Die Stadt an der Ems-Mündung gilt seit Langem als einer der Vorreiter in Sachen Smart City und Digitalisierung. Mit dem neuen Stadtteil Conrebbersweg gehen die Ostfriesen den nächsten Schritt auf dem Weg zur intelligenten Energiestadt. Grundlage ist ein ausgeklügeltes Energiekonzept der Stadtwerke Emden in Kooperation mit dem Siemens Konzern. Das Ziel: Eine Stromversorgung vom eigenen Dach sorgt sowohl für Wärme als auch für die Energie des eigenen Fahrzeugs. Das alles ist vernetzt mit dem schnellsten Glasfasernetz.
Geplant sind 450 Grundstücke mit 800 Wohneinheiten für freistehende Einfamilienhäuser, Doppel- und Reihenhäuser und Mehrfamilienhäuser. Die Nachfrage nach Grundstücken ist trotz hoher energetischer Anforderungen, die auch mit Mehrkosten verbunden sind, sehr groß. Die Vergabe erfolgt nach einem Punktesystem mit überwiegend sozialen Aspekten. Gefördert werden sollen insbesondere junge Familien, heißt es bei der Stadt Emden.
Das Stadtquartier ist eines der ersten Neubaugebiete in Niedersachsen, in dem keine Gasrohre mehr verlegt werden. Fossile Brennstoffe sind grundsätzlich tabu. Die Grundstückseigentümer sind verpflichtet, Photovoltaikanlagen auf den Dächern zu installieren und hohe Energiestandards einzuhalten. Die Solarenergie wird zum großen Teil zur Deckung des Wärmebedarfs mithilfe von Erd- oder Luftwärmepumpen genutzt. Laut Stadtwerken kann mit den dezentralen Batteriespeichern im Haus der Anteil am Eigenstromverbrauch auf bis zu 80 Prozent gesteigert werden. Strom, der nicht gebraucht wird, fließt ins Netz der Stadtwerke und wird, garantiert für 20 Jahre, in der Stromrechnung gutgeschrieben.
Initiator Manfred Ackermann: Ohne schnelles Internet keine Smart City
Langfristig werde es bei einer grünen Energieversorgung immer um zukunftsfähige Netze gehen. „Das Netz der Zukunft verbindet dezentrale Erzeuger, Verbraucher und Energiespeicher. Windkraftanlagen und PV-Anlagen, Elektroautos und Batteriespeicher, große Betriebe und normale Haushalte: Sie alle müssen flexibel vernetzt werden“, sagt Manfred Ackermann, Geschäftsführer der Stadtwerke und maßgeblicher Initiator des Digitalisierungsprozesses und Energiekonzepts des neuen Quartiers in Emden.
Ackermann hält allein die Tatsache, dass jedes Haus von vornherein einen Glasfaseranschluss haben wird, für einen wesentlichen Grund, der für das Baugebiet Conrebbersweg spricht. „Ohne schnelles Internet gibt es keine Smart City“, sagt Ackermann. Und hier besteht in Deutschland bekanntlich erheblicher Nachholbedarf.
Die Emder beschlossen, den Glasfaserausbau selber voranzutreiben. Nach dem Motto „Nicht kleckern, klotzen“ nahm der kommunale Energieversorger 50 Millionen Euro in die Hand - ein ambitionierter Betrag. 2018 wurden die ersten Gewerbegebiete angeschlossen, in den vergangenen zwei Jahren folgten erste Wohngebiete. Der Ausbau ging trotz Corona in den letzten zwei Jahren schneller voran als erwartet. Über ihre Tochtergesellschaft Emden Digital vermarkten die Stadtwerke inzwischen erfolgreich eigene Breitbandangebote für Gewerbe- und Privatkunden. Nach Berechnungen der Stadtwerke wird sich die Investition mittelfristig refinanziert haben.
