Problemfall Wohngemeinschaft

Die Zeiten als WG’s als Lebensformen verkappter Anarchisten suspekt waren, sind lange vorbei. An die Stelle des ideologischen Hintergrunds sind vorzugsweise Kostenerwägungen getreten. Eine WG ist eine praktische Lösung für alle, die Mietkosten sparen wollen.

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Aber auch andere Gründe lassen diese Wohn- und Lebensform verlockend erscheinen: Überwindung der Vereinsamung, Unterstützung bei Hilfsbedürftigkeit, ein anderes soziales Umfeld.
So verwundert es nicht, dass die WG zunehmend für ältere Menschen zu einer neuen Form gesellschaftlichen Zusammenlebens wird. Besonders beliebt sind Mehr-Generationen-WG’s. Auch Studenten und Auszubildende, die fern von ihrem Heimatort leben, schätzen das Zusammenleben in einer WG.

Als WG wird das Zusammenleben von drei und mehr Personen in einer Wohnung bezeichnet. In der Regel haben die WG-Bewohner je ein eigenes Zimmer; Räume wie Küche, Bad und häufig auch Wohnzimmer werden gemeinschaftlich genutzt. Die Mietkosten werden entsprechend geteilt.
Nicht unter den Begriff der WG fallen Eheleute, eingetragene Lebenspartner, nicht eingetragene Lebensgemeinschaften, die Aufnahme eines Familienmitglieds oder kurzfristiger (bis etwa acht Wochen) Besuch. Die Unterscheidung ist im Rahmen sozialrechtlicher Ansprüche von Bedeutung.

Gestaltung des Mietvertrags
Die WG birgt viele rechtliche Probleme und Fallen, die vor Einzug vom Vermieter und von den Mietern ausgelotet werden sollten, damit Streitigkeiten möglichst vermieden werden. Die Probleme beginnen mit der Gestaltung des Mietvertrags. Es genügt nicht, einfach eine große Wohnung zu suchen und dort mit Bekannten oder Freunden einzuziehen.
Die WG und ihre rechtlichen Aspekte sind nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt. Deshalb sind verschiedene zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten des Mietvertrags denkbar, die unterschiedliche Vor- und Nachteile für Vermieter und Mieter haben. Streitpunkte sind hier häufig die Haftung der Vertragsparteien und die Begleitumstände eines Mieterwechsels. Grundsätzlich sind drei Vertragsformen einer WG denkbar.

1. Ein Hauptmieter – mehrere Untermieter (einer für alle):
Bei dieser Vertragsform schließt nur ein WG-Teilnehmer den Mietvertrag mit dem Vermieter ab. Er lässt sich vom Vermieter genehmigen, dass er seinerseits als Hauptmieter die Räume an die anderen WG-Teilnehmer untervermieten darf und schließt mit diesen einzelne Untermietverträge ab, die durchaus nicht einheitlich sein müssen.

Vorteile für den Vermieter: Er hat nur mit einem Vertragspartner, dem Hauptmieter, zu tun und steht zu den Untermietern in keiner vertraglichen Beziehung. Um die Wohnung frei zu bekommen, muss er nur dem Hauptmieter kündigen.

Nachteil für den Vermieter: Auch wegen der Mietzahlung kann er sich nur an den Hauptmieter halten. Wenn dieser ausfällt, kann er gegen die Untermieter nicht vorgehen.

Vorteile für die Mieter: Der Hauptmieter entscheidet allein – allerdings mit Zustimmung des Vermieters – über Aufnahme und Kündigung von WG-Bewohnern. Er kann mit ihnen unterschiedliche Untermietverträge abschließen. Ein WG-Bewohner, der z.B. Hartz IV-Empfänger ist, muss sich nicht das Einkommen eines anderen Bewohners anrechnen lassen, da es sich bei dieser Vertragsform nicht um eine Haushaltsgemeinschaft handelt.

Nachteile für die Mieter: Ein einzelner von ihnen kann nicht kündigen. Ohne Zustimmung des Vermieters kann kein neuer Bewohner aufgenommen werden. Um diese Nachteile zu vermeiden, kann, wenn der Vermieter zustimmt, im Mietvertrag eine Klausel aufgenommen werden, dass der Hauptmieter berechtigt ist, die WG-Mitglieder auszutauschen , ohne dass es der Zustimmung des Vermieters bedarf. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob der Vermieter zustimmen wird. Er hätte dann nämlich keinen Überblick, wer in seinem Mietobjekt wohnt. Im Extremfalle könnte sogar der Hauptmieter ausgezogen sein oder es könnte die Wohnung leer stehen.

