Beschränkung der Benutzungspflicht
nur dann zugestimmt werden könne, wenn man unter gesundheitlichen
Aspekten Gefährdungen der Benutzer ausschließen könnte. Das sei
bei der Verwendung von Regenwasser im Hausbereich nur zur Toilettenspülung,
außerhalb des Hausbereichs zur Gartenbewässerung anzunehmen. Selbst
bei Vornahme entsprechender Sicherungsmaßnahmen sei es nicht gewährleistet,
daß unzulässige Nutzungen stattfänden. Das Bundesgesundheitsamt
sehe in der Einrichtung eines zusätzlichen Brauchwasserleitungssystems
ein Gesundheitsrisiko.

Mit Urteil vom 15. Mai 1997 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid
vom 1O. August 1995 und den Widerspruchsbescheid vom 4. April 1996
insoweit auf, als mit ihm nicht die Entnahme aus der Eigenversorgungsanlage
im Abstellraum im Dachgeschoß, im Heizungsraum im Keller, in der
Garage und im Keller der Garage gestattet wurde. Der Beklagte wurde
verpflichtet, die Befreiung vom Benutzungszwang insoweit mit der
Maßgabe zu erteilen, daß diese Entnahmestellen nur mit Steckschlüsseln
zu bedienen seien. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Die Kammer führte zur Klageabweisung aus, daß für das Wäschewaschen
Wasser mit Trinkwasserqualität erforderlich sei. Das bekteriologisch
belastete Regenauffangwasser genüge dafür nicht. Gründe der Volksgesundheit
stünden für diesen Verbrauchszweck einer Befreiung entgegen.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt der Kläger sinngemäß,

unter entsprechender Aufhebung des Urteils vom 15. Mai 1997 sowie
des Bescheids vom 10. August 1995, Ziffer 3, und des Widerspruchsbescheids
vom 4. April 1996 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger vom Anschluß-
und Benutzungszwang auch für den Betrieb von zwei Waschmaschinen
mit Regenwasser zu befreien.

Der Kläger trägt vor, daß nach der überwiegenden Meinung der Fachliteratur
die Verwendung von Wasser in Trinkwasserqualität zum Wäschewaschen
nicht notwendig sei, weil keimarme Ergebnisse auch ohne Wasser in
Trinkwasserqualität erzielt werden könnten. Er verweist auf die
physikalisch-chemischen Untersuchungen von Moll (Regenwassernutzung)
sowie eine Abhandlung von Lücke (Brauchwasserqualität - Anforderungen
und Realität), derzufolge die Nutzung des Regenwassers für das Wäschewaschen
trotz gelegentlich leichter Überschreitungen der Grenzwerte von
Amonium und/oder Nitrit nicht eingeschränkt sei. Desweiteren werden
die Ergebnisse von neun Pilotanlagen zur Regenwassernutzung in Hannover
sowie eine Literaturstudie des Hygiene-Instituts Heidelberg (Risikobewertung
der Nutzung von Regen- und Dachablaufwasser) dargelegt. Die genannten
Expertisen kämen für den mikrobiologischen Bereich zusammengefaßt
zu dem Ergebnis, daß das Wäschewaschen mit Regenwasser nicht gesundheitsschädlich
sei. Die Verkeimung des Regenwassers sei derjenigen von natürlichen
Badegewässern vergleichbar. Entscheidend müsse jedoch auf die mikrobiologische
Belastung der gewaschenen Wäsche abgestellt werden. Die mit Regenwasser
gewaschene Wäsche sei als keimarm zu bezeichnen und unterscheide
sich damit nicht von mit Trinkwasser gewaschener Wäsche. Die Keimbelastung
hänge also nicht davon ab, bei welcher Temperatur mit welchem Waschmittel
gewaschen bzw. ob die Wäsche gebügelt werde. Allein durch die Trocknung
würden die Keimzahlen reduziert. Nehme man hinzu, daß überall Keime
existierten, entstünden durch das Waschen von Wäsche mit Regenwasser
jedenfalls keine relevanten Gefahren. Die Unbedenklichkeit werde
bestätigt durch die Untersuchungen von Holländer (Mikrobiologisch-hygienische
Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser für Toilettenspülung,
Gartenbewässerung und Wäschewaschen) sowie der "consulaqua Hamburg".

