Editorial

Eine Mahnung zur Mäßigung an Investoren

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 Bild: Fotolia/JiSign
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Die Wohnimmobilienpreise kommen nicht zur Ruhe. Auch 2020 sind sie stark gestiegen. Laut Forschungsabteilung der staatlichen KfW-Bank von 2004 bis 2019 um fast 70 Prozent. Diese Bank überschreibt ihre aktuelle Preisentwicklungsstudie mit der bangen Frage: Hat sich deutschlandweit eine Preisblase aufgebläht, die mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft platzen könnte? Und kaufen Investoren in alarmierend großer Zahl Immobilien zu spekulativ überhöhten Preisen?

Um das Fazit von Studienautor Martin Müller vorwegzunehmen: Es gebe noch keinen Grund Alarm auszulösen, aber in einigen Großstädten sollten Investoren sich nicht länger darauf verlassen, dass sich jeder Kaufpreis problemlos über steigende Mieteinnahmen refinanzieren lässt. Die KFW-Analyse gibt immer noch Entwarnung für den Gesamtmarkt, denn die Wohnungsbaukredite haben sich weitgehend im Einklang mit den Einkommen, dem Wirtschaftswachstum und den gesunkenen Zinskosten erhöht. Jedoch haben die Indizien für regionale Spekulationsblasen und die Risiken für Preisrückgänge erheblich zugenommen. Das gilt besonders in Anbetracht möglicher Bevölkerungsrückgänge.

Die allermeisten Investoren, so die KfW, kaufen bislang nicht zu spekulativ überhöhten Preisen. Verschiedene Indikatoren und Gründe sprechen dafür, dass die Eigentumspreise auf eine steigende Nachfrage zurückzuführen sind, die nicht spekulativ motiviert ist. Der Untergrund sei solide, denn die Nachfrage steigt, weil viele Städte wachsen, Eigentum als Alterssicherung an Attraktivität gewinnt, Kredite sehr günstig und alternative Anlageformen rar sind.

Wie geht’s weiter? Für Deutschland insgesamt werde sich die Wohnungsnachfrage in diesem Jahrzehnt in jedem Fall noch recht stabil entwickeln. Bei weiter steigender Pro-Kopf-Wohnfläche, anhaltendem Trend zu kleineren Haushalten und weiterer Zuwanderung in wirtschaftsstarke Ballungsräume dürfte die Nachfrage nach neuen Wohnungen nicht abbrechen. Gleichwohl sei die Situation eine andere als in den vergangenen Jahren: Von 2012 bis 2019 ist die Zahl der Einwohner von Jahr zu Jahr gestiegen, in der Summe um 2,8 Mio., und dementsprechend auch die Wohnungsnachfrage. Ein derart starker Anstieg sei aus heutiger Sicht nicht mehr zu erwarten, und es könnte auch umgekehrt kommen: Von 2003 bis 2011 schrumpfte die Bevölkerung jedes Jahr, in der Summe um 2,2 Mio. Wanderungsströme seien sehr volatil und nur mit großer Unsicherheit zu prognostizieren.

Angesichts dieser Aussichten gebe es Anzeichenfür regionale spekulative Preisübertreibungen, und zwar dort wo die Anstiege deutlich über das hinausgehen, was durch die Zinssenkungen und Mieterhöhungen gerechtfertigt wäre. Analysen zufolge sei dies in einer Reihe von Groß- und Mittelstädten der Fall, in denen die Preise besonders stark gestiegen sind. Dazu zählen Berlin, Frankfurt am Main, München und Stuttgart. In diesen Städten könnte es zu mehr oder weniger starken Preisrückgängen kommen, warnt KfW-Research am Ende doch, und erkennt bereits erhöhte Risiken für den Bankensektor. Durch die Corona-Krise seien die Einkommensrisiken gestiegen. Die weitere Entwicklung müsse sorgsam beobachtet werden, um eine mögliche Bedrohung für die gesamtwirtschaftliche Stabilität rechtzeitig eindämmen zu können. Es war schon immer etwas gesünder, Maß zu halten.

Thomas Engelbrecht

Thomas Engelbrecht
Chefredakteur

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Artikel Eine Mahnung zur Mäßigung an Investoren
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