2. Ein Mietvertrag mit allen WG-Bewohnern (alle gemeinsam):
Wenn die WG-Bewohner gemeinsam einen einzigen Mietvertrag mit dem Vermieter abschließen, haften sie für die Miete und die übrigen Mieterpflichten als Gesamtschuldner und sind allesamt Hauptmieter mit den gleichen Rechten und Pflichten.

Vorteil für den Vermieter: Für die gesamte Mietforderung oder für Schäden an der Mietsache kann er jeden WG-Bewohner nach Wahl in Anspruch nehmen.

Nachteil für den Vermieter: Er kann nur allen Vertragspartnern zusammen kündigen. Weigert sich ein Mitglied, müssen die anderen notfalls dessen Kündigungserklärung einklagen.

Vorteil für die Mieter: Sie sind vor einer Kündigung relativ sicher.

Nachteil für die Mieter: Wenn einzelne Mitglieder ausscheiden wollen, muss die Gesamtheit der Mieter den Vermieter um Entlassung des ausscheidungswilligen Mitglieds aus dem Vertrag bitten. Das gleiche gilt entsprechend, wenn ein neues Mitglied in die WG aufgenommen werden soll.
Bisweilen gibt ein Vermieter seine vertragliche Zustimmung zur Mietrotation, ohne dass das mit der Gesamtheit der Mieter vertraglich neu geregelt werden muss. Das erleichtert und vereinfacht das Mietverhältnis, birgt für den Vermieter aber auch eine Gefahr: Er hat keine Übersicht mehr über die Teilnehmer der WG. Es kann geschehen, dass der finanzstärkste Mieter, an den er sich bei Vertragsverletzungen oder wegen der Mietforderung ggfs. schadlos halten könnte, schon gar nicht mehr in der Wohnung lebt. Deshalb sollte er vereinbaren, dass ihm ein Wechsel von Mitgliedern der WG in jedem Falle mitgeteilt wird.

3. Einzelmietverträge mit allen Mietern (jeder allein):
Die dritte Variante einer Vertragsgestaltung mit einer WG besteht darin, dass der Vermieter mit allen WG-Bewohnern Einzelmietverträge schließt über deren jeweiliges Einzelzimmer und die anteilige Nutzung der Gemeinschaftsräume.

Vorteil für den Vermieter: Die Mietverhältnisse können flexibel gekündigt oder geändert werden, weil sie unabhängig voneinander bestehen. Das erfahrungsgemäß schwierige Problem der Schönheitsreparatur kann durch einen gemeinsamen Fonds gelöst werden, in den alle Bewohner einzahlen.

Nachteil für den Vermieter: Die Tatsache, dass jeder Mieter für sich selbst haftet, kann für den Vermieter recht aufwendig sein, weswegen diese Vertragskonstruktion wegen der größeren Vertragsanzahl und des Verwaltungsaufwands eher selten ist.

Um einen Mieter aus seiner Wohnung rauszubekommen, bedarf es eines Räumungstitels (Urteil, in dem der Mieter zur Räumung der Wohnung verpflichtet wird). Die Räumung darf der Vermieter jedoch nicht selbst durchführen, sondern benötigt dazu die Mitwirkung eines...

Vorteil für die Mieter: Die WG-Bewohner profitieren davon, dass jeder nur für seine eigene Mietzahlung haftet.

Nachteil für die Mieter: Weil die Einzelmietverträge meist schon verbindliche Vorgaben enthalten, können sie die Nutzung der Gesamtwohnung untereinander nicht flexibel gestalten (z.B. Zimmertausch u.ä.).

Regelungen im Mietvertrag
Wenn die Variante des Mietvertrags mit der WG ausgehandelt und festgelegt ist, müssen noch die wichtigsten Regelungen vereinbart werden, die im Interesse beider Parteien im Mietvertrag verankert werden sollten. Wenn sich die Parteien nämlich nicht miteinander abstimmen, kann es schnell zu Streitigkeiten kommen, die nicht selten gerichtlich ausgetragen werden.

