Mietwohnungsmarkt attraktiv für Investoren

Niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland ist kein Skandal

Die im internationalen Vergleich geringe Wohneigentumsquote in Deutschland gilt Immobilienmarkt-Experten gemeinhin als Nachteil, insbesondere im Hinblick auf die Altersvorsorge. Ein Analyst von Colliers nimmt eine andere Perspektive ein: Das strenge deutsche Mietrecht schaffe Sicherheit und Transparenz und erhöhe damit die Attraktivität des Marktes für Investoren.

Knapp die Hälfte der Bürger in Deutschland verfügt über Wohneigentum. In den meisten Ländern Europas ist diese Quote viel höher. Foto: Adobestock/Tiberius Gracchus
Knapp die Hälfte der Bürger in Deutschland verfügt über Wohneigentum. In den meisten Ländern Europas ist diese Quote viel höher. Foto: Adobestock/Tiberius Gracchus

„Ein guter Mieterschutz ist die Basis für den stabilen Wohnmarkt in Deutschland. Der deutsche Markt bietet in Summe beides: Planbarkeit für Mieter und für Investoren“, sagt Felix von Saucken, Head of Residential bei Colliers in Deutschland. Colliers ist ein international tätiges Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen der Immobilienwirtschaft. Insgesamt verschaffe die hohe Mietquote dem Wohnmarkt in Deutschland einen Sonderstatus, der ihn für nationale und internationale Investoren besonders attraktiv mache. Einerseits seien Mieter durch ein ausgewogenes Mietrecht und einen transparenten Mietspiegel vor Willkür der Eigentümer geschützt, andererseits verfügten die Eigentümer über wirtschaftlich vertretbare Hebel zur kontinuierlichen Mietsteigerung.

Eigentumsquote in Deutschland 22 Prozent unter dem EU-Durchschnitt

Analyst von Saucken trifft diese Einschätzung vor dem Hintergrund der Eigentumsstatistik von Eurostat. Danach liegt die Quote von Deutschen, die in ihrem Heimatland über Wohneigentum verfügen, bei 47 Prozent. Das sind satte 22 Prozent weniger als der Durchschnitt aller EU-Staaten. Unter den Kommentatoren des deutschen Wohnmarktes sei es üblich, die hohe Mietquote von 53 Prozent als gesellschaftlichen Nachteil zu brandmarken, weil die Schaffung von Wohneigentum noch immer als sicherste Form der Altersvorsorge gilt.

Andere Bevölkerungsdichte im östlichen Europa

In Ländern des östlichen Europas beispielsweise ist die Wohneigentumsquote deutlich höher als in Deutschland. Rumänien liegt mit einer Quote von 94,8 Prozent im europäischen Vergleich an der Spitze, gefolgt von der Slowakei, Serbien, Kroatien, Montenegro und Ungarn, die alle eine Wohneigentumsquote von über 90 Prozent aufweisen. „In eher ländlich geprägten Regionen liegt die Wohneigentumsquote per se höher als in eher städtisch geprägten Regionen. Rumänien hat 86 Einwohner pro Quadratkilometer, in Deutschland sind es 234. Außerdem bringen die hohen Eigentumsquoten in den östlichen Ländern auch gesellschaftliche Nachteile mit sich. Vor allem junge Menschen sind in ihrer Mobilität deutlich eingeschränkter als in Deutschland, weil es in den Städten kaum Mietangebot gibt. Insofern lässt sich die hohe soziale Mobilität in Deutschland durch einen lebendigen Mietmarkt auch als Vorteil deuten, um etwa eine gute Ausbildung zu machen oder die Karrierechancen durch einen vereinfachten Jobwechsel zu steigern“, erläutert von Saucken.

Eigentumswohnungen in Polen deutlich kleiner

Als vorbildliches Beispiel zur Altersvorsorge durch Immobilieninvestments werde häufig Polen genannt. Hier liegt die Wohneigentumsquote bei 87 Prozent. Im Vergleich zu Deutschland fällt einerseits auf, dass die Erwerbskosten für Wohneigentum in Polen deutlich niedriger sind und dass auf dem polnischen Markt vor allem Ein- bis Zweizimmerwohnungen produziert werden, um die Nachfrage zu bedienen. Dadurch verfügen die polnischen Wohnungen im Durchschnitt über 19 Quadratmeter weniger pro Person als die Wohnungen am deutschen Markt. „Polen ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie stark der Gedanke an Altersvorsorge durch Wohneigentum gesellschaftlich verankert ist und wie früh sich junge Menschen bereits mit der Erwerbsfrage beschäftigen. Trotzdem halte ich es für fraglich, ob sich die deutschen Nutzer von Wohnungen mit den polnischen Standards anfreunden könnten oder den kleineren Wohnraum nicht vielmehr als Abwertung ihres Lebensstils empfänden“, kommentiert von Saucken.

Andere Finanzierungsbedingungen in Spanien

Auch die Länder des südlichen Europas weisen eine deutlich höhere Wohneigentumsquote auf als Deutschland. In Portugal liegt sie bei 78 Prozent, in Spanien bei 76 Prozent und in Italien bei 74 Prozent. Damit ein Vergleich zu Deutschland möglich ist, lohnt sich hier ebenfalls ein genauerer Blick auf die Marktstrukturen. In Spanien beispielsweise haben Banken andere Standards zur Finanzierung von Wohneigentum als in Deutschland. Während deutsche Banken zum Teil auf bis zu 30 Prozent Eigenkapital der Käufer bestehen, um eine Finanzierung zu ermöglichen, sind die Finanzierungskonditionen in Spanien weniger restriktiv gehandhabt. In Zeiten der lockeren Geldpolitik war es in Spanien keine Seltenheit, einen Wohnungskauf zu 100 Prozent mit einem Bankdarlehen zu finanzieren. Zudem war der Bau bezahlbarer Wohnungen in Spanien lange Zeit politisch stark gefördert, was bis heute in diversen Regionen zu massiven Leerständen in Folge des demografischen Wandels führt. „Die sorgfältige Finanzierungsprüfung deutscher Banken bei Wohninvestments hat unter anderem dazu geführt, dass Deutschland besser durch die Finanzkrise von 2008 gekommen ist als andere europäische Staaten. Daher sollten wir hier von den hohen deutschen Standards auch nicht abweichen, um Kreditausfallrisiken weiterhin niedrig zu halten und den Finanzmarkt zu stabilisieren“, sagt Felix von Saucken.

Hohe deutsche Mietquote als attraktiver Marktfaktor

Insgesamt verschafft die hohe Mietquote dem Wohnmarkt in Deutschland einen Sonderstatus, der ihn für nationale und internationale Investoren besonders attraktiv macht. „Trotz geringerer Eigentumsquoten“, so von Saucken weiter, „müssen wir daher den Vergleich zu anderen europäischen Ländern nicht scheuen. Auf diesen Sonderstatus in Europa dürfen wir auch ein Stückweit stolz sein.“ Das Ziel, die Eigentumsquote in Deutschland durch eine bessere Finanzbildung bei jungen Menschen zu steigern, lasse sich mit diesem Sonderstatus ohne Weiteres vereinen, bilanziert von Saucken. (Red.)

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