Corona beschleunigt die Digitalisierung
Diese IVV-Sonderpublikation „Zukunft Wohnungswirtschaft“, liebe Leserinnen und Leser, ist prall gefüllt mit Autorenbeiträgen, Grundsatzartikeln und zahlreichen Praxisberichten von „Zulieferern“ der Immobilienwirtschaft.
Wir alle wissen, die gesellschaftlichen Herausforderungen, die an Wohnungsunternehmen gestellt werden, ebenso wie die Erwartung von Eigentümern und Mietern an Hausverwaltungen wachsen. Die zahlreichen Aufgabenfelder werden überwölbt von der digitalen Transformation. Das Zwingende dieses Wandels schlägt sich in unserer Themenauswahl nieder, denn die Mehrzahl der Praxisberichte befasst sich mit Tools und Themen der Digitalisierung.
Veränderungsprozesse, die vor der Krise bereits eingeleitet waren, werden durch die Beschränkungen in der Corona-Pandemie beschleunigt. Augenfällig ist die breite Einführung von Homeoffice und mobilen Arbeitszeitmodellen, wie die IVV-Umfrage unter den Vorständen von Wohnungsunternehmen deutlich macht (Bericht ab Seite 6). Die Verantwortlichen sprechen von einem „Türöffner für die Digitalisierung“. Gleichzeitig zeigt unsere Umfrage, dass soziale Bedürfnisse der Digitalisierung Grenzen setzen. Mobiles Arbeiten kann einsam machen; das Gefühl des Zusammenhalts, Teamgeist und kreative Diskussionen leiden unter der Vereinzelung von Mitarbeitern im Homeoffice. Auch die Pflege der Kundenbeziehungen zwischen Wohnungsunternehmen und Mietern, die Arbeit in Stadtteilbüros und Mietertreffs kann sich nicht nur im Virtuellen abspielen. Ein Vorstand drückt es in unserer Umfrage mit den Worten aus: „Natürlich mit mehr Abstand, aber wir sind immer noch vor Ort bei den Menschen.“
Bis zu einem gewissen Grad lässt sich die alltägliche Kommunikation zwischen Wohnungsnutzern und Vermieter automatisieren. Sogenannte Chatbots – selbstlernende virtuelle Assistenten, die textlich oder sprachlich auf Anfragen reagieren – sind in Verwalter-Portale integriert. Trotz dieser Begegnungen mit der künstlichen Intelligenz müssen das persönliche Gespräch und die persönliche Betreuung möglich sein. Denn eine Kommunikation, die ausschließlich über E-Mails oder Chatbots und Portale abgewickelt wird, wirkt wie das Aufstellen von künstlichen Hürden, die lästige Kunden fernhalten sollen.
Viele Apps, verbraucherorientiert entwickelt, sollen die Kommunikation fördern und vereinfachen. Das ist ohne Zweifel chic und zeitgemäß. Digitaler Schnickschnack sollte allerdings nicht vom strategischen Denken ablenken, denn die Digitalisierung von Unternehmensprozessen ist die große Herausforderung. Wo Daten schlecht aufbereitet sind und mehrere Softwaretools nebeneinander genutzt werden, schafft auch die Digitalsierung keine effektiveren Prozesse. Unter dieser Voraussetzung lassen sich Routinearbeiten nur schwerlich automatisieren, was das Ziel sein sollte, damit Ihr Team mehr Zeit hat für die wirklich wichtigen Aufgaben.
Der digitale Wandel in der Wohnungswirtschaft ist kein disruptiver Prozess, der Bestehendes hinwegfegt. Genau diesen Ehrgeiz legt ein Experte für Energie-Autarkie an den Tag. Nach seinem haustechnischen Konzept bauen Wohnungsunternehmen Gebäude, die sich weitgehend selbst mit Strom und Wärme versorgen. Eine Betriebskostenabrechnung – das ist die erste Disruption – ist nicht mehr notwendig. Und die zweite ist der Verzicht auf die wasserbasierte Heizung. Statt Brenner, Boiler, Pumpen, Rohrsystem und Heizkörper lediglich PV-Module auf dem Dach, Stromleitungen und Infrarot-Strahler an den Zimmerdecken – alles nahezu wartungsfrei. Das Plädoyer für die Enttechnisierung der Wohngebäude lesen Sie auf Seite 51.
>> IVV Sonderpublikation "Zukunft Wohnungswirtschaft 2020/21"
Redaktion (allg.)

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