„Ein räuberischer Griff in die Kasse von Immobilienfirmen“
Herr Volckens, das Bundeskabinett strebt die grunderwerbssteuerliche Ausweitung bei Share Deals an. Was wird auf die Branche zukommen?
Was in den Anhörungen bislang auf dem Tisch lag, ist ein Dreiklang aus der Reduzierung der Mindestgrenze für den fiktiven Erwerb einer Immobilie. Wenn man heute 95 Prozent und mehr einer Gesellschaft in einer Hand hält, dann wird ein Grundstücksübergang steuerlich fingiert. Diese Grenze soll auf mindestens 90 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig gibt es eine Frist im Grunderwerbsteuergesetz, die von fünf auf zehn Jahre ausgeweitet wird. Wenn sich der gesamte Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren austauscht, wird fingiert, dass die Personengesellschaft das Grundstück neu angeschafft hat. Diese Frist soll auf zehn Jahre ausgeweitet werden. Und dann wird ein ganz neuer steuerlicher Tatbestand eingeführt, der im Grund sagt, dass eine Kapitalgesellschaft, die innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 Prozent des Gesellschafterbestandes direkt oder indirekt austauscht, ebenfalls so behandelt wird, als hätte sie den Grundbesitz, den sie hält, neu angeschafft. Das bedeutet, dass eine Gesellschaft, die an der Börse gehandelt wird, grunderwerbsteuerlich voll zur Kasse gebeten wird, wenn sich dieser an der Börse gehandelte Aktionärsbestand direkt oder indirekt zu mindestens 90 Prozent tauscht. Das ist eine neue Qualität des steuerlichen Zugriffs und über den wird zu reden sein.
Wie sollen die Steuerbehörden den Streubesitz handhaben?
Streubesitz kann man an der Börse nicht kontrollieren, denn diese Aktionäre unterliegen keiner Meldepflicht. Der Aktienhandel ist in Deutschland insofern anonymisiert, als dass börsennotierte Unternehmen nicht wissen, wer täglich Aktien kauft oder verkauft. Wenn ein Investmentfond einen Anteil an einem börsennotierten Unternehmen mit inländischem Grundbesitz zeichnet, können sich auf Ebene des Fonds auch die Anteilseigner austauschen. Und diese Informationen bekommt das Unternehmen definitiv nicht. Wir reden hier also über eine Regelung, die unvollziehbar ist, weil es keine Informations- und Überwachungsmöglichkeiten für das steuerpflichtige Unternehmen gibt.
Kann man Kapitalgesellschaften aus der Regelverschärfung herausnehmen?
Ich weiß gar nicht, warum sie überhaupt drin sind. Wir reden bei der Grunderwerbssteuer eigentlich über etwas ganz Simples. Einer verkauft dem anderen eine Immobilie. Dafür soll Grunderwerbssteuer gezahlt werden. Ich habe auch Sympathie dafür, dass es Tatbestände im Grunderwerbsteuergesetz gibt, bei denen der Erwerb des Grundstücks wirtschaftlich gleichgesetzt wird mit dem Erwerb einer Beteiligung. Was mir aber überhaupt nicht in den Kopf will, warum der Austausch von Gesellschaftern, ohne dass einer eine entsprechend hohe Beteiligung erwirbt, einem Grunderwerbsteuervorgang gleichgesetzt werden soll, denn es wechselt kein Grundstück, weder direkt noch indirekt. Im krassen Fall haben wir lauter Streubesitz-Aktionäre, die sich austauschen. Niemand erwirbt ein Grundstück und gleichwohl wird ein grunderwerbsteuerlicher Sachverhalt auf der Ebene der immobilienhaltenden Gesellschaft verwirklicht.
Lassen Sie uns über den Ursprung der Share Deal-Regelung sprechen. War es nicht so, dass mittelständische Unternehmen steuerlich entlastet werden sollten, damit diese nach der Übernahme anderer Firmen Arbeitsplätze sichern können?
