Nachhaltigkeit oder ESG ist wieder ein Megathema in der Immobilienwirtschaft. Doch nicht immer steckt Nachhaltigkeit drin, wo Nachhaltigkeit draufsteht. „Bei manchen ist Nachhaltigkeit ein reines Verkaufsthema“, kritisierte Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, als er kurz vor Weihnachten die Publikation „Wohnungswirtschaftliche branchenspezifische Ergänzung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK)“ vorstellte. Vielfach werde das Thema Nachhaltigkeit strapaziert, ohne wirklich gelebt zu werden, ergänzte Gedaschko und bezeichnete es als „extrem sinnvoll, dass man die Spreu vom Weizen trennt“.
Ein Instrument dafür soll die branchenspezifische Ergänzung sein. Sie baut auf den Kriterien und Leistungsindikatoren auf, die der Rat für Nachhaltige Entwicklung als Leitlinie für Nachhaltigkeitsberichte formuliert hat, und gibt Wohnungsunternehmen jeder Größenordnung Anhaltspunkte an die Hand, wie sie diese Kriterien zu deuten haben. Die Publikation ersetzt die branchenspezifische Ergänzung des Nachhaltigkeitskodex, die der GdW bereits 2014 vorgelegt hat. Damit sei der GdW einmal mehr „Avantgarde“, lobt Werner Schnappauf, Vorsitzender des von der Bundesregierung eingesetzten Rates für Nachhaltige Entwicklung und früherer bayerischer Umweltminister.
Berichterstattung nicht mehr freiwillig
Im Vergleich zu 2014 gibt es einen wesentlichen Unterschied: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist – zumindest für manche Wohnungsunternehmen – nicht mehr freiwillig. Denn am 5. Januar dieses Jahres ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSR-Richtlinie) der Europäischen Union in Kraft getreten, die das EU-Parlament 2022 angenommen hat. Die Richtlinie schreibt vor, dass ab 2025 branchenübergreifend alle Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen müssen, die zwei von drei Kriterien erfüllen: Sie haben mehr als 250 Mitarbeiter, mehr als 40 Millionen Euro Umsatzerlöse oder eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro. Davon sind nach Darstellung des GdW alle großen Wohnungsunternehmen betroffen. Aber auch kleine und mittelgroße Wohnungsunternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand unterliegen der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, wenn die landesrechtlichen Vorschriften, Satzungen oder Gesellschaftsverträge verlangen, dass sie wie große Kapitalgesellschaften zu bilanzieren haben.
Die branchenspezifische Ergänzung, die der GdW gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Großer Wohnungsunternehmen und dem Rat für Nachhaltige Entwicklung erarbeitet hat, soll jedoch auch denjenigen Wohnungsunternehmen als Richtlinie dienen, die nicht zur Vorlage eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind. Ziel sei es, heißt es beim GdW, „die Lücke zwischen freiwilliger und verpflichtender Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schließen“. Die Nachfrage verschiedener Stakeholder nach validen Nachhaltigkeitsinformationen werde deutlich ansteigen, ergänzt Werner Schnappauf vom Rat für Nachhaltige Entwicklung; dafür biete der Deutsche Nachhaltigkeitskodex praktische Hilfestellung.
CO2-Ausstoß wird wichtiger
Konkret orientiert sich der GdW-Leitfaden an den zwanzig Nachhaltigkeitskriterien, die der Rat für Nachhaltige Entwicklung formuliert hat und die nicht nur ökologische, sondern auch soziale und unternehmensbezogene Aspekte der Nachhaltigkeit abdecken. Diese Aspekte reichen von der Tiefe der Wertschöpfungskette über Arbeitnehmerrechte sowie Anreizsysteme für Mitarbeiter bis hin zu ökologischen Themen wie dem Ressourcenmanagement und klimarelevanten Emissionen. Bei diesem letzten Punkt hat sich gegenüber der Fassung von 2014 der größte Unterschied ergeben: Da sich die Messung des CO2-Ausstoßes seither deutlich verbessert habe, seien die spezifischen Indikatoren ausdifferenziert worden, sagt Ingeborg Esser, die als Hauptgeschäftsführerin des GdW die branchenspezifische Ergänzung mit erarbeitet hat.
Wichtig sei aber auch der strategische Ansatz, betont Werner Schappauf: Nachhaltigkeit sei eine „Frage der strategischen Ausrichtung der Unternehmen“ und müsse Chefsache sein. Nachdem die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit von vielen verstanden worden seien, sei es jetzt geboten, die sozialen Themen stärker in den Blick zu nehmen. „Dabei gilt es, die Mieter mitzunehmen“, sagt Schappauf. „Sonst scheitert die Transformation.“
Zum Beispiel Spar- und Bauverein Dortmund
Nach Angaben des GdW haben bisher rund fünfzig GdW-Mitgliedsunternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht auf Grundlage der branchenspezifischen Ergänzung vorgelegt. Zu ihnen gehört die Spar- und Bauverein eG Dortmund, die bereits seit acht Jahren das Instrument des Nachhaltigkeitskodex nutzt. „Die dort vorgegebenen Kategorien sind wichtige Leitlinien, um die Aktivitäten eines Unternehmens im Sinne der Nachhaltigkeit auszurichten und regelmäßig zu überprüfen“, sagt Florian Ebrecht, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Dortmunder Genossenschaft.
In ihrem jüngsten, Anfang 2023 vorgelegten Nachhaltigkeitsbericht verweist die Spar- und Bauverein eG beispielsweise darauf, dass ihre Bestandsmieten um rund ein Drittel unter dem Dortmunder Mietspiegel liegen und dass die Mitglieder von einer Dividende von vier Prozent profitieren. Im ökologischen Bereich nennt die Genossenschaft u.a. die Modernisierung von 414 Heizungsanlagen mit einem Einspareffekt von bis zu 35 Prozent. Zu einer nachhaltigen Unternehmensführung gehörten außerdem Mitbestimmung und sichere Mietverhältnisse.
Damit steht die Dortmunder Genossenschaft nicht alleine da: Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen wirtschafteten seit jeher nach den Grundprinzipien sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung, betont GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Eine nachhaltige, auf Langfristigkeit ausgelegte Unternehmensführung gehört damit zur DNA der Wohnungswirtschaft.“
https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Documents/PDFs/Leit…
Christian Hunziker
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