Das Risiko einer Verwechslung von Wasseranschlüssen könne beim
Kläger ausgeschlossen werden. Er besitze für Trink- und Regenwasser
zwei getrennte Betriebssysteme nach dem neuesten Stand der Technik.
Insbesondere bei den Waschmaschinenanschlüssen sei - etwa durch
Kinder - eine versehentliche Wasserentnahme zu anderen Zwecken nicht
möglich. Trotz der Verwendung von Regenwasser seit zweieinhalb Jahren
im Haushalt mit drei Kleinkindern sei es bisher zu keinem Gesundheitsschaden
gekommen. Aus alledem folge, daß ein Risiko für die Volksgesundheit
gemäß § 7 WAS nicht gegeben sei und eine Befreiung erteilt werden
müsse.

Die Bevollmächtigten des Klägers setzen sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof
eingeholten Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft
vom 10. Dezember 1997 sowie den dazu übermittelten Anlagen auseinander.
Das Landesamt spreche von eventuell entgegenstehenden psychohygienischen
Gründen und einem geringen Wasserspareffekt, mache aber keine Aussage
zur Gefährlichkeit der angestrebten Nutzung. Die Untersuchung des
Bayerischen Gemeindetags (Regenwassernutzung im Haushalt) stamme
vom April 1992 und berücksichtige somit die neueren Erkenntnisse
nicht. Die Studie des Hygiene-Instituts der Universität Heidelberg
(Risikobewertung der Nutzung von Regen- und Dachablaufwasser) sehe
in der Nutzung des Regenwassers zum Wäschewaschen eher ein technisches
Problem, komme aber zu dem Schluß, daß eine solche Nutzung möglich
sei. Auch nach den Aussagen von Lowis (Regenwassernutzung in Köln)
ergäben sich keine konkreten Tatsachen, die das Waschen der Wäsche
mit Regenwasser verbieten würden. Nach dem Bericht von Rott (Erstellung
einer Literaturstudie zum Thema Regen und Grauwassernutzung) sei
eine Bedenklichkeit bezüglich einer gesundheitlichen Gefährdung
der Träger der mit Regenwasser gewaschenen Wäsche nicht ersichtlich.
Somit sei auch nach diesen Untersuchungen eine konkrete Gefährdung
der Volksgesundheit nicht zu befürchten.

Der Senat holte zur Frage der Regenwassernutzung beim Wäschewaschen
noch weitere Stellungnahmen ein. Der Bund Naturschutz legte dabei
Aufsätze von Holländer (Hygienestandards für Zisternenwasser; Regenwassernutzung
- Hygienische Aspekte) vor und das Landesuntersuchungsamt für das
Gesundheitswesen Südbayern äußerte mit Schreiben vom 17. Juli 1998,
daß nach den erhobenen Befunden eine Nutzung von Regenwasser zum
Waschen der Wäsche in Bezug auf Infektionsrisiken in der Regel vertretbar
sei. Mögliche Krankheitserreger würden weitaus häufiger über die
Schmutzwäsche eingebracht als über Regenwasser.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag,
hält jedoch die Berufung für aussichtsreich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten
beider Instanzen mit der Sitzungsniederschrift über die mündliche
Verhandlung vom 22. September 1998 Bezug genommen (§ 1 17 Abs. 3
S. 2 VwGO).

 

Aus den Entscheidungsgründen

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Beschränkung der Benutzungspflicht
der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung für den Betrieb von
zwei Waschmaschinen mit Wasser aus der eigenen Regenwassersammelanlage.
Die Versagung durch den Beklagten verletzt den Kläger in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Berufung führt daher unter
Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der Klage insgesamt.

Für die Beurteilung des mit der Verpflichtungsklage verfolgten
Begehrens ist nach dem anzuwendenden materiellen Recht der Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, hier also der
22. September 1998, maßgeblich (vgl. BayVGH v. 5.7.1991 BayVBI 1992,
20; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., Rd.Nr. 217 f. zu § 113).

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 7 der
Wasserabgabesatzung (WAS) der Beklagten vom 1. August 1990 in der
Fassung der Änderungssatzung vom 1. August 1995. Der dort normierte
Anspruch auf Gewährung einer Beschränkung der Benutzungspflicht
auf einen Teilbedarf entspricht den Forderungen des § 35 Abs. 2
der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit
Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBI I S. 750) in Verbindung
mit § 3 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV und ist in verfassungsrechtlicher
Hinsicht nicht zu beanstanden. Denn die Verpflichtung der kommunalen
Träger von Wasserversorgungseinrichtungen, ihre Satzungsregelungen
entsprechend den Bestimmungen der AVBWasserV zu gestalten, tastet
den Kern des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nicht an. Es bleibt
dem Träger der Einrichtung ausreichend Spielraum für Abweichungen,
die durch die öffentlich-rechtliche Natur des Versorgungsverhältnisses
geboten sind (vgl. BVerfG v. 2.11.1981 NVwZ 1982, 306).

Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn ein kommunaler
Einrichtungsträger zwar den Beschränkungsanspruch in seine Wasserabgabesatzung
übernimmt, diesen jedoch insoweit wieder einschränkt, als Stattgaben
im Einzelfall dazu führen würden, daß der aus Gründen des öffentlichen
Wohls angeordnete Anschluß- und Benutzungszwang in einer Weise unterlaufen
würde, die die Erfüllung der der Ermächtigung zugrundeliegenden
Aufgabe gefährdete (vgl. BVerwG v. 24.1.1986 NVwZ 1986, 483). §
7 Abs. 1 WAS hält sich im Rahmen dessen, was der Verordnungsgeber
im Hinblick auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht nicht ausschließen
wollte und durfte. Dabei verdeutlicht § 7 Abs. 1 Satz 2 WAS, daß
die zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dort entgegensteht, wo nur
durch die Abnahme von Wasser aus der öffentlichen Einrichtung die
Einhaltung von Rechtsvorschriften sichergestellt werden kann. Das
aber bedeutet, daß, abgesehen von der Frage der wirtschaftlichen
Unzumutbarkeit ein Antrag auf Beschränkung der Benutzungspflicht
nur abgelehnt werden darf, wenn feststeht, daß durch den Verbrauch
von Regenwasser für den beabsichtigten Zweck gesetzliche Vorschriften
verletzt werden (vgl. BayVGH v. 5.7.1991 a.a.O.).

Der Kläger hat gemäß § 7 Abs. 1 WAS einen Anspruch auf Beschränkung
der Benutzungspflicht für den Verbrauchszweck Waschmaschine, weil
dem Waschen der Wäsche mit Regenwasser (Dachablaufwasser) derzeit
Gründe der Volksgesundheit, auf die sich der Beklagte allein beruft,
nicht entgegenstehen. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsanspruch,
ohne daß dem Beklagten ein Ermessensspielraum zustünde (vgl. BayVGH
v. 10.8.1984 VGH n.F. 37, 83/84).

Die Gewährung der begehrten Beschränkung scheitert nicht an Gründen
der Volksgesundheit, da für das Wäschewaschen grundsätzlich nicht
Wasser in Trinkwasserqualität im Sinne der Trinkwasserverordnung
in der Fassung vom 5. Dezember 1990 (BGBl I S. 2600) erforderlich
und eine Gesundheitsgefährdung durch den Betrieb der Waschmaschinen
des Klägers mit Wasser aus der eigenen Regenwassersammelanlage auch
im Einzelfall nicht feststellbar ist.

