Der Gesetzgeber lässt sich geradezu provozieren
Das alte Jahr neigt sich seinem Ende zu. Was wird wohl 2021 bringen? Sehr wahrscheinlich ein anhaltendes politisches und juristisches Tauziehen um neue scharfe Eingriffe des Gesetzgebers in das Miet- und Eigentumsrecht. Gibt es noch Regelungsbedarf? In einem Land mit 20.000 Normen und Vorschriften im Baurecht und einem Mietrecht, das die Beziehungen zwischen Vermieter und Wohnungsmieter weithin austariert? Die durch Corona ausgelöste Wirtschaftskrise und die starken Preissteigerungen in den Immobilienmärkten der schnell wachsenden Ballungsräume provozieren geradezu neue Reaktionen des Gesetzgebers.
Beispiel Umwandlungsverbot: Der Bundesbauminister, die CSU und die SPD streben eine Verschärfung an. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll in Zukunft weiter eingeschränkt werden. Nach dem geplanten Gesetz soll das bisher nur für Milieuschutzgebiete geltende Umwandlungsverbot ausgeweitet werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Landesregierungen für maximal fünf Jahre Gebiete bestimmen können, in denen aus einer Mietwohnung nur dann Eigentum werden darf, wenn die zuständige Behörde vor Ort dies genehmigt. Die Länder sollen ermächtigt werden, das Umwandlungsverbot auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu erstrecken. Dies würde in der Praxis zum Beispiel für Berlin bedeuten, dass das Verbot das ganze Stadtgebiet betreffen wird.
Beispiel „Störung der Geschäftsgrundlage“: Bislang waren nur die Mieter von Wohnungen die Schutzbefohlenen des sozialen Rechtsstaates, während im Gewerberaum-Mietrecht wesentlich weniger geregelt ist. Nun will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Mietrecht ändern. Der Plan: Wegen Corona angeordnete staatliche Beschränkungen von Gewerbebetrieben sollen regelmäßig als „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) gelten. Für Vermieter würde das etwa bedeuten, Miete mindern zu müssen. Eine Naturkatastrophe und die staatlichen Reaktionen darauf würden damit in die Verantwortung von Immobilieneigentümern verschoben, so als läge die Ausbreitung des Virus in der Einflusssphäre der Eigentümer. Damit wären möglicherweise auch die vielen einvernehmlichen Mietkürzungs- und Stundungsabreden zwischen Mietern und Vermietern aus dem Lockdown im Frühjahr null und nichtig.
Wie ungewöhnlich, ja kurios die Situation ist, zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts München, das einem Gewerberaum-Mieter angesichts Corona-bedingter Geschäftsstörungen ein Recht auf Mietkürzung zugestanden hat. Das Landgericht stützte sich in seiner Begründung auf mehr als 100 Jahre alte Urteile des Reichsgerichts aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Damals wehrte sich der Betreiber eines „Restaurantetablissements“ gegen die polizeiliche Einschränkung von Tanzlustbarkeiten. Ein Weinlokal opponierte gegen die Verlängerung der Sperrstunde im Krieg und ein Geschäftslokal in einem Badeort wollte die Rücknahme des von einer Militärbehörde angeordneten Badeverbots. (Ausführliches dazu in der Rechtsprechung KOMPAKT ab Seite 43).
Beispiel Berliner Mietendeckel: Die wohl schärftste Beschneidung der Vertrags- und Eigentumsfreiheit vollzieht sich seit 23. November in Berlin, wo der Mietendeckel seit Februar Mieterhöhungen quasi verbietet. Zusätzlich besteht nun für Eigentümer die Pflicht Mieten zu senken, die um 20 Prozent über den gesetzlichen Höchstgrenzen liegen.
Thomas Engelbrecht

Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 1.06 MB |
◂ Heft-Navigation ▸