Bauland-Aktivierung am Beispiel Solingen

Platz zum Bauen und Wohnen. Was Bauherren und Wohnungssuchende sich wünschen, müssen Kommunen in Wachstumsregionen erst einmal ausfindig machen und mobilisieren: Die Klingenstadt Solingen nutzt dafür verschiedene Methoden und Instrumente.

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Innenstadt von Solingen, NRW: Bei der Flächenmobilisierung setzt die Kommune auf ihr digitales Wohnbaulandkataster. Die Datenbank enthält bisher rund 650 Grundstücke. FOTO: Klingenstadt Solingen/ Uli Preuss
Innenstadt von Solingen, NRW: Bei der Flächenmobilisierung setzt die Kommune auf ihr digitales Wohnbaulandkataster. Die Datenbank enthält bisher rund 650 Grundstücke. FOTO: Klingenstadt Solingen/ Uli Preuss

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DOSSIER: Bauland-Initiativen von Städten und Gemeinden

Wenn Wohnungsbau zur Chefsache wird
Brache wird Bauland: Goethequartier in Offenbach entsteht
Baulandstrategie der westpfälzischen Stadt Pirmasens
Neue Schwarmstädte: jung, trendy, günstig
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Trendumkehr in Solingen

Gestern noch eine Kommune mit sinkender Einwohnerzahl, heute wieder leicht wachsend. In den vergangenen Jahren gab es in Solingen eine Trendumkehr. Seit 2011 ist die Einwohnerzahl um insgesamt rund 4,5 Prozent gestiegen. Den größten Sprung gab es von 2015 auf 2016. In der Stadt an der Wupper lebten im Jahr 2016 rund 162.000 Einwohner. Bis zum Jahr 2030 werden es der Prognose zufolge 166.000 sein.

Mit deutlich höheren Geburtenzahlen in den letzten Jahren hat Solingen mittlerweile auch eine der höchsten Geburtenraten in Nordrhein-Westfalen. Daneben wächst die Stadt auch durch anhaltende Wanderungsgewinne – inzwischen auch aus der Region, vor allem aus Düsseldorf und zum Teil Köln. „Weil die beiden beliebten Wohn- und Arbeitsstandorte, aber auch deren unmittelbares Umland den Wohnungsbedarf nicht mehr vollumfänglich decken können, wird der Radius jetzt weiter gezogen“, erfährt man von der Leiterin des Stadtdienstes Planung, Mobilität und Denkmalpflege Julia Gottlieb.. Aufgrund der preislichen Situation könnten es sich Familien oft nicht leisten, sich dort mit Wohnraum zu versorgen.

Insofern wird die Stadt mit direkter S-Bahn-Verbindung nach Düsseldorf zunehmend als interessante Alternative entdeckt. Dazu kommt eine hohe Nachfrage junger Solinger Familien, die die Stadt natürlich halten möchte – mit „zeitnahen und bezahlbaren Angeboten“.

Zahlreiche Investoren in der Region

Sie kann sich dabei nicht auf ein eigenes kommunales Wohnungsbauunternehmen stützen, wohl aber auf den genossenschaftlichen Spar- und Bauverein Solingen und weitere Wohnungsbaugenossenschaften – und vor allem auf zahlreiche Investoren sowohl aus der Region als auch bundesweit sowie aus dem nahen niederländischen Raum.

Und nicht zuletzt auf ihr Handlungskonzept Wohnen mit einer strategischen Neuausrichtung der Solinger Wohnungsbaupolitik: weg von den überwiegend klassischen Einfamilienhausgebieten „hin zu einer Verdichtung in integrierten Lagen“. Die Angebotspalette soll um Doppel- und Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser im Miet- und Eigentumssektor sowie anteilig geförderten Wohnungsbau erweitert werden. Wesentlicher Teil der Gesamtstrategie ist die Versorgung mit mietpreisgünstigem Wohnungsbau mit oder ohne öffentliche Förderung.

Erklärtes Ziel: Wohnraum für unterschiedliche Zielgruppen samt Baulandbereitstellung

Im Durchschnitt sind in Solingen in den letzten Jahren jährlich rund 250 Wohnungen entstanden, was in dieser Größenordnung auch künftig den Bedarf decken werde.

Auf geeignete größere Grundstücke aus eigenem Besitz kann die Stadt nur bedingt zurückgreifen. Denn sie verfügt nur über sehr wenige Flächen, die sich baulich dementsprechend entwickeln lassen. Der überwiegende Teil entwicklungsfähiger Flächen befindet sich in privater Hand. Darauf richtet die Stadt nunmehr verstärkt ihr Augenmerk.

Flächenpotenziale – sortiert nach Typ

Derzeit durchforstet die Kommune für den Wohnungsbau geeignete und mit Baurecht versehene Flächen nach Pilotgrundstücken, die sich innerhalb der nächsten drei Jahre für eine behutsame Nachverdichtung mobilisieren lassen. „Aufgrund bereits genutzter Instrumente wie dem Baulückenkataster, dem Wohnbaulandmanagement, dem Brachflächenkataster und weiteren aus unserem Methodenkoffer haben wir einen guten Überblick über unsere Flächen in den verschiedenen Kategorien“, betont die leitende städtische Baudirektorin. Nachfassen will man insbesondere da, wo in der Vergangenheit bereits Baurecht geschaffen, dieses bislang aber noch nicht genutzt wurde. „Das kommt leider häufiger vor.“