Nach den in das Verfahren eingeführten Informationsquellen hält
die bakterielle bzw. mikrobiologische Belastung von Regenwasser
(Dachablaufwasser) in aller Regel die Grenzwerte der EG-Richtlinie
76/160/EWG für Badegewässer ein. Diesen Befund wertete das Landesuntersuchungsamt
für das Gesundheitswesen Südbayern im Schreiben vom 17. Juli 1998
als Indiz dafür, daß eine Nutzung von Regenwasser zum Waschen von
Wäsche in Bezug auf Infektionsrisiken in der Regel vertretbar sei.
Holländer pflichtete dieser Einschätzung in seiner Veröffentlichung
"Mikrobiologischhygienische Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser
als Betriebswasser für Toilettenspülung, Gartenbewässerung und Wäschewaschen"
(Gesundheitswesen 58 (1996) S. 288 ff.) bei, mit der Aussage, daß
bei der Nutzung von Regenwasser für das Wäschewaschen eine gesundheitliche
Beeinträchtigung ebensowenig zu befürchten sei wie beim Baden in
Gewässern, deren Wasserqualität den Vorgaben der EG-Norm entspreche.
Die Festlegung der dort genannten Werte erfolgte unter der Voraussetzung,
daß beim Baden ein Ganzkörperkontakt mit Wasser statffindet und
ein versehentliches Verschlucken von Wasser vorkommen könne. Maßgebliches
Gewicht für die Bewertung des Gesundheitsrisikos, das von einer
mit Regenwasser gewaschenen Wäsche ausgeht, ist insbesondere den
bei speziellen Untersuchungsreihen gewonnenen wissenschaftlichen
Erkenntnissen beizumessen. Dabei ergab sich, daß die bekteriologische
Beschaffenheit von mit Regenwasser gewaschener Wäsche der Restverkeimung
von mit Trinkwasser gewaschener Wäsche entsprach. Das Ausmaß der
Restverkeimung sei nicht so sehr vom mikrobiologischen Zustand des
Waschwassers als vielmehr vom Verschmutzungsgrad der Wäsche abhängig
gewesen. Die entscheidende Keimreduktion erfolge während des Trocknungsvorgangs,
der selbst bei hoher Vorbelastung im feuchten Zustand zum Absterben
der Bakterien führe. Nach der Trockung sei die mit Regenwasser gewaschene
Wäsche keimarm und nicht von der mit Trinkwasser gewaschenen Wäsche
zu unterscheiden gewesen (vgl. hierzu Holländer, Hygienische Aspekte
bei der Wäsche mit Regenwasser, Forum Städte-Hygiene 44 (1993) September/Oktober
S. 252 ff.; Moll, Regenwassernutzung, Fachliche Berichte HWW 9.
Jg. (1990) Nr. 2 S. 33 ff.; Lücke, Brauchwasserqualität - Anforderungen
und Realität, WAP 3/96 S. 19 ff.; Untersuchung "Regenwassernutzung
in Hamburg" der consulaqua vom 9.11.1995). Das Hygiene-Institut
der Universität Heidelberg schloß sich in einer Literaturstudie
(Risikobewertung der Nutzung von Regen- und Dachablaufwasser, Veröff.
PAÖ, Band 12, September 1995 S. 389 ff.) nach Auswertung zahlreicher
Erkenntnisquellen der allgemeinen Literaturmeinung an und zog das
Resümee, daß die Wäsche mit Regenwasser gewaschen werden könne.
All diese Abhandlungen lassen ein erhöhtes gesundheitliches Risiko
nicht erkennen, wenn die Wäsche anstelle von Trinkwasser mit Regenwasser
gewaschen wird. Dabei bleibt unerheblich, bei welcher Temperatur
und mit welcher Waschmittelzugabe der Waschgang erfolgt und ob die
Kleidungsstücke noch gebügelt werden. Nicht unerwähnt bleiben soll
auch die plausible Annahme des Landesuntersuchungsamtes für das
Gesundheitswesen Südbayern (a.a.O.), daß mögliche Krankheitserreger
weitaus häufiger über die Schmutzwäsche eingebracht werden als über
Regenwasser.

Der Senat verkennt nicht, daß der Eintrag von Erregern in das gesammelte
Regenwasser möglich ist. Gleichwohl kann aufgrund der empirischen
Resultate davon ausgegangen werden, daß die Übertragung von Infektionskrankheiten
über die mit Regenwasser gewaschene Wäsche äußerst unwahrscheinlich
ist (vgl. Holländer, a.a.O.). Ein gewisses Hygienerisiko wird vielmehr
lediglich in möglichen Fehlinstallationen, d.h. bei einer mangelhaften
Trennung des Trinkwassernetzes vom Regenwassernetz gesehen (vgl.
Lücke, a.a.O.; Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main, Bericht
über die hygienische Kontrolle bestehender Dachablaufwassernutzungsanlagen
vom Oktober 1995; bga-pressedienst Nr. 38/91 vom 28.8.1991; Lowis,
Regenwassernutzung in Köln, 1. Aufl. 1996). Für eine Abstellung
solcher Sicherheitsmängel im technischen Bereich ist jedoch durch
entsprechende Anordnungen Sorge zu tragen. Sie sind in der Regel
nicht geeignet, bei Vorhandensein ordnungsgemäß getrennter Leitungsnetze
deren Benutzung für bestimmte Verbrauchszwecke aus Gründen der Volksgesundheit
zu versagen.

