Editorial

Der neue Realismus bei den Klimaschutzzielen

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 Bild: Adobestock/ my_stock
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Trotz all der im politischen Raum vorgetragenen Sorgen und Mahnungen über den Zusammenbruch des Wohnungsbaus darf eines nicht vergessen werden: In der Wohnungswirtschaft ist der Umsatz nicht gefährdet. Die (steigenden) Mieteinnahmen kommen rein. Fragt sich, was mit dem vielen Geld in naher Zukunft passiert. Wohin entwickeln sich die Investitionen der gewerblichen Vermieter? Der Zinsmarkt hat sich etwas beruhigt, an den zu hohen Baukosten hat sich jedoch nichts geändert. Klar scheint daher, dass sich die Neubaukonjunktur in absehbarer Zeit nicht erholen wird.

Weil zahlreiche Neubauprojekte storniert sind, wird ein erheblicher Teil der frei werdenden Investitionsmittel in die energe-tische Sanierung von Bestandsgebäuden fließen. Aber auch hier werden die Kapitalaufwendungenzum einen zeitlich gestreckt und zum anderen werden sogenannte geringinvestive Maßnahmen favorisiert. In der Wohnungswirtschaft, die sich nach wie vor zu den Klimaschutzzielen der Politik bekennt, hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Weg von der teuren und ressourcenintensiven Wärmedämmung und dem Austausch von Heizungsanlagen, hin zur „feinfühligen“ elektronischen Überwachung und Steuerung der Wärmeerzeugung. Digitalisierung als kostengünstiger Hebel für deutliche Energieeinsparungen und reduzierte Kohlendioxidemissionen.

Dieser Trend spiegelt sich auch in den Praxisberichten und Produktinformationen der Industriepartner wider, die in dieser „Zukunft Wohnungswirtschaft“ versammelt sind. Die digitale Steuerung von bestehenden Heizungsanlagen (Gas, Öl, Fern-wärme oder hybride Anlagen), der Einsatz von smarten Thermostaten und die digitale Erfassung von Wärmeverbräuchen sind die Trendthemen der Wohnungswirtschaft. Mit Hilfe dieser vergleichsweise kostengünstigen Technik beschreiten Wohnungsunternehmen ihren individuellen Klimaschutzpfad Richtung „Net-Zero“.

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Damit kehrt ein neuer Realismus ein. Was nicht schaden kann, denn der Weg zum klimaneutralen Betrieb von Gebäuden ist weit. Rund die Hälfte der 40 Millionen Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt; jeder Laie kann sich vorstellen, dass die Transformation zu regenerativer Heiztechnik nicht in ein oder zwei Legislaturperioden vollbracht ist.

Finanziell überfordert sind insbesondere viele Wohnungseigentümergemeinschaft. BVI-Präsident Thomas Meier hat eine Beispielrechnung aufgemacht: In einer 20 Jahre alten Wohnanlage lege die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer üblicherweise jährlich neun Euro pro Quadratmeter zurück, um eine Instandhaltungsrücklage aufzubauen. Bei 1.000 Quadratmetern Wohnfläche kämen so über zehn Jahre rund 90.000 Euro zusammen – eine Summe, die früher durchaus genügte, um Modernisierungen oder Reparaturen am Gemeinschaftseigentum zu finanzieren. Doch heute sei das anders. Für eine umfangreiche energetische Sanierung in einem Mehrparteienhaus reiche das bei Weitem nicht aus. Allein der Austausch einer alten Gasetagenheizung gegen eine moderne Wärmepumpe und der damit verbundene energetische Umbau koste schnell über 60.000 Euro.

Trotz alledem: Laut VDIV-Branchenbarometer haben 2023 fast 71 Prozent der befragten Verwalter Sanierungsmaßnahmen in WEG-Objekten begleitet; ein Jahr zuvor waren es nur 48 Prozent.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur

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