In diesem Sinne sollten folgende Fragen geklärt werden:

  • Soll eine gestaffelte Mietanpassung erfolgen?
  • Ist die vermietete Wohnung (teil-)möbliert? Welche Möbel und Einrichtungsgegenstände?
  • Sollen die Betriebskosten pauschal und/oder per Vorauszahlung entrichtet werden?
  • Sind die Bestimmungen der Heizkostenverordnung zu beachten?
  • Soll eine bestimmte Vertragsdauer vereinbart werden?
  • Soll die Kündigung für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen werden?
  • Soll ein Mieterwechsel der Zustimmung des Vermieters bedürfen?
  • Sollen die Mieter eine Kaution hinterlegen? In bar? Als Bankbürgschaft?
  • Sollen die Mieter bestimmte Verkehrssicherungspflichten tragen? (z.B. Räum- und Streupflicht, Treppenhaus- und/oder Gehwegreinigung)
  • Sollen die Mieter Schönheitsreparaturen selbst übernehmen?
  • Soll die Hausordnung Bestandteil des Mietvertrags sein?
  • Wie ist bei Mieterwechsel zu verfahren?

Im Innenverhältnis bilden die an einer WG beteiligten Mitmieter aus juristischer Sicht eine BGB-Gesellschaft, was ihnen meist gar nicht bewusst sein dürfte. Der entsprechende Gesellschaftsvertrag, der meist nur konkludent (d.h. schlüssig ohne entsprechende Willensäußerung) geschlossen ist, regelt die Rechte und Pflichten der WG-Bewohner untereinander (z.B. Verteilung der Mietkosten, Hausordnung, Putzplan, Nutzung Kühlschrank, Waschmaschine u.ä.).

Einschlägige Gerichtsurteile
Wegen der unterschiedlichen Interessen von Vermieter und Mietern der WG und weil wichtige Aspekte nicht vertraglich geregelt wurden, kommt es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, über die Gerichte entscheiden müssen. Im Folgenden einige einschlägige Urteile:
Nach einem Urteil des Amtsgerichts Paderborn haften die Bewohner einer WG für die Mietzahlung als Gesamtschuldner Der Vermieter kann sich wegen der Miete an einzelne WG-Bewohner wenden. Der in Anspruch genommene Mieter hat einen Ausgleichsanspruch gegen seine Mitmieter.

AG Paderborn
Az. 51 C 28/99
Das Oberlandesgericht Hamm hatte darüber zu entscheiden, ob die Miete der als Klägerin auftretenden WG unangemessen hoch war. Tenor des Urteils: Beim Vergleich der ortsüblichen Mieten darf kein Zuschlag erfolgen, nur weil an eine WG vermietet wird.

OLG Hamm
vom 3.03.1983
Az. 4 REMiet 9/82)
Der Bundesgerichtshof nahm zum berechtigten Interesse eines Mieters an der Untervermietung zwecks WG-Gründung Stellung und legte dar, dass ein solches Interesse bereits dann vorliegt und mithin die Zustimmung des Vermieters verlangt werden kann, wenn er aus persönlichen Gründen eine dauerhafte WG mit Dritten bilden möchte. Der Vermieter kann nur dann widersprechen, wenn die vermietete Wohnung durch die WG überbelegt wäre und der Untermieter für ihn unzumutbar wäre.

BGH Karlsruhe
Beschluss vom 3.10.1984
Az. VIII ARZ 2/84
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stellte fest, dass im Rahmen sozialrechtlicher Ansprüche die zuständige Behörde nachweisen muss, ob es sich bei der WG um eine bloße Wohngemeinschaft oder eine Lebensgemeinschaft handelt.
LSG Baden-Württemberg
Beschluss vom 31.01.2006
Az. L 7 AS 108/06

Fazit
Vor oder nach Abschluss des Mietvertrags mit der WG können Probleme und Unklarheiten auftreten, die sich ohne fachliche Beratung nicht klären lassen - zwei Beispiele:

Mietschulden eines WG-Mitglieds (Lehrling oder Student) lassen sich dadurch absichern, dass der Vermieter von den Eltern des Mieters eine selbstschuldnerische Bürgschaft verlangt. Hier sollte ein Anwalt beratend tätig werden.

Um die Mietkaution entsteht häufig Streit. Kündigt der Hauptmieter den Mietvertrag, dann zahlt der Vermieter die Kaution an ihn aus. Untermieter, die vielleicht an der Kaution beteiligt waren, gehen möglicher Weise leer aus. Wenn alle Mieter im Mietvertrag stehen und einer auszieht, muss der Vermieter die Kaution nicht auszahlen. Hier hat der ausziehende Mieter ggfs. Probleme, an seine anteilige Kaution zu kommen.

Weiterführende Links:
http://www.e.com

Redaktion (allg.)

Pixabay/ Mohamed_hassan

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