Die hygienischen Bedenken des (ehemaligen) Bundesgesundheitsamtes
gegen eine Regenwassernutzung wegen Verkeimungsgefahr (vgl. BT-Drs.
11/8031 vom 2.10.1990) führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
Die bakterielle Belastung von Dachablaufwasser steht außer Frage.
Welche konkreten Auswirkungen dieser Umstand auf die Träger der
mit Regenwasser gewaschene Wäsche mit sich bringt, wird aber nicht
näher erläutert. Entsprechendes gilt für die vom Bayerischen Staatsministerium
des Innern in der Bekanntmachung an die Gemeinden vom 7. April 1993
(AIIMBI Nr. 10/93 S. 659) vertretenen Auffassung, daß Dachablaufwasser
zur sonstigen Nutzung im Hausbereich (Waschmaschine, Körperpflege)
wegen der stofflichen und bekteriellen Belastung nicht oder nur
nach sehr aufwendigen Reinigungsarbeiten geeignet sei. Das Bayerische
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen
und Gesundheit räumte im Schreiben vom 10. Februar 1997 ein, insoweit
keine allgemeingültigen Aussagen treffen zu können, hielt jedoch
ein gesetzliches Verbot der Regenwassernutzung zum Waschen nicht
für angezeigt. Das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft äußerte
in der Stellungnahme vom 10. Dezember 1997, daR gegen die Benutzung
von Regenwasser zum Wäschewaschen hygienische oder/und psychohygienische
Gründe sprechen könnten und verwies im übrigen auf die zuständige
Gesundheitsverwaltung. Somit ergibt eine Würdigung dieser Unterlagen
nicht, daß Gründe der Volksgesundheit im Sinne des § 7 Abs. 1 WAS
grundsätzlich einer Benutzung von Regenwasser zum Wäschewaschen
entgegenstünden. Der Senat folgt vielmehr den eingangs erwähnten
erfahrungswissenschaftlichen Erkenntnissen, die vom Landesuntersuchungsamt
für das Gesundheitswesen Südbayern geteilt werden, daß das Waschen
der Wäsche mit Regenwasser generell kein größeres Gesundheitsrisiko
birgt als das Waschen der Wäsche mit Trinkwasser.

Allerdings darf die in der Literatur vertretene Meinung nicht ohne
weiteres vernachlässigt werden, daß hinsichtlich des Grades der
mikrobiologischen Kontamination eine Abhängigkeit von den geographischen,
topographischen und meteorologischen Verhältnissen besteht, und
daß bei bestimmten Personengruppen und Einrichtungen eine pauschale
Beurteilung des gesundheitlichen Risikos nicht angezeigt ist (vgl.
Hygiene-Institut der Universität Heidelberg, Risikobewertung der
Nutzung von Regen und Dachablaufwasser, Veröff. PAÖ, Band 13, Mai
1996 S. 33 ff.; Lowis a.a.O.). Demzufolge kann aufgrund örtlicher
Gegebenheiten, etwa eines toxikologisch besonders belasteten Standorts,
bei gesundheitlich besonders gefährdeten Personen oder bei öffentlichen
und privaten Einrichtungen im Einzelfall eine Beurteilung dahingehend
gerechtfertigt sein, daß die Verwendung von Regenwasser (Dachablaufwasser)
zum Wäschewaschen die Volksgesundheit beeinträchtigt. Da der Beklagte
solche Gründe im Falle des Klägers nicht dargelegt hat, verbleibt
es beim Rechtsanspruch des Klägers auf die begehrte Beschränkung
der Benutzungspflicht für den Verbrauchszweck Waschmaschine.

Den "Einbauvorschriften" des Beklagten, die in Nr. 4 die Entnahme
von Regenwasser für die Waschmaschine verbieten, kommt keine eigenständige
rechtliche Bedeutung zu.

Um einen Fehlgebrauch des Regenwasserleitungsnetzes zu vermeiden
und dem allgemeinen Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen, sind
die Wasserentnahmestellen für die Waschmaschinen im Wohnhaus des
Klägers allerdings mit den Worten "Kein Trinkwasser" oder bildlich
zu kennzeichnen.

Nach alldem erweist sich die Berufung als begründet. Das Urteil
vom 15. Mai 1997 ist deshalb abzuändern und der Klage auf Beschränkung
der Benutzungspflicht der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung
für den Betrieb von zwei Waschmaschinen mit Wasser aus der Regenwassersammelanlage
stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich
auf §167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132
Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde
zum Bundesverwaltungsgericht in Berlin angefochten werden. Die Beschwerde
ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München innerhalb
eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen
und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung
zu begründen. Die Beschwerde muß die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
In der Beschwerdebegründung muß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder
des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muß sich jeder Beteiligte durch
einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung
der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend
davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und
Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt
sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000,00 DM
festgesetzt (§ 13 Abs. 1 S 1, § 14 GKG).
 

Gericht: Bayer. VerwGH
Aktenzeichen: 23 B 97.2120

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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