Windpark am Meer liefert jede Menge Strom
Die Emder verfolgen bereits sei 2016 das Ziel der intelligenten Energiestadt. Das bedeutet, möglichst viel Strom aus regenerativen Energiequellen für die Versorgung der Privat- und Gewerbekunden verfügbar zu machen. Davon gibt es vor Ort reichlich: Dank der Nähe zum Windpark am Larrelter Polder hat die Seehafenstadt Zugriff auf eine der größten Windfarmen Europas. Schon heute können alle Haushalte zu 100 Prozent rein rechnerisch mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden. Stadtwerke-Chef Ackermann ist davon überzeugt, dass die Möglichkeit einer CO2-neutralen Energieversorgung auch für die Industrie ein zunehmend wichtiger Standortfaktor wird. Zumal neben der Digitalisierung beim Windstrom auch Wasserstoff eine wichtige Rolle spielt. Das Kommunalversorgungsunternehmen hat vor drei Jahren als einzige deutsche Stadt am EU-Projekt HPEM2GAS zur Erzeugung von Wasserstoff teilnehmen dürfen. Zusammen mit der Hochschule Emden-Leer wurde ein Prototyp eines Elektrolyseurs installiert, mit dem täglich 80 Kilogramm Wasserstoff erzeugt wurde, der ins Gas- und Stromnetz eingespeist wurde. Weitere Schritte sind geplant. Da immer mehr Strom aus Windparks anlandet, bietet sich die kreisfreie Stadt optimal als Standort für eine Power-to-Gas-Anlage an, sagt Ackermann.
Der Vertriebsleiter von Emden Digital, Philipp Schild, bestätigt das große Interesse von Bauinteressenten, die am Conrebbersweg selber bauen oder in Immobilien investieren wollen, an Breitbandangeboten. „Die im Vergleich zu klassischen Baumaßnahmen mit Mehrkosten verbundenen Anforderungen sind für die meisten Interessenten kein Thema“, sagt Schild. Die Privatleute, die sich um ein Grundstück bewerben, beschreibt er als „aufgeklärte Menschen, die die Energiewende ernst nehmen und denen moderne Kommunikationstechnologie wichtig ist“. Die Reaktionen spiegelten exakt die Ergebnisse wider, die eine von den Stadtwerken im Vorfeld in Auftrag gegebene Marktforschung ergeben habe.
Die künftigen Häuslebauer im neuen Baugebiet bekommen bei Emden Digital maßgeschneiderte Lösungen. „Unseren klassischen Öko-Haushaltsstromtarif verbinden wir mit Highspeed-Internet-Angeboten. Wir liefern den Bauwilligen auch die geforderten Lösungen zur Photovoltaiknutzung auf dem Dach mit Speicherlösung sowie einen Ökostrom-Wärmepumpentarif. Für das Laden von Elektroautos schaffen wir mit einer Wallbox sowie speziellen Ladestromtarifen eine bequeme Lösung“, so Vertriebsleiter Schild.
Fazit von Oberbürgermeister Tim Kruithoff: „Das neue Baugebiet verbindet die wichtigsten Ziele unserer Stadtentwicklungspolitik, eine Heimat zu schaffen, die Lebensqualität bietet und unseren Ansprüchen einer nachhaltigen Entwicklung gerecht wird.“
Das Engagement der Emder in Sachen intelligente Energiestadt wird auch von der Wirtschaft vor Ort aufmerksam beobachtet. „Die Emder meinen es wirklich ernst“, sagt Werner Jahnsen, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Aurich-Emden-Norden. Er kenne keine Kommune, die mehr auf Nachhaltigkeit setze. Das Interesse am Null-Emissions-Haus sei allerdings in ganz Ostfriesland deutlich gestiegen, so Jahnsen. „Als Ersatz für gasbetriebene Brennwertthermen stehen in vielen Neubauten bereits Luft-Wärme-Pumpen hoch im Kurs. Sie laufen mit Strom, im Idealfall aus der eigenen Photovoltaikanlage.“
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