Landschaftsplanung ist Teil der neuen Urbanität

Stadtgrün in neuer Dimension

In unseren wachsenden Städten gerät das Grün unter Druck. Neue Ideen für die urbane Freiraumplanung sind gefragt. Die Titelgeschichte in der Mai-Ausgabe des Fachmagazins IVV beschreibt ungewöhnliche Projekte und Ideen.

Der Hochbunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld soll demnächst üppiges Grün tragen. Foto: Planungsbüro Bunker, Hamburg
Der Hochbunker auf dem Hamburger Heiligengeistfeld soll demnächst üppiges Grün tragen. Foto: Planungsbüro Bunker, Hamburg

Eine üppige Parklandschaft auf dem Dach eines alten Bunkers, Fassaden, die an einen Dschungel erinnern oder temporäre Gärten auf Brachen – das Grün in der Stadt erobert neue Räume. „Erst mit urbanem Grün werden die Städte attraktiv und lebenswert“, sagt Luise Willen vom Deutschen Institut für Urbanistik in Köln (Difu). Die althergebrachten Konzepte der Grünraumplanung funktionieren in Zeiten der Nachverdichtung in den Städten jedoch nur noch bedingt.

Mehr Stadt in der Stadt – das bedeutet auch, dass Freiflächen immer öfter zur Disposition stehen. Gärten werden geteilt, Kleingärten ebenso bebaut wie Brachen, Natur- und Parkflächen schrumpfen. „Grünräume geraten in wachsenden Städten mehr und mehr unter Druck“, beobachtet Wagner. Eine bedenkliche Entwicklung. Schließlich bedeutet Natur einen wichtigen Ausgleich für den Menschen. Außerdem belegen Studien: „Attraktive Grünfläche oder Gewässer in der Nähe pushen den Preis von Wohnungen in den Metropolen um gut 30 Prozent und mehr“, sagt Dr. Gerd Lupp vom Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der Technischen Universität München.

Fußballfelder auf Dachlandschaften

Mit Modellvorhaben, den Green Urban Labs, in verschiedenen Städten Deutschlands werden zudem experimentelle Projekte bis zum Jahr 2020 umgesetzt – auch als Beispiel für andere. So erhält in Halle etwa eine Lärmschutzwand an den Bahngleisen eine vertikale Begrünung und in einem gründerzeitlichen Quartier setzt man, um die Pflegekosten zu senken, auf naturnahe Gärten und gezielten Wildwuchs. Visionäre Ideen für das Grün von morgen befeuert zudem ein Studentenwettbewerb. Regenwassermanagement als attraktives Element der Landschaftsgestaltung, Urban Gardening in der Quartiersentwicklung oder raumgreifende Dachlandschaften mit Fußballfeld, Kletterwand und üppigen Gärten – unterschiedliche Ansätze zeige die Zukunft der Grünraumgestaltung in der Stadt auf.

Wo die Ressourcen knapp sind, müssen sie so eingesetzt werden, dass möglichst viele Menschen etwas von ihnen haben. Dafür bedarf es vielseitiger Konzepte, die auch auf kleinem Raum unterschiedliche Altersgruppen und Wünsche ansprechen. Qualität statt Quantität, so lautet vielerorts die Devise. Nicht nur Bänke, sondern auch eine Grillecke, Tischtennisplatte oder Fitnessgeräte finden sich dann neben bunten Beeten und Sträuchern. Multifunktionalität spielt eine immer wichtigere Rolle. Ein Beispiel: Im dicht bebauten Rotterdam wird der von Bäumen und Gräsern durchbrochene Watersquare Benthemplein gerne zum Skateboard fahren, für ein Basketball-Match oder einfach für eine kleine Pause genutzt. Bei Starkregen wandelt sich der vertiefte Platz dann zum Rückhaltebecken für die Wassermassen von oben.

In anderen Metropolen gibt man Parkräume regelmäßig für ein Picknick frei, so werden in München einmal im Jahr am Park(ing) Day Stellplätze zu temporären Parks mit Topfpflanzen, Rollrasen Liegestühlen und Kunstobjekten.

Urban Gardening auf Friedhöfen

Auch Friedhöfe öffnen sich für die Naherholung. In Berlin hat man auf dem Jerusalem Friedhof bereits einen Teil zum gemeinschaftlichen Gärtnern freigegeben. Und auf dem gut 400 Hektar großen Gelände des Parkfriedhofs Ohlsdorf in Hamburg soll es künftig ebenfalls lebhafter zugehen. Im Rahmen des Projekts Ohlsdorf 2050 wurden in der Bevölkerung Ideen für freie Flächen gesammelt, jetzt nehmen die ersten Projekte Konturen an. So soll der Eingangsbereich mit einer Fahrradstation, Bänken, Blumen und Skulpturen neu gestaltet werden. Zudem starten von hier aus künftig Touren per Pferdedroschke über das Gelände. Eine Naturwiese ist ebenso in Planung wie die Umgestaltung von verschiedenen Kapellen, etwa zum Ausstellungsraum. Und auch über einen Spielplatz und eine Kita auf dem Areal denkt man nach.