Ebenfalls auf der Agenda: Grundstücke, aus denen man mehr machen könnte. Das kann eine aufgegebene Tankstelle oder eine Fläche mit Zwischennutzung, zum Beispiel als Wohnwagen-Abstellfläche, sein, die aufgrund von Lage und Wert des Grundstücks für eine Nachverdichtung und erfolgreiche Ansprache des Eigentümers infrage kämen. Bei einer Reihe dieser unter- oder mindergenutzten Grundstücke dürfte sich das inzwischen erübrigen. Dort herrscht rege Bautätigkeit. „Ein Anzeichen dafür, dass die Marktlage und der Druck auf die Fläche jetzt auch in Solingen angekommen sind und genutzt werden“, meint Gottlieb. Sei es vom bisherigen Eigentümer, der merkt, dass mit dem Grundstück viel mehr anzufangen ist. Oder Entwicklern, die „nunmehr auf auch auf Flächen gehen, die in der Vergangenheit niemals bebaut worden wären“.

Im Fokus der Wohnungspolitik steht die kleinteilige Nachverdichtung

 „Auch in klassischen Baulücken der Innenstadt muss man nicht erst noch neu Baurecht schaffen. Erfahrungsgemäß gibt es bezogen auf diese Flächenpotenzialkategorie auch keinen so großen Strauß privater Eigentümer. Das könnte die Erfolgs-Chancen bezüglich einer Mobilisierung für die Innenentwicklung erhöhen“, sagt Julia Gottlieb.

Insgesamt seien es rund 100 Hektar, die schon mit Baurecht ausgestattet oder als Wohnbaulandreserve planerisch gesichert sind. Diese innerstädtischen Flächen – hauptsächlich in Privateigentum – sollen „aktiviert und dem Markt zugeführt“ werden. Teils ein schwieriges Unterfangen.

Marktakteure – persönliche Ansprache und Beratung

Beratung und Begleitung durch die Stadt seien immer nötig, um Grundstücksbesitzer, Investoren und Entwickler sowie potenzielle Bauherren an einen Tisch zu bringen, so Gottlieb. Der persönlichen Ansprache dieser Zielgruppen widmet die Stadt deshalb besondere Aufmerksamkeit – unter anderem mit entsprechend adressierten Flyern. „Die Eigentümer sind für uns dabei die ersten Ansprechpartner.“

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Private Bauherren und Eigentümer kleinerer Flächen können aber oftmals solche Projekte nicht stemmen, bei denen Erschließung erst noch stattfinden muss. „Diese Flächen sind daher interessant für Bau- und Erschließungsträger sowie Investoren“, sagt Tobias Berg vom Stadtdienst, Sachgebietsleiter in der Stadtplanung und dort unter anderem auch für Bauberatung zuständig.

Auf Seite 2 lesen Sie: Das Solinger Stadtbild und die Vorstellungen von Investoren

Das Solinger Stadtbild und die Vorstellungen von Investoren

Entwickler und Investoren bringen natürlich ihre eigenen Vorstellungen mit, die sich nicht unbedingt immer ins Solinger Stadtbild mit seiner überwiegend sehr kleinteiligen Struktur einfügen. „Nicht jeder Standort verträgt einen größeren Komplex“, erklärt Berg. Stadtgestalterisch sei eine maximale Ausnutzung des Grundstücks nicht immer vertretbar.

Wie bringt man das zusammen? Hier übernimmt die Bauberatung der Stadtplanung einen vermittelnden Part. „In vielen Fällen machen wir Alternativvorschläge“, sagt Berg. Beim Geschosswohnungsbau etwa: Muss es denn ein über 70 Meter langer durchgehender Riegel sein? Warum nicht aufgeteilt in zwei oder drei einzelne Baukörper? Oder bei einer Reihenhausbebauung: statt zwölf aneinandergereihte Häuser – kleinere Dreier- oder Viererpakete, bei denen das eine oder andere Haus auch mal zurückspringt. „So erhält man eine gewisse Gliederung und Auflockerung in der Bebauung, die dann letztlich nicht nur städtebaulich ansprechender, sondern auch attraktiver für die Bewohner ist.“

Flächenmobilisierung mit dem digital zugänglichem Wohnbaulandkataster

Bei der weiteren Flächenmobilisierung setzt die Kommune insbesondere auf ihr Wohnbaulandkataster und dessen digitale Zugänglichkeit – voraussichtlich Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres. Eingespeist in die Datenbank sind bisher rund 650 Grundstücke – mit ihren speziellen Attributen und auch nach sofortiger, kurz-, mittel- oder langfristiger Verfügbarkeit. Ein erheblicher Aufwand, der sich aber auszahlen kann. Der große Vorteil dieser digitalen Variante aus Bergs Sicht: Das Wohnbaulandkataster wird innerhalb des öffentlichen Geoinformationssystems der Stadt freigeschaltet. „Das heißt, man kann sich hier – genauso wie man es von den Online-Diensten Google Maps oder Bing Maps kennt – durch die Karte schwenken und scrollen und darüber die entsprechenden Flächentypen“ auch erkennen. Bauwillige Bürger erhalten so schnell einen Überblick über sofort bebaubare Flächen. Dazu kommen in einer separaten Rubrik für Investoren und Bauträger ausgewählte größere Flächen, wo die Erschließung noch fehlt.

Denkbar, aber vom Datenschutz her noch in rechtlicher Klärung sind weitere Informationen zu den Flurstücken – etwa zum Planungsrecht oder auch Größenangaben. Nach dem Willen der Stadt soll es ein benutzerfreundliches System sein, das möglichst immer auf dem aktuellen Stand ge­halten wird.

Autorin: Carla Fritz, freie Journalistin

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Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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