Wie weit kann KI die Betreuung übernehmen?
Das Berliner Unternehmen Oracom bietet Lösungen für die Bewohnerkommunikation von Hausverwaltungen an. Dabei kommt zunehmend auch eine eigens entwickelte KI zum Einsatz, die sowohl mündlich als auch schriftlich agiert. Mündlich heißt in diesem Fall, dass Bewohner, die mit einer Frage oder einem Problem ihre Hausverwaltung anrufen, zunächst mit einem Voice-Bot sprechen. Die schriftliche Kommunikation erfolgt im Nachgang, wenn das Gespräch zwischen Bewohner und Voice-Bot von der Oracom-KI ausgewertet und in zusammengefasster Form an den entsprechenden Bearbeiter der Hausverwaltung geleitet wird.
Was funktioniert bereits?
Der Einsatz der KI in der Bewohnerkommunikation liegt bei Oracom aktuell bei einem Umfang von etwa 15 Prozent der Gespräche. In diesen Fällen führt ein Voice-Bot die Gespräche vollständig und erteilt dem Anrufer Antworten auf sein Anliegen, ohne dass ein menschlicher Call-Center-Agent involviert ist. Das Gesprächsniveau ist dabei wesentlich höher als etwa bei früheren computergestützten Sprachführungen, die mit standardisierten Abfragen arbeiten: „Sagen Sie eins für technische Probleme, zwei für Fragen zur Abrechnung …“. Der Oracom-Bot verarbeitet zusammenhängende Sätze und antwortet (nach einer kurzen Rechenzeit) ebenfalls in ganzen Sätzen. Grundlage der Interaktion ist ein kontinuierlicher Lernprozess: Je höher die Anzahl der gesammelten Daten (in diesem Fall, die angefragten Themen und unterschiedlichen Formulierungen zu ähnlichen Fragekomplexen), desto besser wird die KI. Der aktuelle Stand des Bots lässt sich mittels Oracom-Testhotline auch von Anrufern außerhalb des bereits bestehenden Kundenstamms nachvollziehen; unter 030 257705705 kann man ein Gespräch mit dem Voice-Bot zu allen Fragen der Betriebskostenabrechnung führen. In der Praxis kommt der Voice-Bot bereits regelmäßig zum Einsatz, um Bewohnern bei einfachen Fragen zu helfen, etwa wenn es darum geht, bei der Hausverwaltung verschiedene Formulare anzufragen.
Menschliche Betreuung bleibt wichtig
Die Ursprünge des Unternehmens Oracom liegen in der telefonischen Mieterbetreuung durch qualifizierte Call-Center-Agenten. Die persönliche Betreuung durch einen Menschen bleibt auch weiterhin wichtig – etwa, wenn die KI-gestützte Kommunikation an ihre Grenzen kommt und ein geschulter Oracom-Mitarbeiter das Gespräch übernimmt. Dies ist auch abhängig von den Kundenwünschen. Einige Hausverwaltungen und Eigentümer setzen weiterhin auf eine komplett persönliche telefonische Betreuung und engagieren das Oracom-Call-Center ohne KI-Unterstützung. Andere Hausverwaltungen sind dem Thema gegenüber offener und nutzen das KI-Angebot von Oracom.
Im Bereich der Notfallkommunikation bietet Oracom einen smarten Anrufbeantworter an. Mit diesem Service steht den Bewohnern im Notfall rund um die Uhr eine Kontaktstelle zur Verfügung. Der KI-gestützte Teil des Anrufbeantworters kommt zum Tragen, nachdem der Anrufer sein Problem auf die Mailbox gesprochen hat. Dann wertet die Künstliche Intelligenz den Anruf aus, filtert nach relevanten Inhalten, fasst diese schriftlich zusammen und leitet das Anliegen an den zuständigen Mitarbeiter der Hausverwaltung weiter. Somit ist der Problemfall in komprimierter Form erfasst und kann schnell gelöst werden. Künftig soll dieser Service noch einen Schritt weitergehen und die KI im Anschluss an den Anruf selbstständig den Handwerker suchen und beauftragen. Wenn dieser Entwicklungsprozess abgeschlossen ist, steht den Bewohnern eine wirkliche 24/7-Hilfe für Notsituationen zur Verfügung, die unabhängig von Bürozeiten erreichbar ist und sofort helfen kann.
Wie hoch ist die Akzeptanz für Roboter?
Mit der Weiterentwicklung der KI-Anwendungen steigt deren Problemlösefähigkeit und damit auch die Akzeptanz der Anrufer gegenüber nicht-menschlichen Kommunikatoren. Die Bewohner sind nach Erfahrungen von Oracom viel weniger an einer persönlichen Betreuung interessiert, als man annehmen könnte. Im Mittelpunkt steht für sie vor allem die zügige Bearbeitung ihres Anliegens sowie eine zufriedenstellende Lösung des Problems. Hausverwaltungen fürchten die Implementierung KI-gestützter Kommunikationslösungen mitunter, da sie den Eindruck vermeiden wollen, die Anliegen der Bewohner an einen Bot abzuschieben und so eine qualitativ minderwertige Betreuung zu bieten. Dabei entfällt ein Großteil der Arbeitszeit in Hausverwaltungen darauf, die Anfragen von Bewohnern aufzunehmen – also die klassische Telefonarbeit. Mitarbeiter, die auf diese Weise zeitlich gebunden sind, können sich nicht der Bearbeitung der eigentlichen Anliegen widmen. Hierin liegt das große Effizienzsteigerungspotenzial der Oracom-KI. Wenn die Bewohneranliegen strukturiert aufgenommen und dem verantwortlichen Mitarbeiter in der Hausverwaltung in komprimierter Form zugestellt werden, sinkt die Bearbeitungszeit erheblich.
Die Qualität der KI-gestützten Gespräche verbessert sich von Woche zu Woche. Dabei profitiert das System von der wachsenden Datenmenge. Inzwischen hat Oracom rund 700 Anlässe von Bewohneranrufen katalogisiert und für den Voice-Bot aufbereitet. In diesen Fällen kann der Bot die eingehenden Anrufe oftmals schon komplett selbständig bearbeiten, ohne dass ein menschlicher Agent eingreifen muss. Diese Entwicklung wird fortgeführt, um die Fähigkeit der Echtzeit-Analyse zu verbessern und den Bot immer mehr zu befähigen, im Gespräch Probleme zu identifizieren und zu verarbeiten.
Was waren die größten Hürden im Entwicklungsprozess?
Die weitere Entwicklung der KI und die Verbesserung des Nutzererlebnisses hängen stark von der verfügbaren Rechenleistung ab. Aktuell macht der Oracom-Bot noch nach jeder Frage des Anrufers eine Pause, um die gesprochenen Informationen zu verarbeiten. Diese Pause irritiert den Anrufer mitunter und stört den Gesprächsfluss. Indem die Rechenprozesse kontinuierlich verschlankt werden und zugleich die Rechenleistung stetig erhöht wird, verliert diese Hürde an Relevanz.
Andreas Tutsche
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