Die „Kölner Grün Stiftung“ sieht sich als Koordinator zwischen Sponsoren aus der Wirtschaft, Bürgern und privaten Initiativen. Mit Hilfe von Politik und Verwaltung will die Stiftung so vernachlässigte Einzelflächen in Köln beleben und einen großen Garten für alle in Köln entstehen lassen. Die Stadt Trier stellt mobile Hochbeete für die Anwohner zur Verfügung und unterstützt bei Bedarf die Pflege. Andere Städte, wie Karlsruhe, punkten mit Programmen zur Hofbegrünung.

Ein Baustein für den effizienteren Einsatz der Freiräume ist der allgemeine Zugang zu privaten Flächen. Ein Beispiel aus Hamburg: Der Wohnpark Trabrennbahn Farmsen wurde als ambitioniertes Projekt autofrei und mit einem zentralen Park geplant. Die Stadt verbannte den Autoverkehr aus dem inneren Bereich an die Peripherie des Quartiers. Dafür gaben die Eigentümer die Nutzung der naturnahen Privatflächen mit kleinen Teichen und Gräben, üppig mit Stauden bepflanzt, frei.

Grüne Dächer krönen Wohnquartier

Grün plant man auch im Berliner Stadtteil Mariendorf auf 5,5 Hektar das Bauprojekt Hugos mit 456 Wohnungen. Gründächer krönen die Gebäude, auf einem Supermarkt ist eine Kita mit Garten vorgesehen, durch das Gelände schlängelt sich ein Bachlauf, der das Regenwasser auffängt und in einen Teich leitet, der zum Biotop renaturiert wird. „Wir pflanzen auch Obstgehölze und Kräuter, damit die Anwohner in einem Gemeinschaftsprojekt gärtnern können“, berichtet Harald Müller vom Investor Orka Investment GmbH aus Frankfurt. Statt enger Privatgärten gibt es großzügige Gemeinschaftsflächen. Insgesamt bleibt ein Drittel des Areals Pflanzen und Bäumen vorbehalten.

Gemüsegärten auf Gasometer

Neue grüne Optionen liegen unter anderem hoch oben auf den Dächern der Stadt. Längst weiß man deren Wert als attraktive Freizeitflächen zu schätzen. So war klar, dass beim Umbau des Gasometers in Kreuzberg zu einer Wohnanlage die Dachgärten unter der markanten Stahlkuppel nicht fehlen dürfen. Ganz oben auf einem Parkhaus in Neukölln sprießen Gemüse und Blumen in den Hochbeeten des Klunkergartens und auf dem Dach des Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof breitet sich seit einigen Jahren Grün aus, die Mitarbeiter können auf einer Liegewiese in ihrer Pause Energie tanken.

Ein Hochbunker als grüne Oase

Ein besonders ambitioniertes Vorhaben möchte man demnächst mitten in St. Pauli mit dem Hilldegarden umsetzen. Der Hochbunker am Heiligengeistfeld soll hoch oben einen öffentlichen Garten mit Panoramablick bekommen. Eine 300 Meter lange Rampe führt auf das Dach, wo ein mehrstöckiger Aufbau mit 5.500 Quadratmetern Grünfläche geplant ist. Eine Wildblumenwiese, 228 Bäume und große Sträucher, Flächen für Urban Gardening, ein Cafe, ein Amphitheater und eine Sporthalle, an den Bunkerwänden 3.000 Quadratmeter vertikale Begrünung – so die Idee. Im Verlauf des Jahres 2017 sollen die Bauarbeiten starten. Die Baugenehmigung ist erteilt.

„Die Menschen fordern das Grün in der Stadt ein“, so Oliver Hoch, Geschäftsführer des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg. In der Titelstory der Mai-Ausgabe der IVV immobilien vermieten & verwalten erzählt Hoch von den Urban Gardening Projekten, die in vielen Großstädten sprießen als Ausdruck einer wieder wachsenden Sehnsucht nach einem eigenen Stück Natur.

Die ganze Geschichte im gedruckten Heft. Einzelheft hier bestellen hier.

Autorin: Bettina Brüdgam

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