Wenn Gewerberäume für Streit sorgen

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Bild: weerachai/stock.adobe.com
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Die Gewerbenutzung von Immobilien verläuft in der Regel unproblematisch. Das Café im Parterre, der Friseursalon um die Ecke und das Büro im Obergeschoss arrangieren sich meist mit den Menschen, die im selben Haus oder in der Umgebung wohnen. Doch ganz zu vermeiden ist der Streit dann auch wieder nicht. Hier eine Zusammenstellung von Gerichtsurteilen zum Thema Gewerbe.

Für gewerbliche Mieter ist häufig der Umzug ein Problem, denn ein Teil der Kundschaft weiß plötzlich nicht mehr, wo die vertraute Firma zu finden ist. Gerne wird deswegen ein Hinweisschild mit der neuen Geschäftsadresse an Hauswand oder Ladentüre angebracht. Das Amtsgericht Hamburg (Urteil vom 18.03.2019; Az.: 44 C 275/18) entschied allerdings, dass ein gewerblicher Mieter keinen rechtlichen Anspruch auf solch einen Hinweis habe. Zumindest dann nicht, wenn vertraglich jegliche Außenwerbung nach dem Ende der Geschäftsbeziehung ausgeschlossen wurde.

Immer wieder nutzen Mieter ihre Privatadresse gleichzeitig als Geschäftsadresse. Doch dabei sollten sie vorsichtig sein. Denn es kann sich bei diesem Vorgehen um ein vertragswidriges Verhalten wegen unerlaubter gewerblicher Nutzung einer zu Wohnzwecken vermieteten Immobilie handeln, das eine Kündigung rechtfertigt. Der Mieter eines Einfamilienhauses gab im Kontakt mit Gewerbeamt und Kunden diese Adresse an. Er entschuldigte sich damit, dass dadurch ja schließlich keine Störung entstanden sei. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 31.07.2013; Az.: VIII ZR 149/13) betrachtete Letzteres in einem Grundsatzurteil als unerheblich und hielt eine ordentliche Kündigung für möglich.

Gewerbe ist nicht gleich Gewerbe. Darum ging es in einem Prozess vor dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 25.10.2019; Az.: V ZR 271/18). Für eine Teileigentumseinheit war die Nutzung als „Laden“ ausgewiesen, doch tatsächlich richtete man dort eine Eisdiele mit Bestuhlung und Tischen ein. Nach Einschätzung des Gerichts konnte das untersagt werden, denn das entsprach eher einer gaststättenartigen Nutzung, zumal auch noch Speisekarten ausgelegt waren.

Die Betreiber einer Ballettschule fanden heraus, dass nach zwischenzeitlichen Umbauarbeiten die für sie nutzbare Fläche um zehn Quadratmeter kleiner war als im Vertrag angegeben. Sie machten eine Mietminderung um zehn Prozent geltend – unter anderem mit der Begründung, auf der fehlenden Fläche hätten vier zusätzliche Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden können. In zwei Instanzen wurde die Klage abgewiesen, weil eine Flächenabweichung von weniger als zehn Prozent noch keine Mietminderung rechtfertige. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 25.11.2020; Az.: XII ZR 40/19) bestätigte dies im konkreten Fall. Die Balletschule habe nicht ausreichend dargelegt, dass die Tauglichkeit der Mietsache hier tatsächlich eingeschränkt worden sei.

Nicht immer klappt die Gewerbenutzung wie geplant. Ein Unternehmer hatte auf fünf Jahre Räume eigens dafür angemietet, um darin eine Spielhalle zu betreiben. Später stellte sich heraus, dass eine behördliche Genehmigung dieser Nutzung nicht möglich war, ohne dies vorhersehen zu können. Gerichtlich konnte nicht mehr dagegen vorgegangen werden. Nach Überzeugung des Kammergerichts Berlin (Urteil vom 14.07.2014; Az.: 8 U 140/13) entfiel angesichts dieser Sachlage die Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag.

Wenn der Zugang der Kunden zu gemieteten Gewerbeflächen beeinträchtigt ist, rechtfertigt das eine fristlose Kündigung. Allerdings muss die Beeinträchtigung nach der Überzeugung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 28.10.2020; Az.: 7 U 6561/19) erheblich sein. Konkret führte der Weg in den Laden wegen länger andauernder Umbauarbeiten über ein Fluchttreppenhaus, auch danach war der frühere Zugang nicht mehr uneingeschränkt vorhanden. Der Gewerbetreibende machte Umsatzverluste von bis zu 20 Prozent geltend.

Sieht die Teilungserklärung eine strikte räumliche Trennung von Wohnen und Gewerbe innerhalb bestimmter Bereiche der Anlage vor, dann müssen sich die Eigentümer auch daran halten. In einem konkreten Fall wurde eine bisherige Zahnarztpraxis trotzdem in Wohnraum umgewandelt. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.07.2022; Az.: V ZR 127/21)stellte fest, dass erfahrungsgemäß („bei typisierender Betrachtungsweise“) die in der Teilungserklärung nicht vorgesehene Nutzungsart mehr störe als die vorgesehene. Deswegen sei die Umwandlung der Praxis in eine Wohnung nicht möglich.

Nicht nur bei einem Wohnobjekt, sondern auch bei einer gewerblich genutzten Immobilie kann übermäßige Lärmbelastung zu einer Mietminderung berechtigen. Die Betreiber eines Thai-Massagesalons fühlten sich durch eine unmittelbar daneben liegende, nur durch eine Mauer getrennte Baustelle erheblich gestört. Lärm und Erschütterungen waren deutlich zu spüren. Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 17.09.2020; Az.: 8 U 1006/20) hielt eine Mietminderung in Höhe von 20 Prozent für angemessen.

Quelle für alle Urteile: LBS Infodienst Recht & Steuern

Redaktion (allg.)

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