Editorial

Der Gesetzgeber lässt sich geradezu provozieren

1105
Wohnungsverwaltung in Deutschland: Allzu oft muss Justitia vor Gericht Streit zwischen Eigentümern und Verwaltern schlichten. Viele Urteile machen die Arbeit noch komplizierter. Bild: Fotolia/Gina Sanders
Wohnungsverwaltung in Deutschland: Allzu oft muss Justitia vor Gericht Streit zwischen Eigentümern und Verwaltern schlichten. Viele Urteile machen die Arbeit noch komplizierter. Bild: Fotolia/Gina Sanders

Das alte Jahr neigt sich seinem Ende zu. Was wird wohl 2021 bringen? Sehr wahrscheinlich ein anhaltendes politisches und juristisches Tauziehen um neue scharfe Eingriffe des Gesetzgebers in das Miet- und Eigentumsrecht. Gibt es noch Regelungsbedarf? In einem Land mit 20.000 Normen und Vorschriften im Baurecht und einem Mietrecht, das die Beziehungen zwischen Vermieter und Wohnungsmieter weithin austariert? Die durch Corona ausgelöste Wirtschaftskrise und die starken Preissteigerungen in den Immobilienmärkten der schnell wachsenden Ballungsräume provozieren geradezu neue Reaktionen des Gesetzgebers.

Beispiel Umwandlungsverbot: Der Bundesbauminister, die CSU und die SPD streben eine Verschärfung an. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll in Zukunft weiter eingeschränkt werden. Nach dem geplanten Gesetz soll das bisher nur für Milieuschutzgebiete geltende Umwandlungsverbot ausgeweitet werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Landesregierungen für maximal fünf Jahre Gebiete bestimmen können, in denen aus einer Mietwohnung nur dann Eigentum werden darf, wenn die zuständige Behörde vor Ort dies genehmigt. Die Länder sollen ermächtigt werden, das Umwandlungsverbot auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu erstrecken. Dies würde in der Praxis zum Beispiel für Berlin bedeuten, dass das Verbot das ganze Stadtgebiet betreffen wird.

Beispiel „Störung der Geschäftsgrundlage“: Bislang waren nur die Mieter von Wohnungen die Schutzbefohlenen des sozialen Rechtsstaates, während im Gewerberaum-Mietrecht wesentlich weniger geregelt ist. Nun will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Mietrecht ändern. Der Plan: Wegen Corona angeordnete staatliche Beschränkungen von Gewerbebetrieben sollen regelmäßig als „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) gelten. Für Vermieter würde das etwa bedeuten, Miete mindern zu müssen. Eine Naturkatastrophe und die staatlichen Reaktionen darauf würden damit in die Verantwortung von Immobilieneigentümern verschoben, so als läge die Ausbreitung des Virus in der Einflusssphäre der Eigentümer. Damit wären möglicherweise auch die vielen einvernehmlichen Mietkürzungs- und Stundungsabreden zwischen Mietern und Vermietern aus dem Lockdown im Frühjahr null und nichtig.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass für die Verarbeitung von Daten eine Rechtsgrundlage bestehen muss. Eine Einwilligung des Betroffenen kann eine solche Rechtsgrundlage sein. Eine Einwilligung muss dabei konkret sein und insbesondere den...

Wie ungewöhnlich, ja kurios die Situation ist, zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts München, das einem Gewerberaum-Mieter angesichts Corona-bedingter Geschäftsstörungen ein Recht auf Mietkürzung zugestanden hat. Das Landgericht stützte sich in seiner Begründung auf mehr als 100 Jahre alte Urteile des Reichsgerichts aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Damals wehrte sich der Betreiber eines „Restaurantetablissements“ gegen die polizeiliche Einschränkung von Tanzlustbarkeiten. Ein Weinlokal opponierte gegen die Verlängerung der Sperrstunde im Krieg und ein Geschäftslokal in einem Badeort wollte die Rücknahme des von einer Militärbehörde angeordneten Badeverbots. (Ausführliches dazu in der Rechtsprechung KOMPAKT ab Seite 43).

Beispiel Berliner Mietendeckel: Die wohl schärftste Beschneidung der Vertrags- und Eigentumsfreiheit vollzieht sich seit 23. November in Berlin, wo der Mietendeckel seit Februar Mieterhöhungen quasi verbietet. Zusätzlich besteht nun für Eigentümer die Pflicht Mieten zu senken, die um 20 Prozent über den gesetzlichen Höchstgrenzen liegen.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur
AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen1.06 MB

◂ Heft-Navigation ▸

Artikel Der Gesetzgeber lässt sich geradezu provozieren
Seite 3
3.4.2024
Wohnungsbauförderung
Mit einem neuen Förderprogramm will das Bundesbauministerium den Neubau von günstigen Mietwohnungen für Alleinerziehende, Senioren und Studenten besonders in Ballungszentren ankurbeln. Vorgesehen ist...
6.11.2023
Das GEG erlaubt „H2-ready-Gasheizungen“
Das vom Bundestag verabschiedete Gebäudeenergiegesetz erlaubt weiterhin Einbau und Betrieb von Gasheizungen, sofern sich die Geräte auch für die spätere Verbrennung von Wasserstoff eignen. Die...
1.6.2021
Nach BVG-Urteil
Neun junge Menschen, die zum Teil aus der Fridays-for-Future-Bewegung kommen, haben mit ihrer Beschwerdevor dem Bundesverfassungsgericht erreicht, dass die Bundesregierung in viel kürzerer Zeit viel...
4.5.2021
Darauf sollten Verwalter achten
Die Reform des WEG-Rechts verursacht vielen Verwaltern Kopfschmerzen. Zentrale Dinge wie Kostenverteilung und Beschlussfassung wurden geändert, Machtverhältnisse neu justiert. Liegenschaftsbetreuer...
8.11.2023
Balkonkraftwerk gilt ab 2024 als privilegierte Maßnahme
Die Stromerzeugung durch Steckersolargeräte gilt ab 1. Januar 2024 als privilegierte bauliche Veränderung. Die entsprechende Überarbeitung des Wohnungseigentumsgesetzes befindet sich aktuell auf der...