Der Wohnungsmarkt der Zukunft – fünf Megatrends
Die Wohnungswirtschaft steht vor zahlreichen Herausforderungen. Ideen vom Wohnen ändern sich. Wohnraumanbieter tun aber gut daran Trends zu kennen und gegebenenfalls darauf zu reagieren.
1. Deutschland altert: Es fehlt Wohnraum für Senioren
Es ist eine dramatische Prognose, die das Pestel-Institut vorgelegt hat: Bis 2030 müssen in Deutschland etwa drei Millionen altersgerechte Wohnungen gebaut bzw. umgebaut werden. Sonst drohe eine „graue Wohnungsnot“. Zwischen 1991 und 2017 ist die Zahl der über 65-Jährigen nach Angaben des Instituts von 12 auf 17,7 Millionen gestiegen. Der Studie zufolge wird die Zahl bis 2035 auf etwa 23,5 Millionen steigen.
So ändern sich die Bedürfnisse, wodurch ein umfangreiches Neubau- und Sanierungsprogramm benötigt wird, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Und weiter: „Barrierearme Wohnungen ermöglichen Menschen eine Pflege in den eigenen vier Wänden. Die deutlich teurere und oft nicht gewollte stationäre Pflege im Heim lässt sich so häufig vermeiden.“
2. Urbanisierung: Der Zug in die Städte hält an
Die Städte wachsen weiter. In Deutschland wird der Anteil der Stadtbewohner einer Prognose der Vereinten Nationen zufolge zunehmen, von heute 77 Prozent auf 84,3 Prozent im Jahr 2050.
„Der Druck auf die Großstädte bleibt bestehen“, stellt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in einer Studie fest. Dieser Druck hat dazu geführt, dass Wohnungen knapp geworden und die Mieten stark gestiegen sind. Es sei „dringend nötig, gegen den in den Städten herrschenden Wohnungsmangel vorzugehen“, mahnt das BBSR. Auch Arnd Fittkau von Vonovia sagt: „Wir müssen bauen. Die Frage ist, ob Kommunen das tatsächlich zur Chefsache erklären, denn daran hängen auch viele Investitionen in die Infrastruktur.“
3. Klimawandel: Der mühsame Weg zur Energieeffizienz
Rund 30 Prozent der deutschen CO2-Emissionen stammen laut Umweltbundesamt von Gebäuden, weshalb die Politik die Immobilienwirtschaft in die Pflicht genommen hat. Das Ziel der Bundesregierung ist, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen – doch es gibt Widerstand.
„Wir sind mit der Energieeffizienz und dem Klimaschutz im Gebäudesektor in einer Sackgasse angekommen,“ sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW). Problematisch sei vor allem, dass die Politik die teuersten Maßnahmen am stärksten fördere und nicht die, die mit geringen Kosten einen hohen Nutzen brächten.
Das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz zeigt sich auch bei der energetischen Modernisierung. Seit 2019 dürfen Eigentümer jährlich nur noch acht statt elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umlegen. Gleichzeitig beklagen Mietervertreter, die Nutzer würden zu stark zur Kasse gebeten. Vonovia hat deshalb erklärt, keine Modernisierungen vorzunehmen, die zu einer Steigerung von mehr als zwei Euro pro Quadratmeter führen.
4. Gesetzliche Regeln: Wie Vorgaben das Bauen blockieren
Zu viele gesetzliche Vorgaben erschweren den Bau. Dem Zentralen Immobilien Ausschuss e.V. zufolge hat sich die Zahl der relevanten Normen, Vorschriften und Regeln zwischen 1990 und 2015 vervierfacht, auf knapp 20.000.
Besonders vertrackt ist die Situation, weil jedes Bundesland eine eigene Bauordnung hat. Unternehmen, die an mehreren Standorten Projekte realisieren, müssen jeweils unterschiedliche Regeln beachten. Hinderlich ist das vor allem für das serielle Bauen, von dem sich Experten eine Senkung der Kosten versprechen. Zudem trägt diese Flut an Vorschriften wesentlich dazu bei, dass das Bauen teurer geworden ist. Seit 2000 seien die Bauwerkskosten um 61 Prozent gestiegen, rechnet Dietmar Walberg von der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. vor.
5. Flexibilisierung: Wohnwünsche verändern sich mit der Lebensphase
Die Fragmentierung der Gesellschaft hat zugenommen, wie die Studie „Wohntrends 2035“ zeigt, die die Beratung Analyse & Konzepte zusammen mit dem Forschungsinstitut InWIS im Auftrag des GdW erarbeitet hat. Überdies würden laut der Studie die Wohnwünsche immer ausdifferenzierter.
Da sich zudem Trends schnell wandeln, müssen Anbieter passende Strategien entwickeln. „Grundsätzlich ist es immer empfehlenswert, möglichst wenige tragende Wände vorzusehen und so eine möglichst große Flexibilität zu erzielen“, sagt Bettina Harms von Analyse & Konzepte. Und sie gibt einen weiteren Tipp: „Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Mieter gern ein kleines zusätzliches Zimmer haben.“ Für viele Menschen sei das aber Luxus geworden, so Arnd Fittkau von Vonovia: „Wenn kaum eine Alleinerziehende, ein Polizist oder eine Krankenschwester noch eine Wohnung in einer Stadt wie München findet, dann läuft etwas falsch.“ Das müsse sich ändern – dieser Verantwortung wolle er sich stellen.
Der ungekürzte Originaltext dieses Beitrags erschien ursprünglich im Magazin „Wohnen & Gesellschaft“ 2019.