Verträge sind einzuhalten
Vor der Reform ist nach der Reform. Die Gesetzgebung erscheint als endloser Prozess, entweder weil gesellschaftliche Veränderungen eine Anpassung erfordern oder weil das Parlament Gesetze auf den Weg bringt, die nicht zu Ende gedacht erscheinen und daher mit Inkrafttreten neue Diskussionen auslösen. So ist es mit der jetzt geltenden Steuer auf CO2-Emissionen. Diese Abgabe macht das Heizen mit Gas- und Öl teurer – jedenfalls ein wenig.
Zwanzig Millionen Mieterhaushalte könnten klimapolitisch schon ins Gewicht fallen, nur haben zwanzig Millionen Mieterhaushalte keinen Einfluss auf die Investitionsentscheidungen der Immobilieneigentümer, die über den Einsatz effizienterer Heiztechnik entscheiden.
Während die neue Steuer keine Antwort auf das Eigentümer-Nutzer-Dilemma gibt, diskutieren Teile der Regierung bereits eine soziale Reform des klimapolitischen Gesetzes und verlangen eine Aufteilung der CO2-Steuer auf Vermieter und Mieter. (Bericht S. 7)
Manche Gesetze erscheinen wie eine rein psychologische Bestärkung, sie ändern am juristischen Status Quo eigentlich nichts. So ist es mit der Neuregelung für Gewerbemietverhältnisse, die Anfang Januar in Kraft trat. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist nunmehr die Vermutung festgeschrieben, dass behördlich angeordnete Geschäftsschließungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie regelmäßig eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ darstellen. Damit soll es dem Gewerbemieter erleichtert werden, eine Reduktion der Miete oder gar den Erlass der Miete zu verlangen. Auch eine vorzeitige Kündigung des Mietvertrages durch den Mieter kann eine Anpassung von meist langfristigen Verträgen darstellen. Nach dem auf drei Monate befristeten Kündigungsmoratorium für Wohnungsmieter während des ersten Lockdown im Frühjahr 2020 springt der Gesetzgeber nun also den Mietern von Gewerbeimmobilien bei. Man muss allerdings klar festhalten: Es gilt nach wie vor der strikte Grundsatz im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass Verträge unbedingt einzuhalten sind. Der Gesetzgeber hat kein Recht auf Vertragsänderung, keinen Automatismus für Mietminderungen geschaffen. Eigentlich ist die festgeschriebene Vermutung auf Störung der Geschäftsgrundlage ein Apell: Leute, setzt euch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten an einen Tisch und findet eine gütliche Einigung bis zum Ende der Seuche.
Eine Anpassung bestehender Verträge ist nach wie vor an strenge Voraussetzungen geknüpft, über die im Streitfall die Gerichte zu entscheiden haben. Richter würden nach Beweisen dafür suchen, dass eine Fortsetzung des bestehenden Mietvertrages unzumutbar ist, weil die wirtschaftliche Existenz des Gewerbemieters gefährdet ist.
Sofern die Gesetzesanpassung lediglich die Verhandlungsmoral von Eigentümern und Nutzern stärken sollte, so standen die Tore ohnehin weit offen. Von einer mietrechtlichen Klagewelle ist nichts bekannt. Die Marktteilnehmer haben offensichtlich überwiegend gütliche Einigungen gefunden. Jedenfalls äußerte sich der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) in diesem Sinne. Nach der Durchsicht von 12.000 Gewerbemietverträgen kam der ZIA im Dezember zu dem Ergebnis, dass lediglich in zehn Prozent der Fälle die Vertragsparteien noch keine gütliche Einigung über die Anpassung des Vertrags gefunden hätten. (Bericht S. 10)
Kein Wunder, ist doch in Gewerbeimmobilien viel Kapital institu-tioneller Anleger gebunden, das sich erst über lange Zeit refinanziert. Nichts ist da schädlicher als Leerstand. Hier hat der Markt schneller geregelt als der Gesetzgeber.
Thomas Engelbrecht
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