Sie sprechen natürlich etwas sehr Richtiges an. Denn ein Unternehmen, das neue Gesellschafter bekommt, vielleicht durch eine Sanierung geht und neues Kapital an Bord nimmt, hat mit inländischem Grundbesitz immer die Herausforderung, dass nicht zusätzlich Grunderwerbssteuer anfallen soll. Mit den aktuellen Regelungen kann man das organisieren, aber innerhalb eines Konzerns nicht ohne Klimmzüge. Mit der Neuregelung wird steuerlichen Zugriffen Tür und Tor geöffnet. Und eines ist auch klar: Das wird die Aktivitäten in der deutschen Industrie, was Kauf- und Verkauf oder die Reorganisation von Unternehmenseinheiten betrifft, nicht leichter machen. Und es wird in Zukunft von Investoren die Frage gestellt werden, brauche ich unbedingt ein inländisches Verwaltungsgebäude, eine inländische Produktionsstätte mit derart komplexen grunderwerbsteuerlichen Zugriffsrechten. Und die Frage wird beantwortet werden, denn bei aller Richtigkeit der grunderwerbsteuerlichen Debatte müssen wir aufpassen, dass wir nicht steuerüberschießende Motivationen ins Gesetz bekommen, die unseren Investitionsstandort schädigen. Die jetzt diskutierte Regelung ist aus unserer Sicht hochgradig standortgefährdend.
Haben Sie Verständnis für die Politik, die sagt, es kann nicht sein, dass der Häuslebauer Grunderwerbsteuer zu zahlen hat, während ein Investor, der eine repräsentative Immobilie am Potsdamer Platz in Berlin kauft, das über einen Share Deal umgehen kann und der Stadt Berlin mehrere Millionen verloren gehen?
Diese politische Diskussion kann man führen. Warum halte ich sie gleichwohl für falsch? Weil in der Debatte immer ausgeblendet wird, dass alle Kosten, die im Rahmen der Herstellung oder eines Erwerbs anfallen, immer auf die Nutzer umgelegt werden. Wenn es nicht direkt über eine Preiserhöhung geht, wird der Investor den indirekten Weg wählen und weniger in die Qualität des Bestandes investieren. Er wird eine Minimalrendite ohne Ertüchtigung der Bestände anstreben. Der Nutzer trägt immer den Schaden aus einer Erhöhung der Anschaffungsnebenkosten.
Und seien wir mal ehrlich, heute erwerben Projektentwickler Grundstücke über Share Deals, sparen die Grunderwerbssteuer, bauen ein Mehrfamilienhaus, um dann die Wohnungen einzeln zu veräußern. In Zukunft wird zweimal Grunderwerbsteuer anfallen, und dann wird die Staatsquote nochmal steigen. Wir haben ja heute schon eine Staatsquote aus ein- bis zweifacher Grunderwerbssteuer, plus nicht abziehbarer Vorsteuer im Wohnimmobilienbereich von bis zu 24 Prozent. Auf jeden Quadratmeter, der neu gebaut wird, greift der Staat mit fast einem Viertel Steuerbelastung zu und verteuert somit den Wohnungserwerb. Ich habe Verständnis für die politische Debatte, ich halte sie gleichwohl für völlig verfehlt in der tatsächlichen ökonomischen Wirkung. Aber dieser neue Tatbestand des sich granular austauschenden Aktionärsbesitzes hat mit der Share Deal Diskussion überhaupt nichts zu tun. Das ist nichts anderes, als ein räuberischer Griff in die Kasse von immobilienhaltenden Unternehmen. Da ist kein Missbrauch, das hat nichts mit dem indirekten Erwerb von Immobilien zu tun, sondern es ist die Einnahmenmaximierung im Immobilienbereich zulasten von Eigentümern und Nutzern.
Herr Volckens, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Thomas Engelbrecht.
Share Deal: Politik will Steuerschlupfloch enger machen
Redaktion (allg.)


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