Smart Meter doch nicht so schlau?
Studie stellt gravierende Abweichungen fest
Auslöser für die Untersuchung von Professor Frank Leferink und seinem Team waren Beschwerden von niederländischen Verbrauchern, die nach dem Zähleraustausch einen zu hohen Stromverbrauch bemerkten und in Folge dessen zu hohe Stromabrechnung erhielten. Daraufhin haben die Forscher neun handelsübliche Smart Meter der Hersteller Echelon, Enermet, Iskra und Landis + Gyr untersucht und festgestellt, dass es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, je nachdem, welche Sensortechnik zur Strommessung eingesetzt wird. So messen Smart Meter mit sogenannten Rogowski-Spulen einen bis zu 582 % zu hohen Stromverbrauch. Geräte mit Hall-Sensoren hingegen messen um bis zu 46 % zu niedrige Werte. Als Fehlerquelle sehen die Wissenschaftler moderne Verbrauchsgeräte, deren Elektronik Störungen im Stromkreis verursachen kann. Gerade bei stark schwankendem Verbrauch, wie etwa durch dimmbare LED- und Energiesparlampen, waren die gemessenen Abweichungen besonders hoch. Niederländischen Kunden mit Smart Meter, die Messfehler befürchten, raten die Forscher, sich mit ihrem Stromversorger in Verbindung zu setzen.
Smart Meter unterliegen dem Mess- und Eichrecht
Und in Deutschland? Hier unterliegen Smart Meter dem Mess- und Eichrecht. Hiernach dürfen Messgeräte grundsätzlich nur dann im geschäftlichen und amtlichen Verkehr verwendet werden, wenn sie nach §§ 31 und 37 Mess- und Eichgesetz (MessEG) geeicht sind. Zuständig dafür ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Diese hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in 2014 ein für Hersteller von Smart Meter verbindliches Mess- und Sicherheitskonzept entwickelt, dargelegt in PTB-Mitteilung 3/2015. Das zielt in einer Linie jedoch auf die sichere Integration von Smart Meter in intelligente Stromnetze (Smart Grids) ab, nicht auf die zum Einsatz kommende Sensortechnik. In den nächsten Tagen will sich die PTB dazu äußern.
Wohnungsunternehmen in der Pflicht
Brisant ist die Studie allemal, unter Umständen auch für Wohnungsunternehmen. Denn das seit Januar 2015 geltenden neuen Mess- und Eichrecht nimmt auch Messwerteverwender in die Pflicht, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten darüber zu vergewissern, dass die Messgeräte, mit denen die Messwerte bestimmt werden, den gesetzlichen Anforderungen genügen und sich vom Messgeräteverwender die Erfüllung der eichgesetzlichen Anforderungen von Messgeräten bestätigen zu lassen. Neben Verteilungsnetzbetreibern, Energieversorgern und Messdienstleistern könnten davon auch Vermieter betroffen sein, sofern sie die gemessenen Stromverbräuche als Basis für Abrechnungen verwenden. Etwa im Fall von Aktivhäusern, die selbst Strom produzieren und speichern und deren Wohnungen mit einem fixen Kontingent an Kilowattstunden Strom vermietet werden. Kommt es hier zu fehlerhaften Messergebnissen, ist das Malheur groß. Wer will wem was nachweisen?
Da Wohngebäude immer mehr wie Kraftwerke funktionieren, die Strom erzeugen, speichern und variabel nutzbar machen, ist ein transparentes Energiemanagement und ein verlässliches Abrechnungssystem unabdingbar. In diesem Zusammenhang sind Smart Meter ein elementarer Baustein, weshalb Aufklärung jetzt dringend erforderlich ist.
[Update] Mittlerweile hat die PTA Stellung zum Sachverhalt genommen
Nachdem die Studie der niederländischen Universität Twente über fehlerhafte Messungen von Smart Meter in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt hat, äußert sich nun die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTA) zu den Ergebnissen: Demnach sind in Deutschland bereits in 2007 elektronische Zähler auffällig geworden, die in bestimmten Betriebssituationen messtechnische Probleme zeigten. Daraufhin haben PTA und Eichbehörden gemeinsam mit den Herstellern Lösungen zur Vermeidung von Messfehlern erarbeitet und umgesetzt. So sind die Prüfanforderungen für Stromzähler um weitere Grenzwerte ergänzt worden, die zuvor fehlten.
Zudem sind die zuständigen Zulassungs- und Überwachungsbehörden seit 2010 für die Thematik sensibilisiert und richten ihr Handeln darauf hin aus. Zudem haben die bei der EU zuständigen Konformitätsbewertungsstellen, Gremien und Überwachungsorganisationen nach Bekanntwerden der Probleme mit einer Normungslücke zwischen 2007 und 2010 entsprechende Maßnahmen ergriffen, um fehlerhafte Messungen auszuschließen. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die in Deutschland vorgesehenen Smart Meter die gesetzlich vorgegebenen Grenzen nicht überschreiten.
Dennoch nimmt die PTA die Ergebnisse der Universität Twente ernst und hat deshalb die Hersteller, denen sie seit 2010 eine Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt hat, um Stellungnahme gebeten. Trotzdem bestünde kein Hinderungsgrund für die planmäßige Einführung von modernen und intelligenten Messsystemen, so die Bundesanstalt. Zunächst müssten weitere Einzelheiten der Universität Twente über die Gültigkeit der dort angewendeten Messverfahren abgewartet werden. Erst danach könne entschieden werden, ob die Anforderungen weiter verschärft werden müssen, um fehlerhafte Messungen auszuschließen.
Autorin: Dagmar Hotze